Lasertechnik: Extrem intensive Laserblitze
Kompakte Laborgeräte können heute Lichtpulse erzeugen, deren Intensität kurzzeitig der Leistung sämtlicher Kraftwerke auf der Erde gleichkommt. Solche gebündelten Laserblitze beschleunigen Elektronen über kürzeste Distanz fast auf Lichtgeschwindigkeit.
Seit jeher träumen Menschen davon, mit scharf gebündelten Lichtstrahlen spektakuläre Effekte zu erzielen. Angeblich setzte der antike Mathematiker Archimedes im Jahre 212 v. Chr. mit einem riesigen Spiegel die römische Flotte bei Syrakus in Brand. Zwar gehört diese Geschichte ins Reich der Legenden, doch hat in der Tat ein anderer Grieche, Diokles, um 200 v. Chr. mit dem Parabolspiegel das erste perfekt fokussierende optische Gerät erfunden. Zweitausend Jahre später ermöglichen Spiegel und die Effekte der Quantenmechanik die vielseitigste hochintensive Lichtquelle – den Laser.
Als Nonplusultra galt bis vor kurzem der Hochleistungslaser Nova, der am Lawrence Livermore National Laboratory von 1985 bis 1999 betrieben wurde. Er war eine der größten jemals gebauten Lichtschleudern – schon der Name sollte an die Leuchtkraft eines explodierenden Sterns erinnern. Ein neunzig Meter langes Gehäuse barg zehn parallele Ketten von Laserverstärkern; aus 180 Kilogramm schweren Glasblöcken gefertigte Spiegel lenkten die Strahlen auf Targets zur Kernfusion und anderen Experimenten. Um Überhitzung zu vermeiden – sowie wegen des enormen Energiebedarfs –, wurde Nova nur wenige Male pro Tag in Gang gesetzt.
Doch da Leistung bekanntlich Energie pro Zeiteinheit ist, lassen sich hohe Leistungen auch erzielen, indem eine bescheidene Energiemenge in einem extrem kurzen Zeitintervall freigesetzt wird. Ein Puls von Nova dauerte mit drei Nanosekunden (milliardstel Sekunden) im Vergleich zu heutigen ultraschnellen Lasern eher lange, und jeder Puls verbrauchte mehrere Kilojoule an Energie. Ein neuer Lasertyp, der bequem auf einen Labortisch passt, erbringt mit zehntausendfach verkürzter Pulsdauer so viel Leistung wie Nova (siehe "Ultrakurze Laserblitze" von John-Mark Hopkins und Wilson Sibbett, Spektrum der Wissenschaft 11/2000, S. 66). Zum Beispiel erreicht ein Ultrahochleistungslaser, der nur ein Joule Energie in einen Puls von hundert Femtosekunden Dauer packt (eine Femtosekunde entspricht 10-15 Sekunden), eine Leistung von zehn Terawatt (Billionen Watt). Dies übertrifft die Gesamtleistung aller elektrischen Kraftwerke weltweit.
Die kompakten Laser können täglich hundert Millionen Pulse erzeugen und ihre Leistung auf tausendstel Millimeter große Punkte konzentrieren; dabei entstehen die höchsten Lichtintensitäten, die es auf Erden gibt – und zugleich die stärksten je erzeugten elektrischen Felder mit rund einer Billion Volt pro Zentimeter. Bei der Wechselwirkung solch intensiver Strahlung mit Materie werden im Labor die extremen physikalischen Bedingungen reproduziert, die sonst nur im Innern von Sternen oder in der Nachbarschaft Schwarzer Löcher herrschen: Temperaturen von 1010 Kelvin, Magnetfelder von 109 Gauss, Teilchenschleudern mit 1025facher Erdbeschleunigung.
