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Frösche und Kröten in der Wüste

Nicht alle Amphibien haben es gern naßkalt. Verschiedene Froschlurche leben in heißen, trockenen Regionen, wo sie die regenlosen Zeiten hauptsächlich durch Anpassungen im Wasserverbrauch überstehen.

Tümpel, Moore und nasse Wiesen dünken uns die passende Umwelt für Kröten und Frösche. Wo anders als in modrigen, schattigen Habitaten sollten sie sich genügend feucht und kühl halten und jederzeit Wasserstellen finden können, die doch offenbar ihr Element sind? Dennoch leben manche Arten in Gebieten mit trockenem, heißem Klima, ob nun in der Wüstenlandschaft des südwestlichen Nordamerika oder in der afrikanischen Savanne. Ihr weltweites Vorkommen in diesen extremen Verhältnissen verdanken sie Anpassungen in Stoffwechsel und Verhalten, die Wasser sparen und für eine geringe Körpertemperatur sorgen. Was wir und andere Wissenschaftler darüber herausgefunden haben, paßt nicht mehr zu dem Bild, das man bisher allgemein von Fröschen und Kröten – den Froschlurchen oder Anuren – hatte, weil es hauptsächlich von Arten aus gemäßigtem Klima geprägt war. Erst das Studium der Wüstenbewohner gab Einblick in die wirkliche Vielfalt dieser Gruppe.

Die Amphibien entstanden vor gut 300 Millionen Jahren als erste landlebende Wirbeltiere. Ihre Fisch-Vorfahren lebten wahrscheinlich in Süß- oder Brackwassertümpeln, und die Klasse ist bis heute mehr oder weniger dem Süßwasser verhaftet. Neben den Froschlurchen gehören zu ihr die Schwanzlurche (Urodelen; die Salamander und Molche) und die beinlosen, wurmförmigen Blindwühlen (Gymnophionen).

Die Unterscheidung bei Froschlurchen zwischen Fröschen und Kröten folgt nicht irgendwelchen biologischen Kriterien und besagt auch nichts über die systematische Zugehörigkeit; vielmehr heißen einfach aquatische Arten mit glatter Haut meist Frosch und landlebende mit einer warzigen gewöhnlich Kröte.

Die meisten Amphibien laichen im Wasser ab, wo ihre Larven – die Kaulquappen – bis zur Metamorphose bleiben. Wenn sie dann Beine und Lungen ausgebildet haben, suchen sie im allgemeinen zumindest zeitweise das Trockene auf. In der Regel entfernen solche Arten sich nicht weit von Gewässern, es sei denn, in dem Gebiet ist die Luft besonders feucht, und es regnet sehr viel. Lurche, die ausgesprochen trockene Gegenden bewohnen, sind die Ausnahme. Dies zeigt, daß die Amphibien im allgemeinen nicht für das Leben in Hitze und Trockenheit ausgestattet sind.


Stetes Risiko der Austrocknung

Ein Hauptproblem landlebender Organismen ist, im Körper das richtige wässerige Milieu aufrechtzuerhalten. Die übrigen terrestrischen Wirbeltiere – die Reptilien, Vögel und Säugetiere – bewahrt ihre verhältnismäßig dicke Haut vor Austrocknung. Deren äußere verhornte Schicht, das Stratum corneum, besteht aus mehreren Lagen flacher, abgestorbener Zellen, die Wasser zurückhalten. Bei Amphibien dagegen ist dies typischerweise nur eine Lage Zellen, die Feuchtigkeit gut durchläßt. Sie brauchen deshalb nicht zu trinken, sondern nehmen die nötige Flüssigkeit über die Haut auf, von nassem Boden, Laub oder Gestein und im Wasser. Auch Sauerstoff und Kohlendioxid dringen leicht hindurch. Viele Salamander (die Plethodontidae) haben überhaupt keine Lungen, sondern atmen an Land ausschließlich über die Körperoberfläche.

In wärmerer Luft, die nicht mehr von Wasser gesättigt ist, halten die meisten Arten es denn auch nicht lange aus. Sie verdunsten so viel Feuchtigkeit, daß sie leicht binnen eines Tages austrocknen. Selbst Froschlurche, die viel höhere Wasserverluste tolerieren als die meisten anderen Wirbeltiere, bekommen dann Schwierigkeiten.

