Elefanten. Die letzte Chance zu überleben
Gefangen in der Schere zwischen der (menschlichen) Bevölkerungexplosion seiner Heimatländer und der Elfenbeinwilderei steht der Afrikanische Elefant vor einer düsteren Zukunft. So sank in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Bestand in Kenia durch Wilderer auf ein Zehntel, während sich im gleichen Zeitraum die menschliche Bevölkerung verdoppelte.
Gleichwohl hinterläßt das vorliegende Buch – auch bei dem mit dem Sachverhalt vertrauten Leser – begründete Hoffnung, was beim Thema Naturschutz nicht häufig vorkommt. So hat der Elfenbeinpreis infolge des international beachteten Handelsverbots um 75 Prozent nachgegeben: Die Wilderei lohnt sich nicht mehr und ist fast zum Erliegen gekommen. In Kenia töten Wilderer nur mehr rund 8000 Elefanten pro Jahr – immer noch viele, aber nur ein Zehntel der früheren Anzahl.
Die Tantiemen dieses Buches fließen vollständig in die Stipendiumskasse der International Wildlife Coalition. Diese Vereinigung plant, aus den Einnahmen die Kinder derjenigen Wildhüter, die sich im Kampf gegen die Wilderei besonders hervorgetan haben, in ihrer Ausbildung zu unterstützen.
Die sechs Autoren, durchweg im Naturschutz stark engagiert, haben es verstanden, sowohl die von Elefanten ausgehende Faszination zu vermitteln als auch neuere Forschungsergebnisse mitzuteilen.
Das zweifellos interessanteste Kapitel des Buches ist „Die Sicht des Afrikaners“ von Perez Olindo, einem gebürtigen Kenianer. Obwohl auf dem Lande aufgewachsen, sah er erstmals mit 17 Jahren einen Elefanten. Dieses Erlebnis haben hierzulande die Kleinkinder im Zoo ihrer Heimatstadt, noch ehe sie laufen können. Die Afrikaner haben die Tier- und Pflanzenwelt ihrer Heimat immer mit Hochachtung behandelt; sie fühlten sich selbst als Teil der sie umgebenden Natur. Diese Einstellung, von den Menschen hochentwickelter Staaten oft abschätzig als „Animismus“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit ein moralisches Prinzip, das bislang Afrikas natürliches Erbe großenteils bewahrt hat.
Viele Menschen unseres Kulturkreises bilden sich ein, erst wir hätten die Afrikaner gelehrt, Umwelt und Lebewesen zu schützen. Olindo widerlegt dies, nicht ohne sich kritisch mit den politischen Radikalen seines Landes auseinanderzusetzen. Er beschreibt seine ethische Einstellung zur Natur so: „Ich selbst bin immer bestrebt gewesen, die traditionelle afrikanische Ethik des harmonischen Zusammenlebens des Menschen mit seiner Umwelt erneut zu beleben. Dabei geht es in erster Linie darum, in den Menschen ein Bewußtsein für ihre Umwelt wachzurufen.“ Daraus zieht er den Schluß, daß die Menschen heute auch ein materielles Interesse an der Tierwelt und den anderen Bestandteilen der Natur haben müssen, um sie für wertvoll und damit schützenswert zu halten. Die Lösung sieht er im „Ökotourismus“, von dem er eine andere Vorstellung hat als die sanften Fahrrad- und Trekking-Apostel alternativer Provenienz.
Diesen Gedanken greift David Western, Vorsitzender der African Elephant and Rhino Specialist Group und Direktor von Wildlife Conservation International, in seinem Beitrag „Wenn die Wälder verstummen“ auf und nennt dabei beeindruckende Zahlen: Allein die Touristen, die zu Erlebnis- und Photo-Safaris kommen, geben direkt und indirekt 20 Millionen Dollar im Jahr für Kenias Elefanten aus. Bei einem Rückgang des derzeitigen Bestandes von 20000 Tieren um die Hälfte würden – so seine Prognose – die Einnahmen aus dem Touristengeschäft insgesamt um 80 Millionen Dollar zurückgehen. Offen spricht Western auch das ungeklärte Problem des durch Hegeabschuß und Wildereiverfolgung anfallenden Elfenbeins an, das die meist recht devisenschwachen Länder vermarkten wollen und nicht dürfen.
In diesem Punkt vertritt Richard Leakey, der Direktor des Kenya Wildlife Service, eine kompromißlose Haltung, die in der Verbrennung von Elfenbein gipfelte. Diese Aktion rief bei vielen Menschen Unverständnis hervor: Wie konnte ein so armes Land ein begehrtes Naturprodukt im Wert von 3 Millionen Dollar einfach vernichten? Leakey beließ es aber nicht bei spektakulären Aktionen; als die Sicherheit von Kenia-Touristen nicht mehr gewährleistet war, griff er hart durch, und wenige Monate später gab ihm der Erfolg recht.
Ein unglaubliches Phänomen, das an klassisch-exotische Erzählungen von Entdeckungsabenteuern in Afrika erinnert, beschreibt Ian Redmond. Er besuchte – zusammen mit Elefanten – die Höhlen an den Flanken des Mount Elgon, eines großen, erloschenen Vulkans an der Grenze zwischen Kenia und Uganda: Die Tiere tasten sich auf der Suche nach salzhaltigem Gestein stundenlang mit ausgestrecktem Rüssel durch die Dunkelheit.
Biologisches und historisches Wissen über Elefanten vermittelt das Kapitel von Jeheskel Shoshani, der 1973 dem wohl berühmtesten Elefanten Afrikas, dem Bullen Ahmed, im Marsabit-Nationalreservat von Kenia begegnete. Allerdings hätte manche biologische Besonderheit – wie die Abfolge der Zahnung der Backenzähne – etwas genauer beschrieben werden können. Auch die Feststellung, daß Elefanten bis zu 80 Jahre alt würden, stimmt nicht; aufgrund des Zahnwechsels der Backenzähne weiß man, daß Elefanten nur 60 bis höchstens 65 Jahre alt werden können.
Die ausgezeichneten Photos von Brian Beck und mehreren anderen Autoren unterbrechen den Lesefluß auf eine höchst angenehme Weise – hoffentlich nicht nur für Afrika-Fans.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1993, Seite 118
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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