Emissionen der klimarelevanten Spurengase Distickstoffoxid und Methan in der Bundesrepublik
Durch menschliche Aktivitäten reichern sich auch gasförmige chemische Verbindungen in der Atmosphäre an, die in der öffentlichen Diskussion über eine mögliche Verstärkung des Treibhauseffekts und die Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht bislang kaum berücksichtigt worden sind. Nun liegt eine erste Bilanz vor.
Außer dem Kohlendioxid , das bei der Verbrennung der fossilen Energieträger frei wird, tragen auch andere durch menschliche Aktivitäten vermehrt freigesetzte Substanzen zum zusätzlichen Treibhauseffekt bei. Wegen ihrer geringen Konzentration in der Atmosphäre werden sie zwar Spurengase genannt, doch sind sie für das Klima durchaus relevant: Allein Methan und Distickstoffoxid verursachen gegenwärtig fast ein Fünftel der Änderung in der Strahlungsbilanz (Bild 1). Methan entsteht bei der Umsetzung von organischem Material unter anaeroben Bedingungen. Die wichtigsten natürlichen Quellen sind die Feuchtgebiete. Vermutlich mehr als die Hälfte der -Emissionen haben jedoch anthropogenen Ursprung, so den Naßreisanbau, die Viehhaltung, den Bergbau, die Förderung und Verteilung von Erdöl und Erdgas sowie die Abfalldeponien. Insgesamt werden weltweit jährlich rund 590 Millionen Tonnen freigesetzt, davon etwa 350 Millionen Tonnen durch menschliche Aktivitäten. Überwiegend durch photochemische Prozesse in der Atmosphäre und durch mikrobielle Umsetzung in Böden werden wiederum jährlich knapp 550 Millionen Tonnen abgebaut. Netto nimmt die -Konzentration in der irdischen Lufthülle somit zu, und zwar um rund 0,75 Prozent pro Jahr. Distickstoffoxid entsteht bei mikrobiellen Stickstoffumsetzungen, vor allem in Böden und Gewässern. Die Anteile natürlichen und zivilisatorischen Ursprungs sind nur schwer voneinander abzugrenzen. Eindeutig anthropogene Quellen sind industrielle Prozesse, die Verbrennung von Biomasse und von fossilen Energieträgern. Abgebaut wird wohl überwiegend auf photochemischem Wege in der Stratosphäre, womit es indirekt auch zur Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht beiträgt. Insgesamt steigt die Konzentration in der Troposphäre jährlich um 0,25 Prozent. Der Schutz der Erdatmosphäre erfordert eine drastische Reduktion sowohl der - als auch der -Emissionen. Doch welchen Anteil können wir durch unser Handeln in der Bundesrepublik überhaupt beeinflussen? Welches sind die bedeutendsten Quellen der anthropogenen Emissionen, und wo sind Ansätze zu ihrer Verminderung denkbar? In einem Team von Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe sind wir mit finanzieller Förderung durch das Umweltbundesamt diesen Fragen nachgegangen. An der im Sommer 1993 abgeschlossenen ersten Phase unseres Forschungsvorhabens beteiligten sich Partner vom Institut für Bodenbiologie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig, vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, von der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder (Colorado) sowie vom Institut für Meteorologie und Geophysik an der Universität Frankfurt. Die bisher für die wichtigsten Bereiche ermittelten Emissionsmengen können aber nur als erste, vorläufige Schätzwerte angesehen werden. Sie basieren hauptsächlich auf der Auswertung neuerer Untersuchungen, die sich mit Teilaspekten der umfassenden Fragestellung befaßt haben.
