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Hirschhausens Hirnschmalz: Erzähl mir was vom Pferd

Eckart von Hirschhausen

In jüngster Zeit wird viel über Pferde gesprochen. Vor allem über solche im Essen. Neulich habe ich in meiner Lasagne sogar ein Paar Sägespäne entdeckt. Da muss so ein Vollidiot auch noch ein Schaukelpferd mit verarbeitet haben! In dieser ernsten Lage kommt mir eine Untersuchung gelegen, die den Gaul wieder ganzheitlich betrachtet, von Wissenschaftlern, die Ross und Reiter nennen – und verkabeln.

Ich freue mich, auf diese Weise auch einmal eine veterinärmedizinische Studie in "Gehirn und Geist" zu lancieren. Um nicht zu sagen, es macht mir tierisch Laune. Denn um die Launen der Tiere ging es: Haben sie Lampenfieber, wenn ein Wettkampf ansteht? Setzt es sie unter Stress, im Turnier alles geben zu müssen? Oder überträgt sich die Anspannung des Reiters auf sein Pferd, verschmelzen Mensch und Tier also auch physiologisch zu einer Einheit?

Psychotest

Wem würden Sie gerne das Denken überlassen?

  1. A) Pferden
  2. B) Hunden
  3. C) Hirnen
  4. D) anderen

Um das herauszufinden, maßen die Forscher bei sechs Dressurpferden und ihren Reitern das Stresshormon Cortisol im Speichel. Zudem interessierten sie die Pulsfrequenz und insbesondere die Variabilität derselben. Keine Überraschung: Dressuraufgaben sind schon im Training für beide Beteiligten stressig, das Herz pocht schnell und monoton. Aber sobald Zuschauer ins Spiel kommen, unterscheiden sich die Anspannungskurven: Die Reiter werden dann noch einmal deutlich nervöser, den Pferden dagegen sind die vielen Schaulustigen offenbar egal. Untersucht wurden allerdings nur Profireiter, vielleicht würde also ein extrem hibbeliger Anfänger auch das geübteste Ross in ein Nervenbündel verwandeln.

Dass Pferde Menschenmengen nicht so beeindruckend finden, ist ja das Geheimnis der berittenen Polizei. Ein alter Spontiwitz: Welche anatomische Besonderheit hat ein Polizeipferd? Es hat das Arschloch auf dem Rücken! Bevor das Niveau weiter sinkt: Ich finde es schade, dass es kaum noch Reiterstaffeln gibt. Mir waren die Pferdeapfelwerfer bei Demos immer noch sympathischer als Wasserwerfer. Es hatte was von Demokratie im wilden Westen, wenn das Volk auf die Straße ging und die Ranger es in die Abendsonne begleiteten. Allemal besser, als aus einem unterirdisch überteuerten Bahnhof einen Bürgerkriegsschauplatz zu machen.

Zurück zum Turnierreiter: Ein bekannter Trick gegen Lampenfieber lautet, sich das Publikum einfach nackt vorzustellen. Je nach Attraktivität desselben kann das aber zu weiterer Pulssteigerung führen, zudem leidet die Konzentration. Doch vielleicht machen sich ja auch die Zuschauer in Wirklichkeit Sorgen darüber, was der Reiter von ihnen hält!

Was die Studie leider nicht verrät: Was denkt das Pferd? Stellt es sich Sinnfragen, so wie ich, wenn ich Dressurprüfungen sehe? Denkt es: "Für wen ist es ein Fortschritt, wenn ich nach vielen Jahren endlich gelernt habe, rückwärtszulaufen?" Wir werden es nie wissen. Es heißt oft, man solle den Pferden das Denken überlassen, denn sie hätten die größeren Köpfe. Zumindest sollte man es ihnen überlassen, darüber nachzudenken, was andere über uns denken. Das können sie tatsächlich besser – indem sie es einfach sein lassen.

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