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Epidemien zerebrospinaler Meningitis

In vielen Entwicklungsländern ist die folgenschwere, oft tödliche Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, die durch Bakterien verursacht wird, eine immer wiederkehrende Bedrohung. Neue Erkenntnisse könnten aber schon bald eine bessere Vorhersage und Kontrolle von Massenerkrankungen ermöglichen.

Mitte April 1988 hatte die Meningitis-Epidemie in N'Djamena, der Hauptstadt der zentralafrikanischen Republik Tschad, ihren Höhepunkt erreicht. Angefangen hatte alles Mitte Februar mit einigen vereinzelten Fällen. Dann aber, binnen vier Wochen, mußte das Zentralkrankenhaus der Stadt Tag für Tag nahezu 150 solcher Patienten aufnehmen. Weil kein Platz mehr für irgendein Bett war, wurden die Menschen in großen Armeezelten in den Innenhöfen behandelt.

Trotz aller Anstrengungen des Gesundheitsministeriums und ausländischer Hilfsorganisationen breitete die Epidemie sich weiter aus. Auch Medikamente wurden knapp, was das medizinische Personal, das bereits durch die schier endlose Arbeit angespannt und übermüdet war, noch mehr belastete; das ganze fragile Gesundheitssystem des Entwicklungslandes drohte schließlich zusammenzubrechen. Erst eine ausgedehnte Impfkampagne brachte die Epidemie zum Erliegen.

Insgesamt waren laut offiziellen Angaben rund 4500 Menschen an Meningitis erkrankt. Doch Hunderte, vielleicht sogar Tausende hatte man überhaupt nicht erfaßt. Im Tschad, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern, besteht außerhalb großer Städte im allgemeinen keine ärztliche Versorgung. Meningitis-Patienten, die mehr als einen Tagesmarsch von der nächsten medizinischen Station entfernt wohnten, blieben Antibiotika in der Regel versagt. Viele starben oder behielten Hirnschäden zurück.

Ein solches Chaos und Elend wie bei der Epidemie im Tschad verursachen die meisten Ausbrüche von Meningokokken-Meningitis in der Dritten Welt. Diese auch als zerebrospinale Meningitis oder epidemische Genickstarre bekannte bakterielle Erkrankung ist, weil sie sich extrem schnell entwickelt, von Medizinern gefürchtet. Betroffene leiden zunächst unter Fieber und Abgeschlagenheit wie bei einer Grippe; innerhalb weniger Stunden aber verstärken sich die Symptome zu äußerst heftigen Kopfschmerzen, Nackensteife und Empfindlichkeit gegenüber hellem Licht. Ohne Behandlung kann der Patient in ein Koma fallen, unter Umständen sogar einen tödlichen Schock erleiden.

Zwar ist die Meningokokken-Meningitis in den USA und anderen Industriestaaten selten geworden. Die meisten Entwicklungsländer sind jedoch nach wie vor von schweren Epidemien betroffen, die innerhalb weniger Wochen eine ganze Nation heimsuchen können.

Warum aber treten sie überhaupt auf? Was läßt eine solche Infektionskrankheit jahrelang innerhalb einer Bevölkerung mehr oder weniger schlummern und dann plötzlich ausbrechen? Auch wenn vieles daran weiterhin rätselhaft ist, bieten epidemiologische Charakteristika mittlerweile doch einige Anhaltspunkte für die Ursachen und für mögliche Gegenmaßnahmen. So tritt die Plage zyklisch auf, was mit wechselnden äußeren Bedingungen ebenso zusammenhängen könnte wie mit nachlassender Immunität und gleichzeitig vorhandenen anderen Infektionskrankheiten. Durch medizinische Detektivarbeit und Einsatz neuer biologischer Verfahren hat man jetzt einige dieser lebensgefährdenden Geheimnisse zu entschleiern begonnen.


Eine bedrohliche Erkrankung

Verursacht wird die epidemische Meningitis durch das rundliche – kokkenförmige – Bakterium Neisseria meningitidis, einen nahen Verwandten des Gonorrhö-Erregers N. gonorrhoeae. Während Gonokokken die Schleimhäute von Harn- und Geschlechtstrakt infizieren, besiedeln die ebenfalls nur bei Menschen krankheitserregenden Meningokokken vor allem, und nicht einmal selten, die des Rachenraums und verbreiten sich somit leicht durch Tröpfcheninfektion. Man könnte sogar darüber streiten, ob sie nicht als Bestandteil der normalen Mundflora zu erachten sind: Zwischen ein und zehn Prozent aller Gesunden weisen zu einem beliebigen Untersuchungszeitpunkt Meningokokken auf. Aller Wahrscheinlichkeit sind die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens einmal Träger gewesen.