Methan
Die wichtigsten -Quellen in der Bundesrepublik sind die Abfalldeponien, die Viehhaltung und der Kohlenbergbau. Sie verursachen zusammen mehr als drei Viertel der erfaßten Emissionen (Bild 2). Auf Abfalldeponien entstehen beim Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen jährlich etwa 2 bis 4 Millionen Tonnen Methan (die Anteile aus schwer abbaubaren Kohlenstoffverbindungen, dem Kohlenstoffaustrag mit dem Deponie-Sickerwasser und der Oxidation von im Deponiekörper sind allerdings bislang unzureichend quantifizierbar). Nach Abzug der abgefackelten und zum Teil energetisch genutzten Mengen beläuft sich die jährliche Emission auf rund 1,8 bis 3,2 Millionen Tonnen. Die stoffwechselbedingte Freisetzung durch die Nutztierhaltung in Deutschland beträgt etwa 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei der überwiegende Teil auf den Bestand an Rindern zurückzuführen ist. Allein aus wirtschaftlichen Gründen hat man den Stoffwechselverlust – als solcher ist das Entweichen von Methan bei der Fermentation von Rohfasern im Pansen der Wiederkäuer zu betrachten – bereits in der Vergangenheit intensiv untersucht, so daß dieser Wert als relativ sicher einzustufen ist. Hinzuzuzählen sind die Emissionen, die durch den anaeroben Abbau organischer Substanzen in tierischen Exkrementen entstehen. Sie variieren sehr stark je nach Art und Dauer der Lagerung sowie der Behandlung der Exkremente, und deswegen gibt es kaum zuverlässige quantitative Angaben; wir rechnen derzeit mit einem Wert von rund 500000 Tonnen pro Jahr. Bei der Bildung von Kohlen aus abgestorbenem pflanzlichem Material ist ebenfalls entstanden, das nun bei der Förderung und Verarbeitung der Kohle freigesetzt wird. Wegen der Sicherheitsvorkehrungen gegen Schlagwetterexplosionen (also die Entzündung von Grubengas) liegen gut abgesicherte Daten für den Steinkohlen-Bergbau vor. Unter Berücksichtigung des Abfackelns und der energetischen Verwertung von Grubengas ergeben sich in diesem Bereich der Montanindustrie Deutschlands Emissionen von rund 1 bis 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Für den Braunkohlen-Tagebau hingegen ist die Datenlage wesentlich schlechter. Die Schätzwerte liegen hierfür zwischen 8000 und 360000 Tonnen pro Jahr. Eine weniger bedeutende Rolle spielen die Verteilverluste von Erdgas (das überwiegend aus besteht), der anaerobe Abbau eingetragener organischer Substanzen in Gewässern, die Abwasserreinigung (dabei vor allem die in Ostdeutschland noch übliche Klärschlammstabilisierung in offenen Behältern) und industrielle Produktionsprozesse, außerdem Feuerungen und Fahrzeugmotoren, von denen als Produkt unvollständiger Verbrennung freigesetzt wird. Insgesamt entweichen in der Bundesrepublik aus den untersuchten Gruppen von Quellen jährlich rund 5 bis 8 Millionen Tonnen Methan. Das sind um die 2 Prozent der weltweiten anthropogenen Emissionen. Bereits jetzt lassen sich erste Aussagen über vorhandene Reduktionsmöglichkeiten treffen: Vordringlich sind die Erfassung und die energetische Nutzung des auf Abfalldeponien, im Kohlenbergbau sowie von tierischen Exkrementen anfallenden . Weil dadurch fossile Energieträger substituiert werden können, würde ein zusätzlicher Nutzen erzielt. Hohe Priorität kommt des weiteren der Erneuerung der Gasnetze in den neuen Bundesländern und verfahrens-technischen Umstellungen bei der Klärschlammbehandlung in den dortigen Kläranlagen zu.