Landwirbeltiere dürfen auch bei der Exkretion, wobei sie stickstoffhaltige Abfälle des Proteinstoffwechsels mit dem Harn ausscheiden, nicht zuviel Wasser verlieren. Insbesondere Wüstentiere müssen Nieren haben, die der Austrocknung entgegenarbeiten.

So scheiden Vögel und Reptilien die Schlacken als Harnsäure aus, eine schwerlösliche Verbindung, die in fester Form unter wenig Wasserverlust abgegeben werden kann. Säugetiere erzeugen wasserlöslichen Harnstoff, der je nach Bedarf mehr oder weniger konzentriert ist – mehr insbesondere bei wüstenbewohnenden Nagetieren: Der Urin von Känguruhratten enthält das Vierzehnfache an löslichen Bestandteilen wie ihr Blut, der von australischen Wüstenmäusen sogar das Zwanzigfache oder mehr.

Auch erwachsene Froschlurche produzieren in der Regel Harnstoff, nur bleibt ihr Urin genauso wässerig wie das Blut. Wenn sie ihn abgeben, verlieren sie mithin Unmengen Wasser. Landlebende Frösche und Kröten helfen sich, indem sie bei Trockenheit keinen Harn mehr bilden, vielmehr die Schlackenstoffe in Körperflüssigkeiten anreichern. Auch Haut und Harnblase stellen sich auf Wasserknappheit ein: Wenn ein Tier über die Haut zuviel Flüssigkeit verloren hat, wird die Blasenwand durchlässiger, so daß aus dem dünnflüssigen Urin Wasser in den Körper zurückgeholt wird. Außerdem dringt dieses nun über die Körperoberfläche noch leichter ein als sonst. Ein Hormon vom Hinterlappen der Hirnanhangdrüse, das Arginin-Vasotocin, steuert diese Reaktionen.

Suche nach Kühlung

Wenn es längere Zeit heiß und trocken ist, reichen diese Schutzmechanismen allerdings nicht aus. Ohnehin vertragen die meisten Amphibien Wärme schlechter als andere Landwirbeltiere. Während Vögel, Landsäuger oder etwa auch Wüstenechsen 40 Grad Körpertemperatur aushalten, gehen viele Frösche und Kröten bereits bei nicht einmal 35 Grad Celsius ein.

Die sicherlich günstigste Strategie in einem solchen Klima ist, sich an die letzten feuchten Stellen zu halten, mögen sie noch so kümmerlich sein. Eben dies machen viele Lurche, die in der Wüste leben. Deswegen finden sich dort Frösche an Quellen und Sickerstellen, in tiefen Tälern mit gelegentlichem Zufluß oder an künstlichen Sammelbecken.

Ein Beispiel dafür ist der Laubfrosch Hyla cadaverina der Colorado-Wüste im Südwesten der USA. Bei Lufttemperaturen von oft mehr als 40 Grad Celsius hält er seine Körpertemperatur unter 30 Grad, indem er sich durch Verdunstung kühlt. Bis zu 25 Prozent seines Körpergewichts vermag er an dünnem Urin zu speichern, und der Organismus zapft diese Reserve an, wenn er über die Haut zuviel Flüssigkeit verliert. Ist sie aufgebraucht, sucht der Frosch sich einen Tümpel zum Auftanken (Kasten auf den Seiten 74 und 75 oben links).

Die Wasserlöcher dienen ihm auch zur Paarung und für die Entwicklung der Eier. An heißen Sommertagen findet man dort solche Frösche zu Haufen zusammengeklumpt; vielleicht schützt die Enge sie gegen allzuviel Feuchtigkeitsverlust. Gegen Abend löst der Klumpen sich auf, und die Tiere verbringen einige Zeit fressend am Ufer, bis sie des Nachts, wenn sie ihr Quakkonzert anstimmen, ins Wasser gehen, wo sie sich paaren und ablaichen. Regnet es und bilden sich weitere Tümpel, nehmen die Frösche auch diese in Beschlag.

