Extrusion von Polymer-Wirkstoff-Gemischen zur Herstellung von Arzneiformen
Mit einem gebräuchlichen Verfahren der Kunststoffverarbeitung lassen sich pharmazeutische Wirkstoffe extrem fein in einem polymeren Trägermaterial verteilen. Solche Formulierungen eignen sich hervorragend dazu, schwerlösliche Substanzen bioverfügbar zu machen oder die Freisetzung eines Arzneimittels im Körper zu steuern.
Pharmazeutische Wirkstoffe können nur in Ausnahmefällen als solche verabreicht werden. Normalerweise werden sie deshalb in eine geeignete Arzneiform wie Tablette, Kapsel, Zäpfchen oder Lösung überführt. Diese galenische Zubereitung entscheidet mit über den therapeutischen Erfolg; außerdem bietet sie die Möglichkeit, den Wirkstoff optimal zu dosieren, einfach zu transportieren und zu lagern sowie seine Freisetzung im Körper zu steuern.
Viele Arzneimittel-Substanzen lösen sich nicht in ausreichendem Maße oder schnell genug in Körperflüssigkeiten wie dem Magen- oder Darmsaft. Therapeutisch wirksam ist jedoch nur der Anteil, der bei der Passage des Verdauungssystems durch Resorption in das Blut aufgenommen wird.
Eine wichtige Methode, diese Bioverfügbarkeit schwer löslicher Wirkstoffe zu erhöhen, besteht darin, sie in einem festen Trägerstoff möglichst fein zu verteilen. Man erhält dann eine sogenannte Feststoffdispersion oder im Idealfall sogar eine feste Lösung, bei der die Arzneimittel-Substanz in Form isolierter Moleküle in der Trägermatrix vorliegt. Solange die Wirkstoff-Teilchen in der starren Polymer-Matrix eingebettet sind, können sie nur schwer diffundieren und sich zu größeren Verbänden zusammenlagern. Bei Zutritt von Wasser jedoch löst sich das Trägermaterial auf. Weil der dabei freiwerdende Wirkstoff fein verteilt ist, hat er eine sehr große Oberfläche und ist mithin leicht benetzbar; er wird also schnell von Wassermolekülen umschlossen und damit gelöst oder dispergiert. Etliche Substanzen sind dadurch überhaupt erst als Pharmaka verwendbar.
Bislang stellte man feste Lösungen von Arzneimitteln in einem Trägerstoff zum Beispiel dadurch her, daß man eine Lösung von beiden zur Trockne eindampfte. Dieses mehrstufige Verfahren ist jedoch umständlich und nicht für kontinuierlichen Betrieb geeignet. Außerdem erfordert es ein gemeinsames Lösungsmittel für Wirkstoff und Polymer, das zudem gesundheitlich unbedenklich sein muß. Schließlich darf der Wirkstoff nicht auskristallisieren, bevor sich das Polymer verfestigt hat.
Diese Nachteile vermeidet die Polymer-Wirkstoff-Extrusion, die wir im Kunststofflaboratorium der BASF und bei der Firma Knoll gemeinsam entwickelt haben (Bild 1). Dabei wird der Wirkstoff in der Schmelze eines thermoplastischen, das heißt in der Wärme erweichenden, wasserlöslichen Polymers verteilt und der Schmelzestrang dann zum Beispiel zu einer Tablette geformt, die beim Erkalten zu einem glasartig durchsichtigen Körper erstarrt (Bild 2). Das geschmolzene Trägermaterial übernimmt also selbst die Rolle des Lösungsmittels. Geeignet sind Celluloseether und Polymere auf Basis des Vinylpyrrolidons, die für den pharmazeutischen Gebrauch zugelassen sind.
In der Praxis wird der Wirkstoff zusammen mit dem thermoplastischen Pharmapolymer und gegebenenfalls mit Hilfsstoffen, welche die spätere Freisetzung im Körper steuern, in einen Extruder eingebracht. Dieses in der Polymer-Technologie vielverwendete Gerät transportiert die Mischung mit seinem rotierenden Schneckengewinde, schmilzt sie dabei auf und homogenisiert sie und preßt sie schließlich durch eine oder mehrere Düsen aus.
Der dabei austretende wirkstoffhaltige Schmelzestrang läßt sich durch Walzen mit entsprechenden Halbformen zu Tabletten pressen (kalandrieren) beziehungsweise zu kleinen Körnern zerschneiden (granulieren). Dies sind allesamt gebräuchliche Techniken aus der industriellen Kunststoffverarbeitung. Im Gegensatz zur herkömmlichen Tablettenherstellung mit bis zu sechs Verarbeitungsvorgängen liefert die Polymer-Wirkstoff-Extrusion das fertige Produkt in einem Schritt.
Dabei hat dieses Verfahren einen weiteren wesentlichen Vorteil: Durch geschickte Wahl der Trägersubstanz läßt sich bei Bedarf auch erreichen, daß Wirkstoffe verzögert abgegeben werden. Die konventionelle Herstellung solcher Retard-Präparate erfordert dagegen oft weitere Schritte wie das nachträgliche Umhüllen mit einem schwer löslichen Material.
Indem die Polymer-Wirkstoff-Extrusion die verschiedenen Arbeitsprozesse bei der konventionellen Tablettenherstellung in einem kontinuierlichen, einstufigen Verfahren zusammenfaßt, dürften sich damit auch die Herstellungskosten für Arzneimittel senken lassen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1995, Seite 18
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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