Das Rachenepithel bildet normalerweise eine Barriere für derartige Bakterien; die dennoch eindringen, erliegen der Immunabwehr. Gelegentlich jedoch geraten Vorstöße der Keime und körpereigener Schutz aus dem Gleichgewicht – eine Invasion und damit eine lebensbedrohliche Erkrankung sind die Folge (siehe Kasten auf Seite 61). Sobald Meningokokken in den Blutkreislauf gelangt sind und die Hirn- und Rückenmarkshäute durchquert haben, befinden sie sich am Ziel: in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, die das zentrale Nervensystem umspült und abpolstert. Dieser sogenannte Liquor wirkt auf die Bakterien wie ein Kulturmedium; sie vermehren sich rasch und lösen dann eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, der Meningen, aus.

Typisch sind – wie erwähnt – Symptome wie Fieber, Nackensteife, Kopfschmerzen bis hin zum Koma. Bei bis zu einem Drittel der Patienten tritt außerdem ein schwerer septischer Schock ein, wenn sich die Meningokokken über den Blutkreislauf im ganzen Körper ausbreiten. Charakteristisch dafür ist ein rascher Abfall des Blutdrucks, vor allem in den Extremitäten. Verursacht wird er vermutlich durch einen von den Bakterien freigesetzten Giftstoff, ein Endotoxin, das Abwehrzellen veranlaßt, bestimmte Proteine – darunter den Tumornekrosefaktor Alpha – auszuschütten. Diese Faktoren machen Blutgefäße durchlässiger und können einen jähen, oft tödlichen Blutdruckabfall herbeiführen.

Überlebende eines durch Meningokokken ausgelösten septischen Schocks sind unter Umständen für den Rest ihres Lebens gezeichnet: durch entstellende Hautläsionen und verkrüppelte Extremitäten. Unbehandelt verläuft eine Meningokokken-Meningitis in der Regel tödlich. Durch rasche Gabe von Antibiotika läßt sich die Sterblichkeit jedoch auf ungefähr zehn Prozent senken. Allerdings können Patienten, die mit dem Leben davongekommen sind, aufgrund dauerhafter Hirnschäden taub, gelähmt oder geistig beeinträchtigt sein.


Zyklen im Meningitis-Gürtel

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die meisten Industrieländer von Meningitis-Epidemien verschont geblieben. Zwar beherbergen viele Menschen das Bakterium, sind also Meningokokken-Träger. Doch werden beispielsweise in den USA jährlich weniger als drei Fälle endemischer Meningokokken-Meningitis auf 100000 Einwohner registriert. Ausgesprochen virulente Epidemien grassieren dagegen immer noch in den Ländern der Dritten Welt. So wurden 1989 während eines Ausbruchs in Äthiopien mehr als 40000 Fälle verzeichnet. In den sechziger Jahren traf es in China vielleicht drei Millionen Menschen. Wenn in sich entwickelnden Staaten plötzlich Hunderte oder gar Tausende erkranken, sind die oft nur wenig ausgebauten Gesundheitssysteme nicht selten überfordert (Bild 1).

Epidemien dieser Art sind im allgemeinen nicht vorherzusehen und brechen zudem vergleichsweise selten aus. Darum läßt sich der Vorgang auch so schwierig untersuchen. Schon seit Jahrzehnten ist allerdings bekannt, daß die Epidemien im sogenannten Meningitis-Gürtel in Afrika besonders häufig sind (Bild 2). In diesem sich von West nach Ost verbreiternden Streifen, der sich von Gambia über den gesamten Kontinent bis hin nach Äthiopien erstreckt und weithin mit den grasbewachsenen Savannen zusammenfällt, treten sie gewöhnlich alle fünf bis zwölf Jahre auf. Jede neue Welle hält in der Regel mehrere Jahre lang an (Bild 3 oben).

Innerhalb eines Jahres folgen die Meningitis-Raten noch einem weiteren, saisonalen Zyklus: Die meisten Menschen erkranken während der Trockenzeit; danach, mit Einsetzen der Regenfälle, schwindet die Zahl der Betroffenen wieder. Selbst auf dem Höhepunkt einer Epidemie fällt sie während der Regenzeit auf den Ausgangswert zurück und steigt erneut mit der nächsten Trockenperiode (Bild 3 rechts). Also scheint, wenn das Bakterium in einer dafür anfälligen Bevölkerung zirkuliert, irgendein Ereignis im Laufe der Trockenzeit zu bestimmen, ob eine Epidemie um sich greifen wird.

Dieses rätselhafte Verhalten der Seuche beschäftigt Epidemiologen seit Jahren. Anders als bei einer endemischen Infektionskrankheit, die örtlich begrenzt bleibt, ist bei einer Epidemie die gesamte Bevölkerung gefährdet. Weil das Risiko einer Epidemie im Laufe der Zeit variiert, müssen sich die sie auslösenden Faktoren ebenfalls ändern. In den USA sind zum Beispiel Personen mit einer seltenen, genetisch bedingten Beeinträchtigung ihres Komplementsystems ungewöhnlich anfällig für Meningokokken-Meningitis (das System umfaßt spezielle Proteine im Blutplasma, die nach Aktivierung durch Antikörper Bakterien abtöten). Da die Infektion landesweit selten ist, geht vermutlich ein beträchtlicher Teil aller Fälle auf eine derartige Abwehrschwäche zurück; aber weil die Zahl an Personen mit solch einer Disposition im Schnitt einigermaßen konstant bleibt, kann diese wohl kaum eine Hauptursache einer Epidemie sein. Bei Studien in Nigeria und Gambia hat sich in der Tat bestätigt, daß unter den Meningitis-Patienten solche mit Komplementdefekten nicht häufig sind.