Die Fleckenkröte (Bufo punctatus) hingegen, die in derselben Wüste vorkommt, laicht zwar in Wasserstellen von Canyons ab, bleibt aber nicht immerzu im Feuchten oder wenigstens in der Nähe. Tiere, die wir mit kleinen Sendern versehen hatten, orteten wir bis zu 100 Meter entfernt (Kasten auf den Seiten 74 und 75 oben rechts). Selbst im Sommer fanden wir sie mittags weit vom Wasser in Felsspalten im Geröll eingegraben, nicht selten zu mehreren; einmal entdeckten wir acht Tiere zugleich.

Auch die Fleckenkröten vertragen nicht mehr als 35 Grad Celsius. Mit implantierten Sendern und Meßfühlern stellten wir fest, daß sie sich tagsüber an genügend kühlen Orten aufhalten. Ein Tier haben wir so von September, der noch in die aktive Saison fällt, bis Dezember kontinuierlich beobachten können. Im warmen Herbst wanderte die Kröte nachts von ihrem Loch 85 Meter zu einem Rinnsal und kehrte früh am Morgen in das Versteck zurück; tags-über stieg ihre Körpertemperatur – dank Schattenplatz und Verdunstung – nie über 31 Grad.

Im Winter, der inaktiven Zeit, bot das Loch Schutz gegen die Nachtkälte. Die Lufttemperatur sank in Dezembernächten von abends 12 auf morgens 4 Grad, und trotzdem blieb die Kröte in ihrem Bau konstant 25 Grad warm.

In heißen Sommernächten, wenn die Tiere ihren Unterschlupf zum Insektenfangen verlassen, nehmen sie bis zu 40 Prozent des Körpergewichts an Urin als Wasservorrat mit. Sie halten zudem den Verlust von 40 Prozent der Körperflüssigkeit aus (Menschen überleben nur 10 Prozent Wasserverlust, Kamele 20).

Refugien für Trockenzeiten

Die meisten Wüstengebiete haben allerdings keine permanenten Wasserreservoire. Die dort lebenden Amphibien müssen sich während der Trockenzeit tief eingraben, um sich vor der Sonnenstrahlung und den heißen oberen Bodenschichten zu schützen. Zuerst nehmen sie aus der Erde um sich her noch die letzte Feuchtigkeit auf; später müssen sie mit dem auskommen, was sie gespeichert haben. Durch Verdunstung geht ihnen im Untergrund aber nur noch wenig Wasser verloren.

Als erstes haben wir im Südosten von Arizona Schaufelfüße, Krötenfrösche der Gattung Scaphiopus, untersucht (Kasten auf dieser Doppelseite, oben Mitte). Die drei dort häufigen Arten trifft man leicht nach Sommerregen an, der sie aus dem Boden lockt. Einzelne Tiere tauchen bereits bei feinem Niederschlag auf; die Mehrzahl kommt aber abends nach dem ersten Platzregen hervor, wenn sich auch Pfützen bilden.

Wir probierten aus, was die Frösche eigentlich an die Oberfläche bringt. Die Erde vorsichtig geräuschlos anzufeuchten wirkte nicht. Die Tiere reagierten erst, als wir einen Sprenger aufstellten, so daß es sich anhörte, als würde es regnen. Wir konnten dabei sogar den Boden mit einer Plastikplane trocken halten – das Rauschen genügte.

Die Tiere suchten nun zur Paarung die frischen Tümpel auf. Viele, die wir unterwegs abfingen, hatten eben eine Menge Termiten verschluckt; diese kommen nach einem Regen ebenfalls massenhaft zum Vorschein. Ein Schaufelfuß vermag in einer Nacht 55 Prozent des Körpergewichts zu fressen, und eine einzige Mahlzeit fetter Termiten liefert ihm unter Umständen genügend Energie für länger als ein Jahr. Selbst Eier produzieren Weibchen dann manchmal noch.

Die Frösche bleiben gewöhnlich rund 24 Stunden im Wasser – gerade so lange, bis sie sich gepaart und bis sie abgelaicht haben. Anschließend wandern sie fort, manchmal meilenweit, und buddeln sich dann irgendwo flach in lockerem Erdreich ein. Solange der Wüstenboden noch feucht ist und es darauf von Kerbtieren wimmelt, ziehen sie in windstillen Nächten zum Fressen aus, während sie sich tagsüber immer wieder im selben Loch vergraben. Im Spätsommer verschwinden die Schaufelfüße endgültig und tauchen erst im nächsten Jahr bei Regenwetter wieder auf.