Da solche Laser nicht mehrere hundert Millionen, sondern nur eine Million Dollar kosten, werden Großforschungsprojekte auf einmal wieder normalen Universitätslabors und Ländern mit kleinem Forschungsetat zugänglich. In den letzten Jahren sind Dutzende solcher Systeme in aller Welt gebaut worden – für so unterschiedliche Forschungsgebiete wie Kern-, Astro- und Hochenergiephysik sowie Allgemeine Relativitätstheorie. Obwohl erst jüngst entstanden, hat die neue Lasertechnik schon praktische Verwendung gefunden, zum Beispiel als Röntgenlaser, ultrakompakte Teilchenbeschleuniger oder Präzisionsröntgengeräte für die Medizin; zu künftigen Anwendungen könnte Strahlentherapie bei Krebs oder Energiegewinnung aus Kernfusion gehören.
Ein Trick namens Chirping
In den ersten fünf Jahren nach Erfindung des Lasers im Jahr 1960 erreichten kompakte Laborgeräte zwar in mehreren technologischen Sprüngen Leistungen bis zu einem Gigawatt (Milliarden Watt), doch dann stagnierte diese Entwicklung zwanzig Jahre lang. Der einzige Weg zu mehr Leistung waren immer größere Laser. Beim Versuch, die Intensität hochzutreiben, entstanden unerwünschte nichtlineare Effekte, die die Strahlqualität minderten und sogar die Geräte beschädigten. Erst 1985 wurde dieses Problem umgangen, als einer von uns (Mourou) mit seinem Team die so genannte Chirped Pulse Amplification (CPA, etwa: Verstärkung gestreckter Pulse) einführte. Die Leistung kompakter Tabletop-Laser stieg danach sprunghaft um das Tausend- bis Zehntausendfache.
Mit Chirping (wörtlich "Zwitschern") ist in der modernen Lasertechnik das zeitliche Dehnen eines Signals oder einer Welle gemeint. Zunächst erzeugt ein Oszillator einen kurzen Wellenpuls, der anschließend um das 103- bis 105fache auseinander gezogen wird. Dabei sinkt die Pulsintensität um denselben Faktor. Nun kann der Puls einen üblichen Laserverstärker durchlaufen, ohne ihn zu beschädigen. Schließlich staucht ein robustes optisches Bauteil, etwa ein Paar von Beugungsgittern in einer Vakuumkammer, den Puls auf seine ursprüngliche Dauer zusammen – und erhöht die Pulsleistung auf das 103- bis 105fache der maximalen Verstärkerleistung.
Ein typischer Anfangspuls dauert hundert Femtosekunden und hat eine Energie von 0,2 Nanojoule (milliardstel Joule). Wir dehnen ihn um den Faktor 104 auf eine Nanosekunde – wobei seine Leistung von etwa zwei Kilowatt auf 0,2 Watt schrumpft – und verstärken ihn danach um zehn Größenordnungen auf zwei Joule und zwei Gigawatt. Durch Rekompression schrumpft die Pulslänge schließ-lich auf hundert Femtosekunden, und die Pulsleistung steigt auf zwanzig Terawatt. Der ursprüngliche 2-Kilowatt-Puls hätte den Verstärker zerstört – es sei denn, wir hätten den Querschnitt von Strahl und Verstärker um den Faktor 104 vergrößert. Erst das "Gezwitscher" der CPA-Technik ermöglicht die Verwendung herkömmlicher Laserverstärker und vermeidet störende nichtlineare Effekte.
Das hört sich einfacher an als es ist. Die meisten Geräte zur optischen Streckung und Kompression arbeiten nicht exakt linear, und der Puls wird verdorben, wenn Expander und Kompressor nicht perfekt abgestimmt sind.
Relativistische Optik
Dennoch wuchs in den 1990er Jahren die Lichtintensität durch verbesserte Pulskompression sowie durch die Entwicklung einer Korrekturoptik, die den Laserstrahl viel schärfer fokussiert. Diese Leistungssteigerungen öffneten den Zugang zur relativistischen Optik, einem Bereich mit ungewöhnlichen Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie, mit deren Hilfe das Licht Elektronen fast auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen vermag. Ohne CPA wäre dieser Bereich nur riesigen und teuren Lasersystemen zugänglich.