Andere Faktoren, zum Beispiel der Spiegel an Antikörpern gegen Meningokokken, könnten sich dagegen mit der Zeit innerhalb einer Bevölkerung verändern. Den Grad an Schutz, der in einer Population allgemein gegen einen Erreger vorhanden ist, bezeichnet man als Herden-Immunität, ein Begriff, der bei frühen Untersuchungen an Viehbeständen geprägt wurde. Eine Abnahme im Laufe einiger Jahre könnte teilweise für das zyklische Aufflackern der Meningitis in Afrika mitverantwortlich sein.


Schutzeffekte

Die Bedeutung der Immunabwehr gegen Meningokokken haben Ende der sechziger Jahre Irving Goldschneider und Emil C. Gotschlich mit ihren Kollegen am Walter-Reed-Forschungsinstitut der US-Armee in der amerikanischen Bundeshauptstadt Washington elegant belegt. Bevor Impfstoffe in den siebziger Jahren aufkamen, waren Armee-Rekruten ein besonders gefährdeter Personenkreis. Die Wissenschaftler nahmen an Tausenden von Soldaten sofort zu Beginn der Grundausbildung Blut ab und beobachteten sie dann während der gesamten weiteren Zeit im Camp. Sobald einer der Männer erkrankte, wurde sein aufbewahrtes Serum auf die Fähigkeit zur Abtötung von Meningokokken untersucht und mit den Seren gesunder Männer verglichen. Dabei stellte sich heraus, daß es in der Hauptsache jene getroffen hatte, deren Anti-Meningokokken-Aktivität zuvor gering gewesen war.

Damit sich spezifische Antikörper ausbilden, muß eine Person natürlich zunächst überhaupt einmal in Kontakt mit dem Erreger kommen. Die meisten Erwachsenen haben einen Antikörperschutz gegenüber Meningokokken, ohne jemals erkrankt gewesen zu sein. Die Untersuchungen an den Rekruten deuteten aber darauf hin, daß für Individuen ohne solche Antikörper bei Erstkontakt gerade ein hohes Erkrankungsrisiko bestand. Unerklärlich war, warum die meisten Menschen protektive Antikörper entwickelten, ohne sich eine Meningitis zuzuziehen.

Nun gibt es Neisseria-Arten, die Bestandteil der normalen menschlichen Mundflora sind und in der Regel keine Krankheitssymptome hervorrufen. Dazu gehört zum Beispiel N. lactamica, eine Verwandte von N. meningitides. Wie Ronald Gold und Martha L. Lepow von der Universität von Connecticut in Storrs gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Walter-Reed-Institut gezeigt haben, bilden kleine Kinder nach Halsinfektionen mit N. lactamica häufig Antikörper aus, die gleichzeitig gegen Meningokokken schützen. (Man bezeichnet solche Abwehrmoleküle als kreuzprotektiv.) Somit scheint eine Infektion mit den weitgehend harmlosen Bakterien vor der Invasion durch eine andere, virulentere Art zu schützen. Darin könnte eine Erklärung für die Beobachtungen an den Rekruten liegen: Wem kreuzprotektive Antikörper von einer in der Kindheit durchgemachten Neisseria-Infektion fehlen, den träfe es besonders leicht, weil sich bei dem engen Zusammenleben unter den Mannschaftskameraden Meningokokken-Stämme aus dem gesamten Land schnell ausbreiten.

Inzwischen sucht man herauszufinden, welche Bestandteile der Meningokokken selbst eine schützende Immunantwort hervorrufen. Bekannt ist schon, daß Komponenten der Polysaccharid-Kapsel um den Erreger als Antigen wirken. Einzelne Meningokokken-Stämme unterscheiden sich in ihren Polysaccharid-Antigenen, und anhand von Testseren ließen sich bereits mindestens 13 sogenannte Serotypen identifizieren.

N. meningitides des Serotyps A ist für die ausgedehnten Epidemien verantwortlich, die Afrika, Lateinamerika und China zyklisch heimsuchen. Andere Typen kommen als Ursache für Epidemien weniger in Frage, obgleich die meisten endemischen Krankheitsfälle in den USA auf ihr Konto gehen. Impfstoffe auf der Basis eines bestimmten Kapsel-Polysaccharids schützen zwar hervorragend gegen die entsprechende Serogruppe, nicht aber gegen eine andere; und ausgerechnet das von B, dem häufigsten Typ in den USA, bringt keinen langanhaltenden Impfschutz.

