Winters' Nachschlag: Erweckung im Bademantel
War der Persinger-Helm nur ein Placebo?
"Religion und ich, das sind drei verschiedene Dinge", stöhnte Hocker und starrte in sein Bier. Diese Äußerung hatte, wie ich fand, schon etwas Metaphysisches. Vielleicht war dem Mann doch noch zu helfen. "Spirituelle Menschen können Krisensituationen besser bewältigen", dozierte ich, "und Spiritualität kann man erlernen!" Hocker machte ein Geräusch wie ein Schlauchboot, aus dem man den Stöpsel herausgezogen hat.
Zugegeben: "Krise" war in diesem Fall ein arg beschönigender Ausdruck. Zuerst hatte der FC durch ein 0 : 4 den Abstiegskampf endgültig verloren. Infolgedessen war Hocker nach durchzechtem Wochenende in voller Fanmontur und immer noch stark alkoholisiert zur Arbeit erschienen. In der Begründung seiner fristlosen Kündigung heißt es, er sei handgreiflich gegen einen Kollegen geworden, der Borussia-Anhänger ist. Statt Trost und Zuspruch hatte er dann zu Hause seine Freundin in den Armen eines anderen gefunden, mutmaßlich ein Bayern-Fan. Meinem Kumpel konnte nichts Diesseitiges mehr helfen.
"Schritt eins: Du musst an etwas glauben", fuhr ich fort. "Was könnte das sein?" "FC", antwortete Hocker wie aus der Pistole geschossen und orderte mit einer wirren Handbewegung neue Getränke bei Koko, der reizenden Bedienung. Auch wenn man das Verhältnis zu seinem Verein nicht im klassischen Sinn als spirituell bezeichnen würde: Eine treue "Verbundenheit", wie sie Anton Bucher in seinem Artikel ab S. 14 in dieser Ausgabe beschreibt, konnte ich ihm durchaus attestieren. Bewusstseinserweiternde Substanzen hatte Hocker ebenfalls intus. Damit war er die ideale Versuchsperson für ein spontanes Laborexperiment.
Wenig später fand sich mein unglücklicher Freund an meinem Küchentisch wieder, auf dem Kopf meinen selbst entwickelten Placebo-Persinger-Helm. "Ich möchte, dass du mir genau von dem spirituellen Erlebnis erzählst, das ich dir nun induzieren werde", sagte ich suggestiv und legte einen alten Kippschalter um. Es gab einen Knall. "Aua!", schrie Hocker, "ich bin blind!" Da ging es ihm nicht anders als mir. Um meinen umgebauten Motorradhelm imposanter erscheinen zu lassen, hatte ich neben dem Stromkabel von meinem ersten Leuchtglobus auch einige Antennen aus Alufolie sowie ein Teesieb darangeklebt und mit dieser Kombination anscheinend einen Kurzschluss verursacht.
Nachdem ich den Sicherungskasten im Keller gefunden und den Strom wieder eingeschaltet hatte, war Hocker verschwunden. Den Helm hatte er mitgenommen und statt seiner Jacke offenbar meinen Bademantel angezogen. Von schlechtem Gewissen gepeinigt, rannte ich auf die Straße und suchte nach ihm – vergebens. Bei seiner Freundin mochte ich aus verständlichen Gründen nicht anrufen, und unsere Stammkneipe hatte bereits geschlossen.
Als ich gerade entmutigt den Heimweg antreten wollte, sah ich eine verstörende Erscheinung: Aus der Gastwirtschaft taumelte kichernd Koko, eng verschlungen mit einem Marsmenschen, der einen absurden Helm mit daran baumelndem Kabel auf dem Kopf trug. Der Marsmensch ähnelte meinem Freund Hocker, hatte meinen Bademantel an und hielt in jeder Hand eine Sektflasche. Die beiden bestiegen gemeinsam ein Taxi.
Erst am Mittag des übernächsten Tages meldete sich Hocker bei mir, um sich überschwänglich für die spirituelle Erleuchtung zu bedanken, die ihm ohne meine fundierten Kenntnisse und Unterweisungskünste entgangen wäre. Er sei jetzt ein anderer Mensch und glaube nicht mehr nur an den FC, sondern auch an mich, die Vorsehung und vor allem an Koko. In meiner Kladde hielt ich abends folgende Forschungsergebnisse fest:
1. Versuchsperson spricht stark auf Placebo-Persinger-Helm an (in Zukunft auf bessere Kabelisolierung achten!).
2. Anton Bucher unterschätzt die Bedeutung der von ihm nur angedeuteten Parallelität zwischen erotischem Erleben und Spiritualität. Die Berichte der Versuchsperson sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache.