Die Optik beschreibt, wie Elektronen auf Licht reagieren. Das mag vielleicht nicht wie die gängige Definition klingen, bei der wir eher an die Reflexion von Lichtstrahlen an einem Spiegel oder die Brechung in Wasser denken. Doch alle optischen Eigenschaften eines Materials sind Folgen der Wechselwirkung seiner Elektronen mit Licht.
Licht ist eine Welle aus gekoppelten elektrischen und magnetischen Feldern, die mit hoher Frequenz synchron schwingen. Die beiden Felder oszillieren senkrecht zueinander sowie senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung. Wird ein Elektron von einer Lichtwelle getroffen, so verspürt es deren elektrisches Feld und beginnt zu schwingen, und zwar parallel zur Richtung des elektrischen Feldes und mit dessen Frequenz – aber nicht unbedingt in gleicher Phase: Je nach Art der Bindung des Elektrons an die Atome des Materials können die Elektronenschwingungen hinter der Lichtwelle herhinken oder ihr vorauseilen. Amplitude und Phase der Elektronenschwingung wiederum bestimmen, wie sich die Lichtwelle durch das Material fortpflanzt, und definieren somit dessen optische Eigenschaften.
In der klassischen Optik sind die Amplituden so klein, dass das Schwingungstempo der Elektronen stets weit unter Lichtgeschwindigkeit bleibt. Doch bei Laser-Intensitäten von mehr als 1018 Watt pro Quadratzentimeter nähert sich die Oszillationsgeschwindigkeit dieser prinzipiellen Obergrenze jeglicher Bewegung, und relativistische Effekte verändern das Verhalten der Elektronen grundlegend.
Erstens nimmt bei relativistischen Geschwindigkeiten die Masse des Elektrons merklich zu, wodurch Amplitude und Phase seiner Schwingungen verändert werden. Zweitens beginnt nun auch das magnetische Feld des Lichts eine Rolle zu spielen. Magnetfelder üben auf bewegte elektrische Ladungen Kräfte aus, doch im Geltungsbereich der klassischen Optik ist die Ma-gnetkraft vernachlässigbar klein. Erst wenn die Elektronen fast mit Lichtgeschwindigkeit oszillieren, kräuselt das Magnetfeld ihre Bahn und verleiht ihnen enormen Impuls in Richtung des Lichtstrahls – ein für die relativistische Optik charakteristischer Effekt.
Die Wechselwirkung des Lichts mit den Atomkernen kann man normalerweise ignorieren, da die trägen Protonen, deren Masse die der Elektronen um das 2000fache übertrifft, noch viel weniger leicht in Schwingung geraten. Doch bei genügend hoher Intensität vermag das Licht sogar Protonen auf relativistische Geschwindigkeiten zu bringen. Dieser Bereich verdient den Namen nukleare Optik wegen der Vielzahl nuklearer Prozesse – zum Beispiel Kernfusionen –, die dabei auftreten können.
Teilchenbeschleuniger auf dem Labortisch
Die nächstliegende Anwendung für die relativistische Kraft eines ultraintensiven Laserstrahls ist das Beschleunigen geladener Teilchen. Partikelbeschleuniger dienen vielfältigen Zwecken – von der Fernsehröhre über die Krebstherapie bis zur Erforschung der Grundkräfte des Universums. Gemeinsam ist allen, dass elektrische oder magnetische Felder die Teilchen – etwa Elektronen oder Protonen – vorantreiben. Obwohl die elektrischen Feldstärken von Lichtwellen schon im klassischen Bereich so hohe Werte erreichen können wie in der Umgebung eines Gewitterblitzes, taugen sie nicht zur Teilchenbeschleunigung, da sie transversal wirken. Trifft hingegen ein ultraintensiver Lichtpuls auf ein Plasma – ein Gas aus Elektronen und positiven Ionen –, so jagt er die Elektronen wie oben beschrieben fast mit Lichtgeschwindigkeit vorwärts.