Da eine Immunisierung mit einem solchen Polysaccharid nicht kreuzprotektiv wirkt, beruht der breite Schutz nach einer Infektion mit N. lactamica wohl auf anderen Antigenen – zumal dieses Bakterium anders als N. meningitides wahrscheinlich überhaupt keine Polysaccharid-Kapsel hat. Immunität erzeugen möglicherweise sonstige Komponenten wie Proteine der äußeren Membran der Zellwand sowie darin eingebundene Lipooligosaccharide, die sowohl bei N. lactamica wie bei N. meningitides vorkommen.

Nachlassender Schutz könnte auch eine Erklärung für die fünf- bis zwölfjährigen Intervalle zwischen den Meningitis-Epidemien in Afrika sein. Infolge der hohen Ansteckungsraten während einer Meningokokken-Epidemie würde sich in der Bevölkerung eine ausgedehnte natürliche Immunität aufbauen, die sie über mehrere Jahre vor einem erneuten Ausbruch bewahrt. Nach und nach, mit der Geburt wieder anfälliger Kinder und wegen des natürlichen Verlusts an Antikörpern, würde aber der Immunstatus der Bevölkerung einer Epidemie immer weniger Widerstand entgegensetzen.


Wegbereiter einer Epidemie

Dies allein vermag allerdings nicht alle Besonderheiten des Erkrankungsmusters im afrikanischen Meningitis-Gürtel zu erklären. Die Abhängigkeit von der Jahreszeit zeigt an, daß auch Umweltfaktoren entscheidend sind. Ein Gutteil der Erkenntnisse darüber stammt aus Studien in Gambia und Nigeria, die eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Brian M. Greenwood von den Laboratorien des britischen Medizinischen Forschungsrates in London durchgeführt hat. Sie hat nicht nur zur Aufdeckung der Epidemiologie dieser Erkrankung beigetragen, sondern auch an der Entwicklung neuer Impf- und Bekämpfungsprogramme mitgewirkt.

Ein Befund war, daß Meningokokken das ganze Jahr übertragen werden, auch wenn die Krankheit selbst nur während der Trockenzeit ausbricht. So ließen sich in manchen Dörfern nach der Regenzeit (während der keine neuen Fälle auftraten) hohe Antikörperspiegel feststellen. Offenbar hatten sich Meningokokken in der Dorfbevölkerung ausgebreitet, ohne jedoch die Erkrankung auszulösen. Die Saisonalität der Meningitis in Afrika ist deshalb keine Folge einer verstärk- ten Übertragung während der Trockenzeit. Vielmehr scheint es so zu sein, daß hohe Temperaturen und geringe Luftfeuchtigkeit Infizierte krankheitsanfälliger machen; bei austrocknenden Rachenschleimhäuten könnten Meningokokken leichter tiefer gelegene Gewebe besiedeln und somit eher in die Blutbahn gelangen.

Auch Virusinfektionen der oberen Atemwege könnten die Rachenschleimhaut angreifen und so einer bakteriellen Invasion den Weg bereiten. Unsere Arbeitsgruppe an der Abteilung für Meningitis und spezielle Krankheitserreger der amerikanischen Seuchenbehörde (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) in Atlanta (Georgia) begann sich für diese Möglichkeit während einer Serie von Epidemien zu interessieren, die Mitte der achtziger Jahre einsetzte.

Im August 1987 informierten uns die zuständigen Stellen in New York, zwei mit getrennten Flügen aus Saudi-Arabien zurückkehrende Passagiere hätten sich eine Meningitis zugezogen. Die Woche zuvor hatten die CDC zwar erfahren, daß unter Mekka-Pilgern Meningokokken-Meningitis ausgebrochen war, doch daß eine Epidemie bevorstand, war noch nicht klar (sie erfaßte schließlich mindestens 10000 Personen). Lee H. Harrison, ebenfalls Epidemiologe, Gloria W. Ajello, eine Mikrobiologin, und einer von uns (Moore) machten sich deshalb auf zum John-F.-Kennedy-Flughafen, wo ganze Maschinen mit von Mekka heimkehrenden Pilgern ankamen. Wir richteten eine Arzneimittelausgabe ein und verabreichten prophylaktisch fast schon wie am Fließband Antibiotika. Insgesamt wurden 550 Passagiere untersucht; elf Prozent erwiesen sich als Träger von Meningokokken des Serotyps A, der in den USA extrem selten ist. Sie litten zugleich häufiger als nicht Infizierte an Erkältungssymptomen wie Fieber und Halsschmerzen. Aber weil es sich nur um Überträger, nicht aber um schon Erkrankte handelte, war die Beweislage nicht eindeutig.

Mehr war dann während der Epidemie 1988 im Tschad herauszubekommen. Im April jenes Jahres meldete uns Theo Lippeveld vom Harvard-Institut für Internationale Entwicklung in Cambridge (Massachusetts), daß die Hauptstadt des afrikanischen Landes mit ihren 500000 Einwohnern von einer großen, durch Meningokokken der Serogruppe A ausgelösten Epidemie heimgesucht werde; das dortige Gesundheitsministerium unter Leitung von P. Matchok Yankalbé organisiere zusammen mit French Bioforce – einer von der französischen Regierung bereitgestellten Gruppe von Ärzten des öffentlichen Gesundheitswesens – und dem Institut Merieux in Marseille Maßnahmen zur Eindämmung. Die Regierung des Tschad gestatte eine wissenschaftliche Untersuchung.

