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Forscher auf dem Markt und in den Medien

Nicht nur über die Medien lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse in die Öffentlichkeit bringen. Forscher nehmen die Kommunikation mit der Bevölkerung verstärkt selbst in die Hand und gehen in Kindergärten, Kirchen und Kaufhäuser.


Wissenschaft muß sich nicht immer nur hinter grauen Universitätsmauern abspielen. Einen Beweis dafür, daß sie sich auch in der Umgebung von Kunst und Kommerz gut macht, lieferte die Technische Universität Dresden. Unter dem Motto "Treffpunkt Forschung" präsentierte sie vom 13. Oktober bis 6. November ihr Angebot an Forschung und Lehre im KulturKaufhaus Dussmann an der Berliner Friedrichstraße. Nur wenige Schritte von dort entfernt, im Atrium der Deutschen Bank Berlin, hatten einige Tage zuvor Medienvertreter aus aller Welt über "Journalismus im Spannungsfeld der Wissens- und Mediengesellschaft" diskutiert. Veranstalter des Kongresses waren die gerade 70 Jahre alt gewordene Technisch-Literarische Gesellschaft, die größte und älteste deutsche Journalistenvereinigung im Bereich der Wissenschaftspublizistik, sowie die 1986 gegründete Wissenschafts-Pressekonferenz. Ein weiteres Beispiel: Am 4. Juli 1999 erinnerte die zweite Weltkonferenz von Wissenschaftsjournalisten in einer Budapester Erklärung an die politische und gesellschaftliche Bedeutung des Wissenschaftsjournalismus. Die Liste ließe sich beliebig erweitern, denn egal ob national oder international, das Thema Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit sorgt für Zünd- und Gesprächsstoff.

Doch die Problematik ist nicht neu. Ein Blick dreißig Jahre zurück zeigt, daß dieses Thema in zahllosen Treffen, Organisationen und Publikationen hin- und hergeschoben wurde. Doch es scheint, als habe sich in Deutschland bis vor kurzem nur sehr wenig bewegt. Klagen werden in beiden Lagern laut: Journalisten beschweren sich über kommunikationsfeindliche und arrogante Wissenschaftler; Forscher unterstellen den Medienvertretern oft mangelnde Sachkenntnis und selektive, sensationsgierige Berichterstattung. Die gegenseitigen Vorwürfe machen deutlich, daß Gespräche allein nicht ausreichen, um die Kluft zwischen den zwei verschiedenen Arbeits- und Vorstellungswelten des Journalismus und der Wissenschaft zu überbrücken. Deshalb haben sich einige Forschungsbetriebe und Institute etwas einfallen lassen, um den mühsamen Dialog zwischen Wissenschaftlern und Journalisten einfacher und fruchtbarer zu gestalten.

Beispiel Online-Aktivitäten


So betreiben zum Beispiel die Pressestellen der Universitäten Bayreuth, Bochum und Clausthal, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, seit 1996 den Informationsdienst Wissenschaft (idw) im World Wide Web (idw.tu-clausthal.de). Er hilft Print-, Fernseh- und Hörfunk-Journalisten mit einem Experten-Makler bei der Recherche nach kompetenten Ansprechpartnern, liefert über einen Ticker aktuelle Pressemitteilungen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen und bietet ein Archiv, eine Link-Bibliothek und ein Adreßbuch. Von über 400 Pressestellen wird idw regelmäßig genutzt, und gut 200 Journalisten pro Monat nehmen die Makler-Dienste in Anspruch.

Jungen Wissenschaftlern in Deutschland steht seit Oktober 1999 das wöchentlich von der renommierten US-amerikanischen Zeitschrift "Science" und der American Association for the Advancement of Science (AAAS) herausgegebene Online-Magazin "Science’s Next Wave" kostenfrei zur Verfügung (intl-nextwave.sciencemag.org/de). Es informiert über aktuelle Entwicklungen in Forschung und Studium, gibt Hinweise zu beruflichen Fragen und dient als Diskussionsforum für wissenschaftliche Themen.