Das ist noch nicht alles. Die positiven Ionen des Plasmas bleiben zurück, weil sie tausendfach schwerer sind als die Elektronen. Durch die Trennung positiver und negativer Ladungen baut sich ein starkes elektrisches Feld auf, das nun weitere Partikel zu beschleunigen vermag. Dieses Feld wandert sozusagen im Kielwasser des Lichtpulses als Welle durch das Plasma. Mit solchen Kielfeldern (wake fields) werden geladene Teilchen auf hohe Energien beschleunigt – als wären sie Delfine, die in Phase mit der Kielwelle eines Schiffes schwimmen. Einen solchen Laser-Kielfeld-Beschleuniger haben Toshiki Tajima und John M. Dawson an der Universität von Kalifornien in Los Angeles schon 1979 vorgeschlagen.
Weil das elektrische Schwingungsfeld des Lichtpulses in ein Kielfeld umgewandelt wird, das stets in eine Richtung weist, spricht man von optischem Gleichrichten, in Anlehnung an elektronische Gleichrichter, die Wechselstrom in Gleichstrom verwandeln. Bei herkömmlichen Beschleunigern wie der drei Kilometer langen Röhre am Stanford Linear Accelerator Center (Slac) in Kalifornien wirken Hohlraumresonatoren als Gleichrichter für Wellen im Radiofrequenzbereich, um geladene Teilchen damit wiederholt in Strahlrichtung vorwärts zu stoßen.
Radiowellen sind wie sichtbares Licht elektromagnetische Wellen, allerdings mit größerer Wellenlänge. Der Stanford-Beschleuniger muss drei Kilometer lang sein, damit die Teilchen auf ihrem Weg durch zahlreiche Resonatoren mit jeweils mäßig starkem Beschleunigungsfeld die gewünschte Endenergie erreichen. Die Feldstärke ließe sich im Prinzip mit Ra-diowellen kürzerer Wellenlänge und größerer Intensität erhöhen, doch beides stößt im Resonator an Grenzen: Die Größe des Hohlraums gibt die Wellenlänge vor, und bei hohen Intensitäten kommt es zum elektrischen Kurzschluss durch Funkenschlag zwischen den metallischen Resonatorwänden. Laser-Kielfeld-Beschleuniger vermeiden diese Beschränkungen, da sie ohne Resonatoren auskommen. Mit Pulsen höchster Intensität würden sich Teilchen vielleicht sogar direkt beschleunigen lassen – genau wie die vom Lichtstrahl erzeugten relativistischen Elektronen –, und das Plasma wäre entbehrlich.
In den letzten Jahren haben lasergetriebene Beschleuniger Elektronen- und Protonenstrahlen von mehr als 50 MeV (Millionen Elektronenvolt) erzeugt. Vergleichbares schafft zwar auch die mehrere Meter lange Einzelstufe eines herkömmlichen Beschleunigers – aber das Lasersystem braucht, um dieselbe Energie zu erreichen, nur einen Millimeter.
Abrupte Beschleunigung über kürzeste Distanz hat Vorteile. Zum Beispiel erzeugte einer von uns (Umstadter) Elektronenstrahlen von einigen MeV, deren "Helligkeit" – die Anzahl der Teilchen pro Flächeneinheit des Strahlquerschnitts und Sekunde – größer war als in herkömmlichen Beschleunigern. Der Grund ist, dass die in einen ultrakurzen Puls gepressten Ladungspakete weniger Zeit haben, sich durch gegenseitige elektrostatische Abstoßung zu zerstreuen. Wie sich außerdem gezeigt hat, können billige Laser-Beschleuniger viele Aufgaben herkömmlicher Beschleuniger übernehmen, indem sie kurzlebige Radio-Iisotope für die medizinische Diagnostik erzeugen oder Neutronen- und Positronenstrahlen für materialwissenschaftliche Untersuchungen.
Ein Nachteil der Lasersysteme ist allerdings die relativ breite Streuung der Teilchenenergien im Strahl. Außerdem summieren konventionelle Beschleuniger die Wirkung zahlreicher Einzelstu-fen – so der drei Kilometer lange Linearbeschleuniger des Slac oder der sieben Kilometer im Umfang messende Hauptring des Tevatron am Fermilab (Fermi National Accelerator Laboratory) bei Batavia (Illinois). Darum wird derzeit vor allem versucht, die Energiestreuung des Strahls zu reduzieren und mehrstufige Systeme für höhere Endenergien zu bauen. Andere Forscher experimentieren mit Wellenleitern, um die Strecke zu verlängern, auf der das Kielfeld die Teilchen beschleunigt.