In einigen Gebieten muß die Art Scaphiopus couchi sogar nahezu zwei Jahre eingegraben überstanden haben, als Regen so lange ausblieb. Die Tiere können den Stoffwechsel offenbar derart stark senken, daß die Fettreserven die vielen Monate ausreichten.

Es war nicht leicht, die Schaufelfüße in ihrem Quartier aufzustöbern. Zunächst gruben wir – erfolglos – nahe bei ausgetrockneten Tümpeln; selbst als wir Bulldozer einsetzten, um eine größere Fläche zu durchsuchen, fanden wir nichts. Doch dann erfuhren wir von einem Rancher, daß er mitunter beim Ausheben von Löchern für Zaunpfosten auf Frösche stieß, und zwar in Tiefen bis zu einem Meter. Wir hatten nicht erwartet, daß die Schlupflöcher um die 100 Meter von den trockengefallenen Pfützen entfernt lagen.

Jetzt konnten wir mehrere besiedelte Plätze ausmachen. An einem von ihnen holten wir zu den verschiedensten Jahreszeiten Tiere heraus, an denen wir untersuchten, wie sie in der Ruhephase ihre Körperflüssigkeiten regulieren. In Plasma- und Urinproben bestimmten wir den Gehalt an Elektrolyten und Harnstoff sowie die Gesamtkonzentration gelöster Stoffe, und wir maßen das Volumen von Urin in der Harnblase und den Feuchtigkeitsgehalt der Erde bei dem Loch.

Die Frösche behielten von September, wenn sie sich endgültig eingruben, bis in den März hinein in Plasma und Urin Konzentrationen, wie sie auch Froschlurche haben, die sich täglich im Wasser aufhalten. Die meisten speicherten noch im Frühjahr viel dünnen Urin in ihrer Harnblase – zwischen 25 und 50 Prozent des Körpergewichts. Der Boden um sie herum war recht feucht und das Wasser an die Krume so schwach gebunden, daß sie es osmotisch über die Haut aufnehmen, gewissermaßen aufsaugen konnten.

Kurz vor den ersten Regenfällen Ende Juni waren die Tiere immer noch in hervorragender Verfassung. Plasma und Urin enthielten nun aber Harnstoff in hoher Konzentration. Die Erde war inzwischen so trocken, daß sie normalerweise kein Wasser mehr abgegeben hätte – es sei denn, die Körperflüssigkeiten waren an gelösten Stoffen dermaßen hochkonzentriert, daß sie selbst diese hohen Bindekräfte noch überwanden.

Die osmotische Balance zwischen dem Saugdruck im Körper und dem im Boden gelingt den Schaufelfüßen, indem sie Harnstoff praktisch nach Bedarf bilden und in den Körperflüssigkeiten anreichern. Wie wir im Labor feststellten, erzeugt ihr Organismus in trockenerem Boden mehr als in feuchterem. Ähnlich verhält es sich bei Fröschen, die Brackwasser vertragen (an Meerwasser haben Frösche sich nirgends wirklich angepaßt): Denn durch den sich anreichernden Harnstoff werden die Körpersäfte konzentrierter als das umgebende Medium, so daß sie durch die Haut Wasser aufsaugen.

Anzug aus eigener Haut

In der Halbwüste des Gran Chaco, der sich von Argentinien nach Paraguay erstreckt, leben Südfrösche (Ceratophryiden), die sich in der Erde gegen Austrocknung einen maßgeschneiderten Kokon bauen. Nur in der Regenzeit im Sommer können sie Tümpel finden; später buddeln sie sich in den Schlamm ein, wo sie die kühle, an Wasser knappe Zeit durchstehen, auch ohne daß sich Harnstoff anreicherte.

Die Art Lepidobatrachus laevis ist in den warmen Monaten auffallend gefräßig und angriffslustig: Bei Bedrohung schreien die Tiere durchdringend und beißen. Die Guarani, die ansässigen Indianer, nennen sie kururú-chiní, "kreischende Kröten". Diese Frösche bleiben so lange wie möglich in ihren Tümpeln und graben sich erst flach in den schlammigen Boden, wenn das meiste Wasser verdunstet ist. Dort werden sie mit der Zeit von der austrocknenden Erde regelrecht einzementiert.