Distickstoffoxid
Die wichtigsten -Quellen sind in der Bundesrepublik einige industrielle Prozesse sowie die Landwirtschaft mit Anteilen an den anthropogenen Gesamt-emissionen von jeweils gut 30 bis 40 Prozent. Es folgt der Gewässerbereich mit einem Anteil von gut 10 bis 20 Prozent, welcher jedoch zumindest teilweise wiederum durch landwirtschaftlich bedingten Stickstoffeintrag hervorgerufen wird (Bild 3). Die bedeutendste industrielle Quelle ist die Produktion von Adipinsäure, bei der jährlich rund 85000 Tonnen freigesetzt werden. Adipinsäure ist ein wichtiges Vorprodukt für die Kunstfaserherstellung. Bei ihrer Gewinnung wird Salpetersäure zu reduziert, das man in die Atmosphäre abgibt. Diese erheblichen Emissionen ließen sich durch katalytische Verfahren verringern – wie wirksam, kann man allerdings gegenwärtig noch nicht absehen. Weitere dem industriellen Bereich zugeordnete Quellen sind unter anderem die Salpetersäureproduktion und die Verwendung von in der Medizin (als sogenanntes Lachgas zur Narkose) oder als Treibgas mit zusammen 10000 bis 16000 Tonnen pro Jahr. Entscheidend für die absolute Höhe von Distickstoffoxid-Emissionsraten aus landwirtschaftlich genutzten Böden sind die aufgebrachten Stickstoffdüngermengen. Die Meßwerte variieren mit den Bodentypen, den angebauten Feldfrüchten und der Witterung während der jeweiligen Probenahme. Auf der Basis grob geschätzter Mittelwerte ergeben sich Emissionen in Höhe von 60000 bis 70000 Tonnen pro Jahr für die gesamte Bundesrepublik. Hinzu kommen 7000 Tonnen pro Jahr durch den Stickstoffeintrag bei der Weidehaltung von Rindern. Außerdem verursachen landwirtschaftliche Abfälle, aus denen Ammoniak entweicht und als partikelgebundenes Ammonium im Niederschlag auch in nicht landwirtschaftlich genutzte Böden gelangt, indirekt weitere Emissionen, die wir auf 11000 Tonnen pro Jahr schätzen. In Oberflächengewässern und Grundwasserleitern wird Distickstoffoxid durch Nitrifikations- und Denitrifikationsprozesse vor allem aufgrund der zunehmend eingetragenen Stickstoffverbindungen anthropogenen Ursprungs – zum Beispiel ausgewaschener Dünger oder Abwasser aus Kläranlagen – gebildet. Die Emission aus Oberflächengewässern schätzen wir auf rund 6000 bis 13000, die aus Grundwasserleitern auf 18000 bis 42000 Tonnen pro Jahr (wobei wir unterstellt haben, daß das im Grundwasser gebildete Distickstoffoxid ohne weitere Umsetzung im Boden vollständig in die Atmosphäre übergeht). Der Effekt von Feuerungen ist geringer als früher vermutet. Zwar entsteht bei der Verbrennung von Kohle und Schweröl aus dem darin enthaltenen Stickstoff. Die Emissionen wurden aber wegen Fehlern bei den Probenahmen weit überschätzt. Auch die Abwasserreinigung spielt keine bedeutsame Rolle. entsteht dabei als Zwischenprodukt in der Stufe der biologischen Stickstoffelimination, das überwiegend in die Atmosphäre abgegeben und zum geringeren Teil im geklärten Abwasser verbleibt. Wegen der beabsichtigten zunehmenden Ausstattung von Kläranlagen mit derartigen Einrichtungen, vor allem in den neuen Bundesländern, ist aber eine steigende Tendenz zu erwarten. Ebenfalls nur ein geringer, wenn auch mit dem Einsatz von Abgaskatalysatoren wachsender Beitrag zu den Gesamtemissionen stammt vom Kraftfahrzeugverkehr. Bei den chemischen Reaktionen entsteht nämlich teilweise emittiertes als Zwischenprodukt der Reduktion von Stickstoffmonoxid (NO), vor allem wenn der Katalysator noch nicht in betriebswarmem Zustand ist. Nach unserer Schätzung werden durch menschliche Aktivitäten in der Bundesrepublik insgesamt jährlich rund 200000 bis 300000 Tonnen Distickstoffoxid in die Atmosphäre eingebracht. Bezogen auf die weltweiten anthropogenen Emissionen entspricht dies einem Anteil von etwa 3 bis 4 Prozent. Trotz der geleisteten Arbeiten und der Identifikation von Maßnahmen zur Emissionsminderung bleibt eine Fülle offener Fragen. Von der Fortsetzung unserer Arbeiten erwarten wir sowohl eine bessere Fundierung der Ergebnisse als auch handlungsorientierte Empfehlungen zur Emissionsminderung.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1994, Seite 109
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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