Wir erwarten nicht, dass Laserbeschleuniger einmal herkömmliche Anlagen für die Hoch-energiephysik wie das Tevatron ersetzen werden. Vielmehr ergänzen und erweitern sie heutige Systeme durch spezielle Vorteile für bestimmte Anwendungen und neuartige Experimente. Eine solche Nische könnte die Beschleunigung instabiler Teilchen sein.
Unterwegs zu höchsten Teilchenenergien
Das Tevatron markiert derzeit die Grenze der Hochenergiephysik: Protonen pral-len mit einer Energie von einem TeV (eine Billion Elektronenvolt) aufeinan-der. Auch sein Nachfolger, der Large Hadron Collider beim europäischen Labor für Teilchenphysik Cern, wird mit Protonen arbeiten. Solche Kollisionen ergeben ein kompliziertes und unübersichtliches Bild, weil Protonen aus einem Konglomerat stark wechselwirkender Teilchen bestehen, den Quarks und den Gluonen. Elektronen und Positronen sind hingegen elementare Teilchen und liefern deshalb saubere Zusammenstöße mit präzisen und detailreichen Messdaten. Nur ist ihre Beschleunigung schwierig: Die leichten Elektronen und Positronen verlieren allzu viel Energie durch so genannte Synchrotronstrahlung, die sie auf ihrem gekrümmten Weg durch den Beschleunigerring abgeben.
Eine Lösung wäre, anstelle von Elektronen Myonen zu nehmen: Sie sind 200mal so schwer und büßen nur ein Milliardstel ihrer Energie durch Synchrotronstrahlung ein. Leider sind Myonen instabil und zerfallen in zwei millionstel Sekunden. Hochintensive Laser könnten sie aber in einem Bruchteil ihrer knappen Lebensdauer fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Dann hilft die relativistische Zeitdilatation weiter: Sie verlängert die Lebensdauer des Myons propor-tional zur erreichten Energie und gibt nun einem herkömmlichen Beschleuniger mehr Zeit, seine Wirkung zu entfalten. Noch größer wäre der Nutzen prompter Laserbeschleunigung für Pionen, die schon binnen 26 Nanosekunden zerfallen.
Ein weiteres neuartiges Experiment der Teilchenphysik, das erst durch Ultrahochleistungslaser möglich wird, ist der Gamma-Gamma-Collider. Gammastrahlen haben Frequenzen noch jenseits der Röntgenstrahlung und bestehen aus extrem hochenergetischen Photonen. Kollidiert ein hochintensiver Laserstrahl mit einem hochenergetischen Elektronenstrahl, so entsteht ein scharfer Gammastrahl, weil die Laser-Photonen durch so genannte Compton-Streuung von den Elektronen abprallen. Die Energie der Gammastrahlung hängt von der des Elektronenstrahls ab: Ein Elektronenstrahl mit 250 GeV (Gigaelektronenvolt, Milliarden Elektronenvolt) Energie treibt Photonen von etwa einem eV – der Energie sichtbaren Lichts – auf rund 200 GeV hoch.
Wenn nun zwei solche Gammastrahlen kollidieren, ergeben sich noch klarere Wechselwirkungen als selbst bei Elektron-Positron- oder Myon-Antimyon-Kollisionen. Der Prozess ist die Umkehrung der Paarvernichtung, bei der ein Teilchen und sein Antiteilchen sich in einen Strahlungsblitz purer Energie verwandeln, während hier aus kollidierenden Photonen Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen. Allerdings liefern nur ultraintensive Laser genügend Photonen pro Puls, damit sich ausreichend viele Gamma-Gamma-Kollisionen ereignen. 1997 produzierten Forscher der University of Rochester, der Princeton University, der University of Tennessee und des Slac mit einer Variante dieses Systems Elektron-Positron-Paare, indem Gammastrahlen und Laserphotonen zur Kollision gebracht wurden. Heute sind für jeden Linearbeschleuniger Gamma-Gamma-Experimente geplant, welche die Forschung mit üblichen Elektron-Posi-tron-Kollisionen ergänzen sollen.