Daraufhin reiste eine Forschergrup- pe der amerikanischen Seuchenbehörde nach N'Djamena, um gemeinsam mit Ärzten des dortigen Zentralkrankenhauses eine Studie zur Rolle von Atemwegsinfektionen durchzuführen. Dazu waren Meningitis-Patienten mit einer Kontrollgruppe aus Personen gleichen Alters, gleichen Geschlechts und gleicher Herkunft zu vergleichen. Wir führten Hunderte von Nasenspülungen durch und schickten die Proben an unseren Kollegen John Hierholzer in Atlanta, der sich an die mühsame Aufgabe ihrer Aufbereitung und Kultivierung machte. Die Ergebnisse waren hochinteressant: Krankheitserreger der oberen Atemwege kamen bei Patienten 23mal häufiger vor als bei den Kontrollpersonen. Dabei handelte es sich nicht nur um Viren; ein Großteil der Patienten war zudem mit Mycoplasma hominis, einem kleinen, in Zellen eindringenden Bakterium, infiziert.

Somit ist vielleicht eine Kombination von geringer Luftfeuchtigkeit und Atemwegsinfektionen für das erhöhte Meningitis-Risiko in einer Bevölkerung verantwortlich. Weitere Studien müssen jetzt klären, wie solche Infekte und Meningokokken im einzelnen zusammenspielen. Immerhin haben David S. Stephens von der Emory-Universität in Atlanta und Zell A. McGee von der Universität von Utah in Salt Lake City bereits zeigen können, daß Meningokokken im Labor unter entsprechenden Begleitumständen von Zellen des Rachenepithels aufgenommen werden. Somit ist denkbar, daß Atemwegsinfektionen diesen Prozeß fördern. Sie könnten aber auch die Rachenschleimhaut direkt schädigen oder darin befindliche Immunzellen hemmen.

Auch in den Industrieländern ist die Meningokokken-Meningitis mit derlei Infekten assoziiert: Ihre Häufigkeit ist in den Wintermonaten, wenn Erkältungsviren praktisch überall vorhanden sind, am höchsten. Eine ähnliche Beziehung zwischen ihr und Grippe-Infektionen haben neuerdings Keith A.V. Cartwright, Dennis M. Jones, James M. Stuart und ihre Kollegen am Department für Public- Health-Medizin in Gloucester (England) sowie Bruno Hubert und seine Mitarbeiter bei der Direction Générale de la Santé in Frankreich festgestellt. Möglicherweise ergeben sich daraus neue Möglichkeiten, das Auftreten von Epidemien in diesen Ländern vorherzusagen. Allerdings liegen die Gründe für das saisonale Auftreten von Infektionen der oberen Atemwege ihrerseits im Dunkeln.

Die Epidemie im Tschad konnte durch gemeinsame Anstrengungen mit der Harvard-Gruppe um Lippeveld von Ärzten des Zentralkrankenhauses und ausländischen Freiwilligen schließlich gestoppt werden. Zahlreiche Regierungen stellten Hilfe zur Verfügung. Fast ein Prozent der Gesamtbevölkerung von N'Djamena hatte es getroffen (in manchen Bevölkerungsgruppen wie Schulkindern und Soldaten mag der Anteil sogar bei bis zu zehn Prozent gelegen haben). Ohne geeignete Bekämpfungsmaßnahmen wären es vermutlich noch weit mehr gewesen. Damit ist die Epidemie im Tschad ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit internationaler Hilfe im Falle solcher Massenerkrankungen.


Erreger-Varianten

In welcher Weise trägt der Erreger selbst zum Ausbruch einer Epidemie bei? Die molekulare Epidemiologie, eine relativ junge Disziplin, kann hier weiterhelfen. Mittels molekularbiologischer Techniken wie der DNA-Sequenzierung und der Gel-Elektrophorese von Enzymen lassen sich heute die Epidemien identifizieren, die von Abkömmlingen einer einzelnen Erregervariante – also von einem Klon – verursacht worden sind. Man hat damit bereits den Weg einer Reihe bakterieller und viraler Erreger verfolgen können. Beispielsweise ließ sich auf diese Weise belegen, daß ein Zahnarzt in Florida mehrere seiner Patienten mit dem AIDS-Virus angesteckt hatte; die Erreger-Varianten aller Betroffenen stimmten stark mit der seinen überein.

Biologen können aus der Anhäufung von Mutationen im Erbgut ersehen, wie groß der genetische Abstand zwischen zwei Arten ist, wie weit sich diese al- so stammesgeschichtlich auseinanderentwickelt haben. Entsprechend können Epidemiologen anhand von Mutationen zwei Stämme eines Erregers unterscheiden und ihren Weg durch menschliche Populationen verfolgen. Für Meningokokken des Serotyps A wurde zur Abklärung der genetischen Verwandtschaftsverhältnisse die sogenannte Multilocus-Enzym-Elektrophorese genutzt.