Währenddessen bilden sie aus vielen Schichten alter Haut einen Kokon (Kasten auf den Seiten 74 und 75, links unten). Die Kreischer sind allerdings nicht die einzigen Froschlurche, die sich bei Trockenheit eine Schutzhülle an- oder besser ausziehen. Von etlichen Arten in Australien, Afrika und Mexiko, die Trockenperioden gleichfalls in Erdlöchern überdauern, weiß man dies auch. Vermutlich hat sich diese Strategie mehrfach unabhängig entwickelt.

Alle Frösche und Kröten stoßen nämlich von Zeit zu Zeit die äußere Zellschicht der Haut ab, sobald darunter eine neue entstanden ist. Zur Kokonherstellung bleibt die alte, tote Hülle nur haften. Den Kreischern wächst sogar täglich eine weitere Lage nach, die dann mit den vorherigen durch getrockneten Schleim verklebt. Je dicker der Mantel aus flachen, abgestorbenen Zellen wird, desto weniger Wasser geht dem Frosch durch Verdunstung verloren.

Im Labor kann man das Verhalten provozieren, indem man die Tiere an einem ruhigen Ort in einer dunklen Kiste hält und ihnen kein Wasser gibt. Wie Zeitrafferaufnahmen zeigen, regt sich die Kröte nur so lange ein wenig, wie der Kokon noch dünn ist, und nach einigen Wochen überhaupt nicht mehr.

Der Panzer hindert Lepidobatrachus laevis aber nicht, bei einer Störung die entnervenden Schreie auszustoßen. Was wie eine Mumie aussieht, wird wieder munter, wenn man den Kokon etwas mit Wasser anfeuchtet. Dann stößt das Tier die nasse Hülle in einem Stück ab, streift sie mit den Beinen von hinten über den Kopf – und frißt sie auf.


Wasserfest gegen den Durst

Auf die vielleicht verblüffendste Anpassung von Fröschen an Trockenheit machte uns 1970 John P. Loveridge von der Universität von Rhodesien (dem heutigen Zimbabwe) in Harare aufmerksam. Er schickte uns nämlich einen Artikel über seine Experimente, wonach der afrikanische Graue Baumfrosch (Chiromantis xerampelina; Bild 2) überraschenderweise in offenen, trockenen Behältern sehr lange ohne Wasser zu überleben vermag. Die Tiere verlieren dabei wesentlich weniger an Gewicht als Frösche sonst, nur ungefähr so viel wie Eidechsen unter ähnlichen Bedingungen. Loveridge hatte außerdem ihren Urin eingedampft und herausgefunden, daß dessen Trockenmasse hauptsächlich aus Harnsäure bestand.

Diese Befunde widersprachen jeglichem Fachwissen. Bis dahin hatte als selbstverständlich gegolten, daß alle Frösche und Kröten erstens eine wasserdurchlässige Haut haben, allenfalls mit Ausnahme der sich eingrabenden, kokonbildenden Arten, und zweitens stickstoffhaltige Abbauprodukte des Stoffwechsels in Form von Harnstoff ausscheiden. Dieser sonderbare Frosch müßte eigentlich eine undurchdringliche Reptilienhaut haben und nicht dünnflüssigen Urin mit Harnstoff ausscheiden, sondern wie ein wüstenfestes Kriechtier dickflüssigen mit Harnsäure.

Wir hatten damals gerade angefangen, die Amphibienwelt des Gran Chaco zu ergründen, deren Vielseitigkeit beeindruckend war, und folgten dem Hinweis des Kollegen. Da gab es zum Beispiel einen Laubfrosch namens Phyllomedusa sauvagei, den Einheimischen als "grüner Frosch" bekannt (Bild 1). Er muß bei Trockenheit nicht wie andere Lurche arider Regionen ein unterirdisches Leben führen oder zumindest stets in Wassernähe bleiben, sondern sitzt dann weiter in den Bäumen, wo er sein Futter findet. Darin gleicht er dem Grauen Baumfrosch, und auch insofern, als er aktiv ist, wenn in Paraguay die Sommerregen noch nicht eingesetzt haben, denn auch Chiromantis ist während der Trockenzeit unterwegs. Deshalb wollten wir herausfinden, wie der grüne Frosch seinen Wasserhaushalt reguliert, insbesondere was ihm durch Verdunstung abgeht.