Krebsbekämpfung
Weil Laserbeschleuniger besonders durchdringende Röntgen- und Teilchenstrahlen erzeugen, versprechen sie Anwendungen für Krebsdiagnose und -therapie. Bekanntlich dienen Röntgenstrahlen schon seit rund hundert Jahren als diagnostisches Standardwerkzeug. Bei herkömmlichen Röntgenröhren werden Elektronen durch ein elektrisches Feld zwischen Kathode und Anode beschleunigt und beim Auftreffen auf die Anode stark abgebremst, wodurch reichlich Röntgenstrahlung emittiert wird. Die Auflösung der Röntgenbilder ist durch den Durchmesser der Strahlenquelle, in diesem Fall der Anode, begrenzt – meist etwa hundert Mikrometer. Der kleinste damit erfassbare Tumor hat ungefähr einen Millimeter Durchmesser.
Ein hochintensiver Laser erzeugt Röntgenstrahlen, wenn man ihn einfach auf ein passendes Metalltarget fokussiert. Der Strahl beschleunigt die Elektronen nahe der Oberfläche auf hohe Energie; auf ihrem Weg durch das Metallinnere werden die Partikel gebremst und emittieren ausgiebig Röntgenstrahlen. Fokussiert man den Laser auf wenige Mikrometer genau, so entsteht eine winzige Röntgenquelle, die auch kleinste Krebszellhaufen sichtbar zu machen vermag. Dadurch kann die Behandlung schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium des Tumors beginnen. Grundsätzlich wären Auflösungen bis zu einem Mikrometer möglich – kaum mehr als die Wellenlänge des Antriebslasers. Forschungsgruppen an der Stanford University, der Universität Lund in Schweden und dem National Institute of Scientific Research in Quebec haben solche Röntgensysteme bereits konstruiert.
Auch für die Strahlentherapie ist Präzision entscheidend. Besonders bei der Behandlung von Geschwülsten in Gehirn oder Rückenmark kommt es darauf an, exakte Energiemengen in kleine und genau umschriebene Bezirke einzubringen. Dazu eignen sich Strahlen aus Protonen oder Kohlenstoffionen besonders gut. Im Gegensatz zu Elektronen oder Photonen werden schwerere Partikel kaum seitlich gestreut; der Strahl bleibt eng gebündelt. Die Teilchen verlieren unterwegs nur langsam an Energie und geben den größten Teil erst am Ende des Weges ab.
Bei einer bestimmten Anfangsenergie ist die Weglänge des Strahls durch das Gewebe gut vorhersehbar. Daher erreichen schwerere Ionen einen tief im Körper sitzenden Tumor viel genauer als Elektronen und Photonen.
In mehreren Ländern laufen klinische Studien mit Protonen- und Kohlenstoffstrahlen. Doch die Verbreitung teilchengestützter Therapien wird durch die hohen Kosten herkömmlicher Beschleuniger stark behindert. Zum Beispiel verschlang der Bau des Heavy Ion Medical Accelerator in Chiba (Japan) fast 300 Millionen Dollar. Pro Jahr ermöglicht er die Behandlung von nur 200 Patienten; das ist ein Bruchteil der Fälle, die von dieser Art Krebstherapie profitieren könnten. Zurzeit sind die Ionenenergien von lasergetriebenen Beschleunigern allerdings noch um den Faktor fünf zu schwach und allzu unpräzise definiert. Doch falls es gelingt, diese Probleme zu bewältigen, wird die Ionenstrahl-Krebstherapie viel billiger werden und weit mehr Patienten erreichen.