Diese einfache, aber leistungsfähige indirekte Methode basiert auf dem Nachweis von Mutationen, die sich in ei- ner veränderten Aminosäuresequenz der bakteriellen Enzyme niederschlagen (es gibt auch stumme Mutationen, die nichts an dieser Sequenz ändern). Im allgemeinen beeinträchtigen die angesammelten Mutationen die Aktivität eines Enzyms nicht; wenn sie es täten, würde der Stamm und mit ihm die Mutation schnell aussterben. Doch kann im Molekül eine Aminosäure gegen eine andere, unterschiedlich geladene ausgetauscht sein. Wird der Zellinhalt zweier verschiedener Stämme auf ein Gel aufgetragen und eine elektrische Spannung angelegt, so wandern einander entsprechende Enzyme, sofern sie sich in ihrer Aminosäuresequenz unterscheiden, unterschiedlich schnell als Front durch das Gel (Bild 4).

Haben sich zwei Meningokokken-Stämme des Serotyps A erst vor relativ kurzer Zeit voneinander abgespalten, ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß sich bereits Mutationen in irgendeinem Enzym angesammelt haben. Ihr Elektrophorese-Muster wird deswegen ähnlich sein. Mit abnehmender Verwandtschaft wächst die Zahl der elektrophoretisch unterschiedlichen Enzyme. Für den Vergleich mehrerer Stämme kann man ein als Cluster-Analyse bekanntes statistisches Verfahren nutzen. Mit dieser Prozedur läßt sich der relative genetische Abstand zwischen Stämmen ermitteln. Jede Gruppe gleichartiger Stämme repräsentiert einen eigenen Klon, in dem alle individuellen Isolate eng miteinander verwandt sind. Sie haben sich vor vermutlich noch nicht allzu langer Zeit aus einer gemeinsamen Vorläuferzelle entwickelt. Aus solchen Untersuchungen läßt sich dann ein Stammbaum der verschiedenen Klone ableiten.

Im Rahmen eines ehrgeizigen Projekts haben Mark Achtman, Tom Olyhoek und Brian A. Crowe vom Max-Planck-Institut für Molekulargenetik in Berlin 423 Meningokokken-Stämme des Serotyps A analysiert. Diese Stämme ließen sich in vier Untergruppen und die wiederum in 21 verschiedene Klone einteilen (Bild 5). Zwar ist ein solcher Stammbaum alles andere als vollständig – bei Epidemien in Entwicklungsländern sind von vielen Stämmen keine Proben aufbewahrt worden; zudem wurde kürzlich eine fünfte Untergruppe entdeckt. Doch schafft er eine Basis, um das epidemische Potential verschiedener Stämme zu vergleichen.

Man kann mit gutem Grund annehmen, daß sich Meningokokken-Stämme, während sie in einer Population weitergereicht werden, langsam auseinanderentwickeln. Unter endemischen Bedingungen sind nachweislich verschiedene Stämme gleichzeitig vorhanden. Wären alle gleich virulent und würden sich nur aufgrund von Änderungen gewisser Wirts- und Umweltfaktoren Epidemien entwickeln, müßten diese gewöhnlich polyklonal sein (weil jeder Stamm mit gleicher Wahrscheinlichkeit eine Erkrankung auslösen könnte). Dies ist aber nicht der Fall. Die Arbeitsgruppe in Berlin sowie Musa Hassan-King und Greenwood in Gambia haben festgestellt, daß Epidemien im allgemeinen auf einen einzigen Klon zurückgehen. Also könnte die Virulenz von Klonen ebenfalls bedeutsam sein.

Mit Unterstützung unseres Kollegen Michael Reeves wurden die von der Seuchenbehörde aufbewahrten Stämme von Epidemien in Südasien, Afrika und dem Nahen Osten auf entsprechende Hinweise untersucht – mit verblüffendem Ergebnis. Jede Epidemie war bislang als isoliertes Ereignis betrachtet worden. Der Vergleich der Stämme aber machte die Zusammenhänge deutlich. Die Berliner Gruppe hatte bereits früher nachgewiesen, daß ein bestimmter Klon – nämlich III-1 – Anfang der achtziger Jahre Epidemien in Nepal und China ausgelöst hatte (Bild 5). Wie nun das elektrophoretische Muster der bei der Seuchenbehörde aufbewahrten Stämme verriet, war er für eine ganze Serie von Epidemien in China, Nepal, Saudi-Arabien und im Tschad verantwortlich (Bild 6).