Auf europäischer Ebene versucht unter anderem seit 1997 die Organisation euroscience, über die Grenzen der Fachgesellschaften und Organisationen hinweg Wissenschaft und Gesellschaft einander näherzubringen. Nach dem Vorbild der AAAS hat euroscience inhaltliche und regionale Arbeitsgruppen gebildet. Des weiteren arbeitet die Organisation eng mit der British Association for the Advancement of Science zusammen, die einen europäischen Internet-Dienst namens AlphaGalileo für Wissenschaftsnachrichten betreibt, der sich als eine Art Pressezentrum für europäische Wissenschaft, Technik und Ingenieurwesen versteht (www.alphagalileo.org).

Journalisten im Labor – wer lernt von wem?


Nachhaltigen Erfolg hatte das Förderprogramm Wissenschaftsjournalismus der Robert-Bosch-Stiftung. Rund 200 Frauen und Männer lernten zwischen 1979 und 1993 in mehrmonatigen Praktika journalistische und redaktionelle Arbeit kennen, und gut die Hälfte davon arbeitete später tatsächlich als Wissenschaftsjournalisten. Neben anderen Aktivitäten wurde auch eine Stiftungsprofessur für Wissenschaftsjournalismus an der FU Berlin errichtet.

Einen anderen Ansatz verfolgt die European Initiative for Communicators of Science EICOS. Dieses Programm enstand Anfang der neunziger Jahre, als Gentechnik in der Öffentlichkeit sehr kritisch und risikoträchtig eingeschätzt wurde. Seitdem werden einmal im Jahr zwölf Journalistinnen und Journalisten aus ganz Europa für eine Woche in ein Max-Planck-Institut eingeladen. Sie arbeiten dort gemeinsam mit Forschern an molekularbiologischen Fragen, um zu erleben, wie der Forschungsprozeß abläuft, aber vor allem auch um zu erkennen, daß Gentechnik per se nicht gefährlich ist. Es ist ausdrücklich nicht die Absicht, Akzeptanz für die Gentechnik zu schaffen oder Spezialwissen zu erarbeiten, auch wenn die Teilnehmer das teilweise genau so empfinden, wie eine kritische Evaluation des Programms von Jens Schröter, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hamburg, ergab.

Darüber hinaus hoffen die Initiatoren von EICOS, den Wissenschaftlern die Arbeitsweise von Journalisten quasi nebenbei näher zu bringen. Ganz geglückt sei dies, so Schröter, bisher allerdings nicht. Gezielt darum bemüht sich aber ein Programm der Karl Heinz Beckurts-Stiftung, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Ende September 1999 erstmals einen Preis für Wissenschaftler ausgeschrieben, die sich in heraus-
ragender Weise um die Vermittlung ihrer Ergebnisse an die Öffentlichkeit be-
müht haben.

Programm "Push" – Wissenschaft im Dialog


Die neueste, von der Wissenschaft nach außen gerichtete Aktivität ist das vom Stifterverband getragene Aktionsprogramm "Push – Wissenschaft im Dialog". "Public Understanding of Sciences and Humanities" spricht Forscher und deren Institute an, die sich unter anderem an Kindergärten und Schulen, aber auch an Kirchen, Museen und die Medien wenden (vergleiche das Interview auf S. 116). In den Projekten, für die insgesamt 500000 Mark zur Verfügung stehen, sollen der Nutzen von Wissenschaft und Technik im Alltag und ihre Bedeutung für die Lösung von Zukunftsproblemen sichtbar werden. Anders als bei vielen ähnlichen Aktionen, werden bei "Push" ausdrücklich die Geistes- und Sozialwissenschaften mit einbezogen. Daß das Interesse bei Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen groß ist, beweisen die fast 400 Anträge auf Teilnahme, die bisher eingegangen sind.

Wenn es darum geht, wissenschaftliche Forschung und Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dann spielen die Medien nach wie vor die wichtigste Rolle. Doch Aktionen wie "Push" oder der "Treffpunkt Forschung" der Uni Dresden zeigen, daß die Wissenschaftsbetriebe die Kommu-nikation mit "Außen" verstärkt selber in die Hand nehmen – frei nach dem Motto: raus aus dem Elfenbeinturm, rein in den Markt. Dort treffen sie auch die wichtigsten Interessenten, die noch nicht zu ihrer Kundschaft zählen: die Kinder.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 115
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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