Editorial: Extreme Energien
Liebe Leserin, lieber Leser,
manche Geheimnisse gibt das Universum nur sehr langsam preis. Oftmals sind jahrzehntelange Anstrengungen und Hunderte von Doktorarbeiten erforderlich, um sich in kleinen Schritten einer umfassenderen Erkenntnis zu nähern. Ein Beispiel für diesen zähen Weg ist die Entdeckung der Gravitationswellen: Hundert Jahre dauerte es von der theoretischen Vorhersage dieses Phänomens bis zu seinem Nachweis (wir berichteten ausführlich).
Ein anderes Rätsel, das ebenfalls rund hundert Jahre alt ist, wartet noch auf seine Lösung. Am Anfang stand hier eine unerwartete Beobachtung: Der Physiker Victor Franz Hess entdeckte bei Ballonfahrten im Jahr 1912, dass eine "Höhenstrahlung" mit ionisierender Wirkung von außen auf die Erde trifft. Diese kosmische Strahlung, wie wir sie heute nennen, ist mittlerweile gut erforscht. Sie besteht aus den Bausteinen von Atomen, die teils von der Sonne stammen, zum überwiegenden Teil aber von noch unbekannten Quellen in unserer Milchstraße und in anderen Galaxien. Dabei erstaunt die kolossale Energie dieser subatomaren Teilchen, der nach oben keine Grenze gesetzt zu sein scheint: Ein einziges dieser winzigen Partikel kann eine Bewegungsenergie haben, die der Wucht eines schnell geschlagenen Tennisballs entspricht!
Welche Vorgänge im Universum schaffen es, Bruchstücke von Atomen auf derart hohe Energien zu beschleunigen? Selbst die Explosionen von normalen Supernovae würden dazu nicht ausreichen. Als Kandidaten haben Astronomen so genannte Gammablitze im Blick – intensive Ausbrüche hochenergetischer Gammastrahlung, die in wenigen Sekunden ähnlich viel Energie freisetzen, wie die Sonne im Lauf ihrer gesamten Lebenszeit. Um der Natur dieser Quellen auf die Spur zu kommen, bedient sich die Forschung sogar riesiger Messanlagen, die tief im Meer nach Neutrinos fahnden, die uns als Botenteilchen Informationen von den fernen, gewaltigen Ereignissen übermitteln können. Julia Schmid erklärt in unserer Titelgeschichte ab S. 28 den Stand der Forschung.
Herzlichst grüßt Ihr
Uwe Reichert
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