Aufgetaucht war der Klon III-1 erstmals in den sechziger Jahren in China. Als nächstes traf eine schwere Epidemie das Tal von Katmandu in Nepal, kurz nachdem 1984 Straßen zu dem von China annektierten Tibet geöffnet worden waren. Der Klon breitete sich dann 1985 nach Nordindien und Pakistan aus und löste dort weitere Epidemien aus. Offensichtlich geschah danach bis zum Sommer 1987 in Südostasien nichts weiter. Um diese Zeit aber gelangte III-1 mit Pilgern von dort nach Mekka. Epidemiologische Untersuchungen bestätigten, daß die Seuche zuerst unter jenen Pilgern ausgebrochen war, die zugleich die höchsten Befallsquoten aufwiesen. Schließlich kehrten III-1-Träger in ihre Heimatländer zurück. In den USA war ihre Ankunft damals Anlaß unserer Untersuchungen am Flughafen.

Viele moslemische Pilger aus dem Meningitis-Gürtel waren ebenfalls III-1-Träger geworden. Nicht überraschend also, daß während der Trockenzeit 1988 gleichzeitig im Tschad und im Sudan Epidemien ausbrachen. Anschließend breiteten sie sich über Ostafrika aus: Äthiopien, Tansania, Kenia und Uganda waren betroffen. Beamte öffentlicher Gesundheitsbehörden befürchten ein Übergreifen von III-1-Epidemien auch auf andere Länder des Meningitis-Gürtels. Im Jahr 1993 kam es zu einer Massenerkrankung in Togo, aber noch ist un-klar, ob sie gleichfalls auf das Konto von III-1 geht.

Obgleich III-1 Hunderttausende von Meningitisfällen verursacht hat, scheint dieser Klon doch nicht einzigartig virulent zu sein. Seit einschlägige Analysen von Meningokokken-Stämmen möglich sind, ist klar geworden, daß auch andere Klone Epidemien von ähnlichem Ausmaß in Afrika und Asien hervorgerufen haben. Diese Befunde deuten darauf hin, daß die Einführung eines potentiell epidemischen Stammes unter geeigneten Bedingungen verheerend sein kann. Es gibt zwei Erklärungen dafür: Entweder vergrößern sich epidemische Klone zufällig während der Durchquerung einer Bevölkerung, oder sie entgehen der Herden-Immunität und können so überleben.

Was die zweite Möglichkeit anbelangt, so wurde in Analogie zu Grippe-Wellen die Hypothese aufgestellt, daß Epidemien das Ergebnis eines Antigen-Shifts sein könnten, einer relativ plötzlichen Verschiebung (englisch shift) im Antigen-Muster. Zwar haben alle Meningokokken des Serotyps A dasselbe Polysaccharid in ihrer Kapsel; die einzelnen Klone unterscheiden sich jedoch in den anderen Oberflächenantigenen. Sobald sich die Immunität einer Bevölkerung gegenüber den gemeinsamen Antigenen der Erregervarianten abschwächt, könn-te ein neuer Klon, sofern er nur hinrei-chend unterschiedliche Oberflächenantigene aufweist, der Immunüberwachung entgehen und eine Epidemie auslösen. Sobald neue Klone die alten verdrängen, macht sich dies epidemiologisch dann als Antigen-Shift bemerkbar.

Sollten bei Meningokokken tatsächlich Antigen-Shifts auftreten, so würden sich die in Afrika zu beobachtenden Zyklen aus einer Kombination zweier zeitlicher Faktoren ergeben: der Spanne für den Verlust des Immunschutzes und der Durchschnittszeit, bis ein neuer Klon in die Population eingedrungen ist. Umweltfaktoren wären ebenfalls beteiligt, denn die Einführung eines neuen Klons allein reicht nicht aus, eine Epidemie auszulösen. Macht sich ein Erreger während der Regenzeit in der Bevölkerung breit, könnte er sogar den Immunschutz verstärken, ohne Erkrankungen hervorzurufen. Zwar sind die genauen Voraussetzungen für den Ausbruch einer Epidemie weiterhin unklar; doch wenn ein Klon während der Trockenzeit auf eine Bevölkerung mit niedriger Immunität übergreift, ist das Risiko dafür allen Anzeichen nach hoch.

Somit scheint eine Kombination verschiedener Faktoren, die von Wirt, Erreger und Umwelt abhängen, für das einzigartige epidemiologische Geschehen bei der Meningokokken-Meningitis verantwortlich zu sein. Man beginnt typische Charakteristika gerade erst aufzudecken. Vermutlich verlaufen nicht alle Epidemien nach dem gleichen Schema, und vielleicht spielen auch andere Mechanismen bei einigen oder sogar allen kennzeichnenden Elementen der Ausbrüche eine Rolle. Warum beispielsweise verursachte der Klon III-1 damals in den USA keine Massenerkrankung? Da hier seit den vierziger Jahren keine Meningitis-Epidemien mehr grassierten, müßte die Immunität eigentlich niedrig sein. An Infektionen der oberen Atemwege mangelte es sicherlich auch nicht.

Ferner vermag niemand zu sagen, warum in der Kindheit durchgemachte Neisseria-Infektionen in den Industrieländern so wirksam schützen, in afrikanischen Ländern aber anscheinend schlechter. Noch wenig definierte sozioökonomische Faktoren scheinen die Bevölkerung von Industrienationen resistenter zu machen. So ist die Hypothese eines Antigen-Shifts zwar verlockend, aber Langzeitstudien in Afrika müssen erst ihre Gültigkeit beweisen.


