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Forschung auf der Internationalen Raumstation

Interview mit Dr. Hartmut Ripken, Koordinator für die Nutzungsvorbereitung der Internationalen Raumstation beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn



Spektrum der Wissenschaft:
Herr Dr. Ripken, die Internationale Raumstation ist im Wesentlichen ein politisches Projekt. Hat sich der Regierungswechsel in Deutschland auf das Nutzungskonzept ausgewirkt?


Dr. Hartmut Ripken:
Wir gehen davon aus, dass die Raumstation sowohl eine politische Dimension hat als auch mit einem klar forschungsorientierten Nutzungskonzept betrieben wird. Es gibt dabei keine grundlegenden Änderungen durch den Regierungswechsel. Bereits unter der vorherigen Bundesregierung hat das DLR eine Initiative gestartet, zahlende Kunden aus der Industrie in die Nutzung der Raumstation einzubeziehen. Es war allerdings schwierig, ein gutes Konzept zu finden. Vorgesehen ist, die Nutzung zu je einem Drittel auf Wissenschaft, angewandte Forschung sowie industrielle/kommerzielle Tätigkeiten aufzuteilen. Was sich vielleicht geändert hat, ist die politische Bewertung für die einzelnen Anteile. Die jetzige Regierung legt noch mehr Wert auf den anwendungsorientierten und wirtschaftlichen Aspekt.

Spektrum:
Der Aufbau der Station hat sich bereits um zwei Jahre verzögert. Inwieweit sind dadurch der Kostenrahmen und die Forschungsziele beeinträchtigt?


Ripken:
Der Finanzierungsbeitrag, der auf Deutschland entfällt, verändert sich dadurch nicht. Wir müssen also keine Erhöhung, sondern nur eine Verschiebung der Kosten hinnehmen. Für die Vereinigten Staaten entstehen allerdings echte Mehrkosten. Denn nach den vertraglichen Vereinbarungen kann der zusätzliche Aufwand während des Aufbaus der Station nicht auf die europäischen Partner umgelegt werden. Auf die Forschungsziele hat die Verzögerung keinen Einfluss – auf die Durchführung mancher Projekte aber schon, denn deren Laufzeit kann sich dadurch erhöhen.

Spektrum:
Können denn die betroffenen Forscher mit einer gewissen Kulanz, mit einer Verlängerung ihrer Förderung rechnen?


Ripken:
Soweit ich das sehe, sind keine Projekte in Gefahr. Hier suchen wir gemeinsam mit den Wissenschaftlern nach Lösungen. In einem aktuellen Einzelfall, wo keine zeitliche Verschiebung möglich war, wollen wir gemeinsam mit Esa auf ein anderes ISS-Element ausweichen. Mit Hilfe unserer russischen Partner wird versucht, das Experiment auf dem Service-Modul anzubringen, das in Kürze gestartet wird.

Spektrum:
Trotzdem wurde oft kritisiert, dass Milliarden Mark in den Aufbau der Station fließen, aber für Experimente, die dort ausgeführt werden sollen, kein Geld mehr vorhanden ist.


Ripken:
Die Entscheidung für die Raumstation war und ist eine Entscheidung für die Forschung. Innerhalb des heute vorhandenen Etats stellt die ISS zwar einen Block dar, der einen großen Anteil der Raumfahrtmittel bindet und auf Grund internationaler Verträge nicht gekürzt werden kann; gleichzeitig bietet die Raumstation jedoch ein enormes Nutzungspotenzial für hochqualifizierte Forschungsvorhaben und stellt so für Wissenschaft und Wirtschaft eine Investition in die Zukunft dar. Es deutet sich auch eine positivere Tendenz bei der Entwicklung des Raumfahrtbudgets an, und es ist erklärtes Ziel, dass Mittel aus nicht raumfahrtspezifischen Programmen und aus der Wirtschaft in Experimente auf der Station fließen.

Spektrum:
Wie interessiert zeigt sich die Industrie an Forschungen auf der Raumstation?


Ripken:
Dank unserer Initiative wird das Interesse größer. Anfangs mussten wir allerdings bei den Firmen ein großes Informationsdefizit über die Nutzungsmöglichkeiten der Raumstation feststellen. Das lag daran, dass es in Deutschland kaum Erfahrung mit industrieller Weltraumnutzung gibt. Das europäische Weltraumlabor Spacelab, das mehrmals in den US-Raumfähren im Einsatz war, bot zwar exzellente wissenschaftliche Forschungsmöglichkeiten, eignete sich aber wegen der seltenen und jeweils kurzen Flüge schlecht für die industrielle Forschung. Zur russischen Station Mir hatten wir zwar Zugang, aber die technischen Ressourcen für Experimente reichten nicht aus. Mit ISS ändert sich das jetzt grundlegend. Erstmals wird der europäischen Industrie eine ständige Präsenz in einem gut ausgestatteten Weltraumlabor ermöglicht.

Spektrum:
Welche Branchen sehen Sie als hauptsächliche Nutzer?


Ripken:
Neben der Erforschung thermophysikalischer Eigenschaften, der Verbrennungsforschung und der Instrumentenqualifikation können z.B. speziell die Züchtung von Zellkulturen, die Eiweißkristallisation und die Nanotechnologie von der Forschung unter Mikrogravitation profitieren.

Das Interview führte Uwe Reichert, Spektrum der Wissenschaft.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 103
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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