Angemerkt!: Gezielt manipuliert
Viele Menschen betrachten Facebook als riesige Datensammelmaschine, der man als Nutzer mehr oder weniger ausgeliefert ist. Doch wer sich hier tummelt, tut dies freiwillig. Was allerdings jetzt über das soziale Netzwerk bekannt wurde, hat eine neue Qualität: Im Auftrag von drei Forschern hat Facebook gezielt versucht, die Gefühlslage seiner Nutzer zu manipulieren, ohne die Betroffenen über dieses psychologische Experiment zu informieren. Fast 700 000 Menschen sind so zu unfreiwilligen Versuchskaninchen geworden, was ziemlich viele ziemlich verärgert hat – und zwar zu Recht.
Die Sache ist jedoch noch schlimmer, als es auf den ersten Blick scheint. Denn offensichtlich haben die Wissenschaftler um Adam Kramer von der Cornell University in Ithaca (USA) die Ethikregeln für psychologische Studien regelrecht ausgehebelt, indem sie sich hinter dem Netzwerk versteckten. Das Argument, mit der die Ethikkommission das Experiment letztlich genehmigte, lautet schlicht: Facebook mache das ohnehin – die Geschäftsbedingungen erlauben schließlich eine Filterung von Mitteilungen.
Ganz falsch ist das nicht. Ein Teil der unfreiwilligen Versuchskaninchen bekam eine Woche lang selektiv eine Auswahl negativer Meldungen aus dem Freundeskreis, die anderen bevorzugt positive. Anschließend werteten die Wissenschaftler die Statusmeldungen der Opfer nach emotionalen Inhalten aus. Mit dem Experiment wollten sie erkunden, ob Gefühle auch in sozialen Medien ansteckend sind. Die Grundthese lautet etwa so: Wenn man auf der Straße einen Freund trifft, der schlecht drauf ist, zieht das einen selbst runter. Und eine psychische Beeinträchtigung wie Angst oder Depression pflanzt sich über Freundschaftsnetzwerke ebenso fort.
Das Ergebnis der Studie ist wenig überraschend: Eine positive Timeline erzeugte positive Rückmeldungen und negative eben vermehrt negative. Allerdings war der Effekt winzig. Der Emotionsgehalt der Updates veränderte sich um gerade einmal zwei Prozent. Und das war auch nur deshalb signifikant, weil Hunderttausende "mitmachten".
Der entscheidende Punkt aber ist: Die unfreiwilligen Probanden wurden nicht nur beobachtet, sondern gezielt manipuliert. Hier hört der Spaß auf. Denn dass Facebook dies sowieso mache, zählt nicht! Es stimmt zwar, dass die Nutzer nur eine anders eingeschränkte Auswahl der Statusupdates ihrer Kontakte zu sehen bekamen, als der Facebook-Algorithmus sonst generiert hätte. Doch anders als im Normalbetrieb sind die Auftraggeber hier Forscher – und in der Wissenschaft gelten für derartige Tests nun mal Regeln.
Nicht ohne Grund ist bei Experimenten mit Menschen zwingend vorgeschrieben, das Ein-verständnis der Beteiligten einzuholen. Es reicht nicht, Ethikregeln für die Forschung auf dem Papier festzuschreiben; man muss sich auch daran halten. Denn wer auf derartige Regeln pfeift, kann sie gleich abschaffen. Und das wäre sicher nicht im Sinn der Wissenschaft.
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