Ein einziger ultraintensiver Laserpuls liefert so viel Leistung wie alle Kraftwerke der Welt. In Zukunft könnte sich dieses Verhältnis vielleicht sogar umkehren, falls die neuen Laser zum Herzstück von Fusionsreaktoren werden, die einen Teil des Weltenergiebedarfs befriedigen. Seit Jahrzehnten wird die kontrollierte Kernfusion als Mittel zur Energiegewinnung angestrebt – bisher ohne echten Erfolg. Ein neuerdings von manchen favorisierter Ansatz ist die Fusion mittels Trägheitseinschluss; dabei werden Brennstoffkapseln (Gemische aus den schweren Wasserstoffisotopen Tritium und Deuterium) von allen Seiten gleichzeitig mit Dutzenden oder Hunderten intensiver Laserpulse beschossen. Die Laser erhitzen und komprimieren die Kapseln so extrem, dass die Deuterium- und Tritium-Kerne zu Helium verschmelzen und große Energiemengen freisetzen. Der riesige Nova-Laser in Livermore diente vor allem diesem Ziel.
Ultraintensive Tischlaser liefern nicht genügend Gesamtenergie, um die thermonukleare Fusion anzutreiben, aber zusammen mit ihren Verwandten vom Nova-Typ könnten sie die Kernfusion der Realisierung näher bringen. Damit die Fusions-reaktion in Gang kommt, müssen die Kapseln exakt symmetrisch komprimiert werden. Bei der neuen in Livermore geplanten Technik leisten die großen Laser zwar noch die Schwerarbeit beim Komprimieren des Brennstoffs, sie müssen aber nicht mehr die Zündtemperatur erreichen. Sobald die Maximaldichte fast erreicht ist, trifft ein ultrakurzer, durch einen extrem leistungsstarken CPA-Laser beschleunigter Ionenpuls die Kapsel. Er wirkt wie die Zündkerze in einem Automotor: Der Puls erzeugt eine fast punktförmige Erhitzungszone und zündet eine Fusionswelle, die sich über das gesamte Pellet ausbreitet. Diese Technik soll die ungeheuer schwierige Aufgabe, die Fusion allein durch Implosion auszulösen, umgehen und das Verhältnis von gewonnener zu aufgewandter Energie erhöhen.
Einige Voraussetzungen der Schnellzündungstechnik wurden jüngst am Rutherford Appleton Laboratory in Oxfordshire (England) sowie am Institut für Lasertechnik der Universität Osaka (Japan) erprobt. Doch in der Fusionsforschung ist der Weg bis zu einer wirtschaftlichen Energiegewinnung nach wie vor sehr weit. Wir wissen noch nicht, ob gerade diese Anwendung einmal Stoff für Legenden abgeben wird; in jedem Fall aber hat ultraintensives Laserlicht eine Zukunft, die Archimedes oder Diokles sich nie hätten träumen lassen.
Literaturhinweise
Positronen auf dem Labortisch: Der Laserbeschleuniger erreicht erste Anwendungen. Von Thomas Kühl in: Physikalische Blätter, S. 14, Dezember 2000.
Review of Physics and Applications of Relativistic Plasmas Driven by Ultra-Intense Lasers. Von D. Umstadter in: Physics of Plasmas, Bd. 8, S. 1774, 2001.
Ultrahigh-Intensity Lasers: Physics of the Extreme on a Tabletop. Von G.A. Mourou, C.P.J. Barty und M.D. Perry in: Physics Today, Bd. 51, S. 22, 1998.
Terawatt Lasers Produce Faster Electron Acceleration. Von D. Umstadter in: Laser Focus World, S. 101, 1996.
In Kürze
- Eine Mitte der 1980er Jahre entwickelte Methode zur Laserverstärkung ermöglicht eine neue Generation von kompakten Lasern, die sehr kurze und hochintensive Lichtpulse erzeugen.
- Diese Laserpulse können Elektronen binnen bil-liardstel Sekunden fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen – zehntausendmal effektiver als herkömmliche Teilchenbeschleuniger.
- Zu den möglichen Anwendungen zählen hochauflösende bildgebende Verfahren in der Medizin, kostengünstige und präzise Strahlentherapie, Kernfusion und andere physikalische Forschungsziele.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2002, Seite 70
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