Medizin: Spuren des Alkohols
Der fünfjährige Leon sitzt im Restaurant keine fünf Minuten still. Plötzlich greift er sich das Besteck und rennt damit wild herumfuchtelnd durch die Gegend. Seine Mutter will ihn zurückhalten, aber er reagiert nicht auf ihr Schimpfen. Die anderen Gäste sind irritiert: Was ist denn mit dem Kind los? Eine Frau sagt kopfschüttelnd: "Der ist aber frech – und offenbar sehr schlecht erzogen!"
Einmal mehr beschleichen Leons Eltern Schuldgefühle. Der Junge ist ihr Adoptivkind, und sie wissen: Er hatte keinen guten Start. Ein paar Tage nach der Geburt wurde er von seiner Mutter getrennt, kam in ein Heim, erst ein halbes Jahr später zu ihnen. Sind diese traumatischen Erlebnisse die Ursache für Leons Verhalten? Oder müssten sie mit ihm wirklich viel strenger sein?
Viele Adoptiv- und Pflegeeltern, die Rat in unserer Ambulanz (Tagesklinik Walstedde) suchen, schildern ähnliche Erfahrungen und ahnen bereits: Die Probleme könnten noch tiefer wurzeln, nämlich schon in der Zeit vor der Geburt. Nicht selten bestätigt sich der Verdacht. Nach unseren Schätzungen leiden von den jährlich in Deutschland geborenen Kindern zirka 6500 unter den Folgen mütterlichen Alkoholkonsums in der Schwangerschaft. Die Symptome sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Rund 2000 davon, also etwa 3 von 1000 Kindern, zeigen das Vollbild – das "fetale Alkoholsyndrom", kurz: FAS (siehe "Kurz erklärt", S. 68). Zahlen aus den USA und Frankreich bewegen sich in ähnlicher Größenordnung. ...
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