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Freilandversuche mit transgenen Pflanzen - Nachholbedarf in Deutschland

In 21 Ländern wurden bereits 393 Tests mit 25 verschiedenen Arten gentechnisch veränderter Nutzpflanzen außerhalb von Forschungslabors angestellt; die Bundesrepublik war daran mit zwei Versuchen beteiligt – im Jahre 1990 mit Petunien.

„Freisetzung genetisch veränderter Organismen – Deutschland, ein Entwicklungsland?“ Diese absichtlich provozierend formulierte Frage sollte kürzlich eine Podiumsrunde anregen, anläßlich der Botanikertagung in Berlin den gegenwärtigen Stand der Gentechnik bei Pflanzen in Forschung und Anwendung kritisch zu diskutieren. Die Bestandsaufnahme zeigte dann jedoch, daß die implizite Antwort der Wirklichkeit entspricht: In der Bundesrepublik hat die Indu- strie die Anwendungsmöglichkeiten der „nach der Mikroelektronik... vielleicht zukunftsträchtigsten Schlüsseltechnologie“ („Die Zeit“ vom 2. Oktober 1992) längst abgeschrieben; die Wissenschaftler sind nicht mehr weit davon entfernt.

Bisher gab es in Deutschland lediglich zwei Freilandexperimente mit gezielt genetisch veränderten Pflanzen, während es weltweit insgesamt schon fast 400 sind (Bilder 1 und 2). Auch die Nachbarstaaten Niederlande, Belgien und Frankreich sind sehr viel weiter in der Umsetzung molekularbiologischer Forschungsarbeiten in die praktische Anwendung und testen schon seit vier beziehungsweise fünf Jahren genmanipulierte Pflanzen auf dem Acker.

Gerade wegen dieses großen Nachholbedarfs ist es wichtig, an die weltweit anerkannten Entwicklungen der deutschen Grundlagenforschung während der letzten zehn Jahre anzuknüpfen: Die mittlerweile in Labors und Gewächshäusern entwickelten Pflanzenlinien sind jetzt auf ihre Einsatzfähigkeit auf dem Feld zu untersuchen. Die erforderlichen Anstrengungen sollten auch von den Bundesministerien für Forschung und Technologie und für Landwirtschaft gezielt unterstützt werden.

Für eine Nutzung der Gentechnik bieten sich gegenwärtig bei Pflanzen schon sinnvolle Möglichkeiten. Vorteilhafte Veränderungen ihrer Produkte und der Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge von Kulturpflanzen selbst lassen sich mit molekularbiologischen Methoden sehr viel schneller und einfacher in leistungsfähige Sorten einbringen als mit klassischer Züchtung. Solche erwünschten Veränderungen können gentechnisch auch direkter mit ökologischen Vorteilen verbunden werden, so daß bevorzugt nachwachsende Rohstoffe auf umweltschonendere Weise erschlossen werden. Gerade die in Deutschland vorbereiteten Felduntersuchungen sollen dazu beitragen, Inhaltsstoffe derart zu optimieren, daß sie als biologisch abbaubare Rohmaterialien industriell eingesetzt werden können, und die Resistenz gegen Schädlinge zu verbessern, damit für den Pflanzenschutz weniger Chemikalien eingesetzt werden müssen.

Modifizierte Kartoffeln

Das Institut für Genbiologische Forschung (IGF) in Berlin hat Anträge auf Feldversuche mit zwei Linien von Kartoffeln gestellt. Die eine Linie wurde in der Art der synthetisierten Stärke verändert: Statt der schwer trennbaren Mischung aus Amylose und Amylopektin entsteht in den Knollen fast nur noch Amylopektin (Bild 3 links; siehe auch Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1992, Seite 34). In dieser Form läßt sich die Stärke-Komponente als nachwachsender Rohstoff in der Industrie zum Beispiel bei der Textilweberei oder als Flockulierungsmittel in der Abwasseraufbereitung einsetzen.

Der zweiten Linie wurde ein Gen aus der Bäckerhefe eingebaut, das den Zucker Saccharose speziell in den Knollen abbaut. Dadurch können die Bausteine für eine vermehrte Synthese von Stärke genutzt werden. In Gewächshausversuchen entwickelten sich zwar weniger, aber größere Knollen als bei unveränderten Pflanzen (Bild 3 rechts).

Die Pflanzenzuchtfirma Planta, ein Tochterunternehmen des Kleinwanzlebener Saatgutherstellers KWS, hat einen Feldversuch mit Rüben beantragt, die durch die eingebaute genetische Information für das Hüllprotein eines Virus gegen dessen Befall resistent sind. Bisher konnten massive Ernteeinbußen durch Wurzelfäule, die das Virus verursacht, mit keiner der klassischen Methoden verhindert werden.

Auch die Universität Hamburg plant ein Feldexperiment. Durch ein bakterielles Gen wurden Kartoffeln gegen den bakteriellen Schädling resistent, der die sogenannte Schwarzbeinigkeit und die Knollennaßfäule hervorruft.

Alle diese genetisch veränderten Pflanzen sind bereits seit mehreren Jahren in Gewächshäusern getestet worden. Bei der Untersuchung unter natürlichen Bedingungen würden die im Ausland gewonnenen Ergebnisse von Sicherheitsanalysen genutzt.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1993, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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