Vorbeugung und Kontrolle

Es besteht Hoffnung, daß neue Entwicklungen die Bedrohung durch Meningokokken-Epidemien verringern. Der Einsatz vorhandener Impfstoffe, die auf der bakteriellen Polysaccharidkapsel basieren, ist zwar für Routine-Impfungen von Kindern ineffizient: Die Immunität hält bei ihnen nicht lange vor, so daß eine Impfung während epidemiefreier Perioden sie nicht vor der nächsten Meningitis-Welle schützt. Aber Impfstoffe, bei denen Kapselpolysaccharide chemisch mit einem Trägerprotein verbunden sind, können dieses Problem möglicherweise lösen.

Im Falle von Haemophilus influenzae hat sich ein solcher konjugierter Impfstoff bei Kleinkindern als recht erfolgreich erwiesen; einige Stämme des von seinem Entdecker, dem in Königsberg und Breslau wirkenden Bakteriologen Richard Friedrich Pfeiffer (1858 bis 1945), irrtümlich als Grippe-Erreger angesehenen Bakteriums rufen ebenfalls Meningitis hervor. Die Welt-Gesundheitsorganisation hat Forschungsarbeiten in Auftrag gegeben, ähnliche Protein-Polysaccharid-Vakzine auch gegen Meningokokken des Serotyps A zu entwickeln und zu testen. Solche Impfstoffe könnten zudem das latente Mitschleppen von Erregern in gesunden Personen verringern und somit die Übertragungskette unterbrechen.

Aufbauend auf diesen und weiteren Erkenntnissen sollten sich Mittel und Wege finden lassen, Populationen mit hohem Meningitis-Risiko zu impfen und zu schützen. Nicht zu unterschätzen sind allerdings die politischen, wirtschaftlichen und auch wissenschaftlichen Hürden für neue Impfstoffe. So beträgt das gesamte jährliche Gesundheitsbudget in einigen Entwicklungsländern nicht einmal sieben oder acht Mark pro Kopf. Kreative Ansätze für Produktion und Verteilung von Impfstoffen sind dringend erforderlich (Spektrum der Wissenschaft, Januar 1989, Seite 114). Man kann nur hoffen, daß eine Zusammenarbeit zwischen Herstellern, internationalen Hilfsorganisationen und Entwicklungsländern zustande kommt, um diese Probleme zu lösen.

Bis dahin gilt es, eine drohende Epidemie rechtzeitig zu erkennen. Zwar verleiht der gegenwärtige Impfstoff keine langfristige Immunität, doch läßt er sich bei einem Ausbruch für Notfallkampagnen nutzen. Derzeit ist man mit der Entwicklung von Methoden beschäftigt, um Impfkampagnen anhand der Zahl betroffener Personen innerhalb einer bestimmten Population strategisch zu steuern.

Das Auftauchen neuer Klone könnte ebenfalls als Frühwarnsystem dienen. Jan T. Poolman vom Niederländischen Institut für Öffentliches Gesundheitswesen hat mittlerweile monoklonale Antikörper zum Nachweis von Meningokokken-Klonen des Serotyps A entwickelt. Diese lassen sich damit einfacher und schneller aufspüren.

Die Ausbreitung von Klon III-1 zeigt, wie stark die Regionen der Erde heute miteinander vernetzt sind. Die Träger von III-1, bei denen wir damals den Erreger durch Gabe von Antibiotika gleich auf dem New Yorker Flughafen eliminieren konnten, waren nur ein Bruchteil der allein in die USA zurückkehrenden Mekka-Pilger. Vermutlich trugen sozioökonomische Umstände dazu bei, daß der Klon keine Epidemien in Nordamerika und Europa auslöste.

Die bloße Untersuchung von Reisenden und eine eventuelle Quarantäne waren bislang noch nie eine hinreichende Barriere und werden es auch in Zukunft nicht sein. Man wird die Menschen in den Industrieländern nur vor dem Einschleppen von Krankheiten schützen können, wenn wir Überwachung und öffentliche Gesundheitsvorsorge insbesondere auch in Ländern mit knappen medizinischen Mitteln zu unser aller Verpflichtung erklären.

Literaturhinweise

- The Epidemiology of Acute Bacterial Meningitis in Tropical Africa. Von B.M. Greenwood in: Bacterial Meningitis, herausgegeben von J.D. Williams und J. Burnie. Academic Press, 1987.

– Global Epidemiology of Meningococcal Disease. Von Benjamin Schwartz, Patrick S. Moore und Claire V. Broome in: Clinical Microbiology Reviews, Band 2, Anhang, Seiten 118 bis 124, April 1989.

– Meningococcal Meningitis in Sub-Saharan Africa: A Model for the Epidemic Process. Von Patrick S. Moore in: Clinical Infectious Diseases, Band 14, Heft 2, Seiten 515 bis 525, Februar 1992.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1995, Seite 58
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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