Angemerkt!: Fragwürdige Entscheidung
Der "Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie" hat die Systemische Therapie als wirksam anerkannt. Doch bei näherem Hinsehen erscheint das Votum zweifelhaft.
Vor anderthalb Jahren hatte der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) eine gute Idee: Wer Psychotherapeut sein will, sollte in der Lage sein, Ängste zu behandeln. Denn die gehören zu den häufigsten Problemen der Patienten. Also beschloss das Professoren-Gremium, für die Ausbildung angehender Therapeuten nur noch Psychotherapie-Richtungen zu empfehlen, die nachweislich (auch) Ängste behandeln können.
Im Dezember 2008 deklarierte der Beirat nun die Systemische Therapie als "anerkanntes Verfahren" – obwohl deren Vertreter keine einzige Studie zu Angstbehandlung vorgelegt hatten. Aber das brauchten die meist als Familientherapeuten bezeichneten Systemiker auch nicht, denn sie hatten ihren Antrag ein halbes Jahr vor der Neuregelung eingereicht. Weil sie die alten Kriterien mit Ach und Krach erfüllten, machte der Beirat sein Häkchen hinter die Angelegenheit. Nun fordern die Systemiker lautstark, dass die Krankenkassen endlich auch ihre Rechnungen begleichen.
Das Hauptargument: Systemiker beschäftigen sich mit dem ganzen Menschen – mit dem sozialen System, in das er eingebunden ist. Psychische Probleme könnten nur dann verstanden und behoben werden, wenn man nicht den Einzelnen betrachte, sondern auch Partner, Eltern und Geschwister einbeziehe. Das ist so richtig, dass andere Therapeuten schon lange darauf gekommen sind und bei Bedarf auch ganze Familien in ihre Praxis einbestellen.
Was die Systemiker von anderen Behandlern wirklich unterscheidet, ist nicht die Therapie in der Gruppe – sondern, dass sie das Beziehungskuddelmuddel irgendwie "systemisch" angehen. Doch was heißt das? 200 systemische Therapeuten würden dazu annähernd 200 verschiedene Antworten geben, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie auf ihrer Homepage. Aber, so lesen wir weiter, es habe etwas mit "Kybernetik zweiter Ordnung" zu tun, mit Synergetik, Chaostheorie, Autopoiese und dissipativen Strukturen. Aha. Jedenfalls folge daraus: "Die Macht der TherapeutInnen ist relativiert, ihre Möglichkeit ist darauf begrenzt, das System zu verstören und die Eigenschwingungen des Systems anzuregen." Alles klar? Wenn nicht, geht es Ihnen wie dem WBP vor zehn Jahren.
Damals hatte er die Systemische Therapie schon einmal zu beurteilen – und bemängelte, ihr fehle "eine nachvollziehbare Beziehung zwischen Theorie und Praxis". Der Antrag auf Anerkennung wurde damals abgelehnt.
Inzwischen sollen genügend Studien beweisen, dass die Systemische Therapie tatsächlich hilft. Doch hier sind Zweifel angebracht. Von den sieben vorgelegten Wirksamkeitsstudien zur Suchttherapie etwa erkannte der Beirat nur drei an. Die angeführten Untersuchungen zur Behandlung von Alkoholismus fielen allesamt durch; in den drei akzeptierten geht es um Heroin.
Die erste wurde in einem Buch publiziert – mit Vorsicht zu genießen, weil Buchkapitel anders als Fachaufsätze nicht von Gutachtern geprüft werden. In der zweiten Studie hielten sich die meisten Abhängigen von Heroin fern, nachdem sie familien-therapeutisch behandelt worden waren. Allerdings war der Unterschied zur Kontrollgruppe ohne Behandlung marginal. In der dritten schlug die Familientherapie besser an als eine Scheinbehandlung, doch ein Jahr später war vom Effekt nicht viel übrig.
Fazit: Wenn solche Erfolgsnachweise ausreichen, dürfen sich auch andere, umstrittene Therapeuten Hoffnungen machen. Geistheiler, an die Arbeit!
Im Dezember 2008 deklarierte der Beirat nun die Systemische Therapie als "anerkanntes Verfahren" – obwohl deren Vertreter keine einzige Studie zu Angstbehandlung vorgelegt hatten. Aber das brauchten die meist als Familientherapeuten bezeichneten Systemiker auch nicht, denn sie hatten ihren Antrag ein halbes Jahr vor der Neuregelung eingereicht. Weil sie die alten Kriterien mit Ach und Krach erfüllten, machte der Beirat sein Häkchen hinter die Angelegenheit. Nun fordern die Systemiker lautstark, dass die Krankenkassen endlich auch ihre Rechnungen begleichen.
Das Hauptargument: Systemiker beschäftigen sich mit dem ganzen Menschen – mit dem sozialen System, in das er eingebunden ist. Psychische Probleme könnten nur dann verstanden und behoben werden, wenn man nicht den Einzelnen betrachte, sondern auch Partner, Eltern und Geschwister einbeziehe. Das ist so richtig, dass andere Therapeuten schon lange darauf gekommen sind und bei Bedarf auch ganze Familien in ihre Praxis einbestellen.
Was die Systemiker von anderen Behandlern wirklich unterscheidet, ist nicht die Therapie in der Gruppe – sondern, dass sie das Beziehungskuddelmuddel irgendwie "systemisch" angehen. Doch was heißt das? 200 systemische Therapeuten würden dazu annähernd 200 verschiedene Antworten geben, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie auf ihrer Homepage. Aber, so lesen wir weiter, es habe etwas mit "Kybernetik zweiter Ordnung" zu tun, mit Synergetik, Chaostheorie, Autopoiese und dissipativen Strukturen. Aha. Jedenfalls folge daraus: "Die Macht der TherapeutInnen ist relativiert, ihre Möglichkeit ist darauf begrenzt, das System zu verstören und die Eigenschwingungen des Systems anzuregen." Alles klar? Wenn nicht, geht es Ihnen wie dem WBP vor zehn Jahren.
Damals hatte er die Systemische Therapie schon einmal zu beurteilen – und bemängelte, ihr fehle "eine nachvollziehbare Beziehung zwischen Theorie und Praxis". Der Antrag auf Anerkennung wurde damals abgelehnt.
Inzwischen sollen genügend Studien beweisen, dass die Systemische Therapie tatsächlich hilft. Doch hier sind Zweifel angebracht. Von den sieben vorgelegten Wirksamkeitsstudien zur Suchttherapie etwa erkannte der Beirat nur drei an. Die angeführten Untersuchungen zur Behandlung von Alkoholismus fielen allesamt durch; in den drei akzeptierten geht es um Heroin.
Die erste wurde in einem Buch publiziert – mit Vorsicht zu genießen, weil Buchkapitel anders als Fachaufsätze nicht von Gutachtern geprüft werden. In der zweiten Studie hielten sich die meisten Abhängigen von Heroin fern, nachdem sie familien-therapeutisch behandelt worden waren. Allerdings war der Unterschied zur Kontrollgruppe ohne Behandlung marginal. In der dritten schlug die Familientherapie besser an als eine Scheinbehandlung, doch ein Jahr später war vom Effekt nicht viel übrig.
Fazit: Wenn solche Erfolgsnachweise ausreichen, dürfen sich auch andere, umstrittene Therapeuten Hoffnungen machen. Geistheiler, an die Arbeit!
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