3. Neuen Bademantel kaufen!
Zugegeben: "Krise" war in diesem Fall ein arg beschönigender Ausdruck. Zuerst hatte der FC durch ein 0 : 4 den Abstiegskampf endgültig verloren. Infolgedessen war Hocker nach durchzechtem Wochenende in voller Fanmontur und immer noch stark alkoholisiert zur Arbeit erschienen. In der Begründung seiner fristlosen Kündigung heißt es, er sei handgreiflich gegen einen Kollegen geworden, der Borussia-Anhänger ist. Statt Trost und Zuspruch hatte er dann zu Hause seine Freundin in den Armen eines anderen gefunden, mutmaßlich ein Bayern-Fan. Meinem Kumpel konnte nichts Diesseitiges mehr helfen.
"Schritt eins: Du musst an etwas glauben", fuhr ich fort. "Was könnte das sein?" "FC", antwortete Hocker wie aus der Pistole geschossen und orderte mit einer wirren Handbewegung neue Getränke bei Koko, der reizenden Bedienung. Auch wenn man das Verhältnis zu seinem Verein nicht im klassischen Sinn als spirituell bezeichnen würde: Eine treue "Verbundenheit", wie sie Anton Bucher in seinem Artikel ab S. 14 in dieser Ausgabe beschreibt, konnte ich ihm durchaus attestieren. Bewusstseinserweiternde Substanzen hatte Hocker ebenfalls intus. Damit war er die ideale Versuchsperson für ein spontanes Laborexperiment.
Wenig später fand sich mein unglücklicher Freund an meinem Küchentisch wieder, auf dem Kopf meinen selbst entwickelten Placebo-Persinger-Helm. "Ich möchte, dass du mir genau von dem spirituellen Erlebnis erzählst, das ich dir nun induzieren werde", sagte ich suggestiv und legte einen alten Kippschalter um. Es gab einen Knall. "Aua!", schrie Hocker, "ich bin blind!" Da ging es ihm nicht anders als mir. Um meinen umgebauten Motorradhelm imposanter erscheinen zu lassen, hatte ich neben dem Stromkabel von meinem ersten Leuchtglobus auch einige Antennen aus Alufolie sowie ein Teesieb darangeklebt und mit dieser Kombination anscheinend einen Kurzschluss verursacht.
Nachdem ich den Sicherungskasten im Keller gefunden und den Strom wieder eingeschaltet hatte, war Hocker verschwunden. Den Helm hatte er mitgenommen und statt seiner Jacke offenbar meinen Bademantel angezogen. Von schlechtem Gewissen gepeinigt, rannte ich auf die Straße und suchte nach ihm – vergebens. Bei seiner Freundin mochte ich aus verständlichen Gründen nicht anrufen, und unsere Stammkneipe hatte bereits geschlossen.
Als ich gerade entmutigt den Heimweg antreten wollte, sah ich eine verstörende Erscheinung: Aus der Gastwirtschaft taumelte kichernd Koko, eng verschlungen mit einem Marsmenschen, der einen absurden Helm mit daran baumelndem Kabel auf dem Kopf trug. Der Marsmensch ähnelte meinem Freund Hocker, hatte meinen Bademantel an und hielt in jeder Hand eine Sektflasche. Die beiden bestiegen gemeinsam ein Taxi.
Erst am Mittag des übernächsten Tages meldete sich Hocker bei mir, um sich überschwänglich für die spirituelle Erleuchtung zu bedanken, die ihm ohne meine fundierten Kenntnisse und Unterweisungskünste entgangen wäre. Er sei jetzt ein anderer Mensch und glaube nicht mehr nur an den FC, sondern auch an mich, die Vorsehung und vor allem an Koko. In meiner Kladde hielt ich abends folgende Forschungsergebnisse fest:
1. Versuchsperson spricht stark auf Placebo-Persinger-Helm an (in Zukunft auf bessere Kabelisolierung achten!).
2. Anton Bucher unterschätzt die Bedeutung der von ihm nur angedeuteten Parallelität zwischen erotischem Erleben und Spiritualität. Die Berichte der Versuchsperson sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache.
3. Neuen Bademantel kaufen!
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben