Therapie in Entwicklungsländern: Eine Psychiatrie für 22 Millionen
"Immer wieder kamen diese Wörter aus meinen Mund: 'Ich mag keine Babys! Ich darf dem Kind keine Milch geben!' Aber sie kamen nicht von mir. Ich habe nur ausgesprochen, was der Teufel mir gesagt hat." Gina sitzt in einer kleinen Strohhütte von anderthalb Metern im Quadrat. Man kann darin nicht aufrecht stehen. Auf ihrem Schoß hockt Dorline und brabbelt. Dorline ist ein Jahr und acht Monate alt, Ginas zweite Tochter. Die erste, Julia, ist vier. "Schon nach der ersten Geburt hat der Dämon etwas mit mir gemacht", sagt Gina. "Er hat mir den Hals zugeschnürt. Und mein Herz fühlte sich ganz komisch an."
Ginas Eltern sitzen neben ihr. "Meine Tochter war wie von Sinnen", erinnert sich der Vater. "Normalerweise ist sie ein gutes Kind, respektvoll und ruhig." Aber dann fing sie an zu schreien, zu weinen, zu fluchen. Und stillen wollte sie ihr Baby auch nicht. "Das kam nicht von meiner Tochter", ist der Vater überzeugt, "sondern von einem Dämon".
In Deutschland würde man bei dieser Schilderung eher an eine Wochenbettdepression oder eine postpartale Psychose denken. Aber wir sind in Madagaskar, weit im Süden der Insel, einen langen Fußmarsch vom nächsten Dorf entfernt. Gina sagen diese medizinischen Begriffe nichts. Nach der Geburt von Julia war sie zu einem Arzt gegangen; sie bekam Schmerzmittel und Antibiotika, die ihre Stimmung nicht aufhellten. "Auch ein Wunderheiler konnte mir nicht helfen. Ich habe nur viel Geld verloren", sagt Gina. Nach der zweiten Geburt sagte sie sich: "Ich bin vom Teufel besessen. Nur Jesus kann mir helfen." ...
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