Die ersten groben Messungen im Labor brachten nichts für Amphibien Außergewöhnliches. Einige Wochen später aber gab eines der Tiere, mit dem wir gerade hantierten, plötzlich einen großen Klacks halbfesten Urins ab. Eine sofortige Untersuchung im Spektrophotometer offenbarte als dessen Hauptbestandteil Harnsäure.

Mittlerweile ist erwiesen, daß sowohl Phyllomedusa wie Chiromantis mit Hilfe der Exkretion dieser Substanz ihren Stickstoffhaushalt regeln. Beide scheiden die Stickstoffabfälle zu 80 Prozent als Harnsäure oder harnsaure Salze (Urate) ab. Zudem fallen dabei Natrium und Kalium mit aus; auch dies steigert die Exkretionsleistung der Nieren.

Die Eigenheit ermöglicht den Fröschen, selbst dann noch Nahrung aufzunehmen, wenn sie lange ohne Wasser auskommen müssen (Kasten auf Seite 76). Bei einzelnen Arten ist diese Anpassung offenbar verschieden stark ausgeprägt: Unser grüner Frosch vermag am Tag 230 Mikrogramm Harnsäure pro Gramm Körpergewicht zu bilden, die verwandte Art Phyllomedusa bicolor, die in tropischen Gebieten Brasiliens lebt, lediglich 40 (Kasten auf Seite 78).

Wir haben daraufhin neuerlich und diesmal akribisch mit viel Ausdauer gemessen, wieviel Flüssigkeit Phyllomedusa durch Verdunstung verliert. Heraus kam, daß auch dieser Frosch – wie Chiromantis – seinen Wasserverbrauch extrem drosseln kann, sofern ihm ermöglicht wird, zwischen Zweigen zu hocken und sich normal zu verhalten.

Manchmal beobachteten wir dann, wie die Tierchen sich nacheinander mit allen Vieren über den Körper rieben und danach wie Plastikfiguren aussahen (Bild 3 links). Tropfte man nun Wasser auf ihre Haut, perlte es von ihr ab wie von Wachs. Eine histologische Untersuchung ergab, daß die Frösche in der Haut viele winzige, bis dahin unbekannte Drüsen haben, die zwischen den bei Fröschen üblichen Schleim- und Giftdrüsen verteilt sind – etwa 30 pro Quadratmillimeter. Ihre Funktion war daran zu erkennen, daß sich in ihnen fettlösliche Farbstoffe leicht in Mengen einlagern (Bild 3 rechts). Inzwischen steht fest, daß die Drüsen sich jeweils gleichzeitig entleeren und der Frosch das Sekret dann sofort verteilt. Die wasserabweisende Hülle besteht aus einer heterogenen Mischung von Lipiden, hauptsächlich Wachsestern. (Auch viele Insekten und Pflanzen haben gegen Feuchtigkeitsverlust einen Wachsüberzug.)

Chiromantis allerdings hat keine solchen Drüsen. Noch wissen wir nicht, wie diese Art sich wasserdicht macht.


Schwitzende Amphibien

Als Anpassung an Hitze vermögen Phyllomedusa und Chiromantis auch ihre Körpertemperatur zu steuern. Erwärmt sich die Umgebungsluft, tun sie es zwar auch – aber nur bis etwa 40 Grad Celsius. Bei diesem Extremwert verharrt ihr Organismus, auch wenn es im Hochsommer mittags noch zwei bis vier Grad wärmer wird und Thermometer, die den Tieren nach Größe, Gestalt und Absorptionseigenschaften nachgebaut sind, sogar drei bis fünf Grad mehr anzeigen.

Diese erstaunliche Regulation mit Schwellenwert gelingt durch eine kontrollierte Verdunstung. Laborversuche haben erwiesen, daß die Frösche sich genau auf die Luftverhältnisse einstellen, wobei sie nicht nur einen weiten Bereich von Temperaturunterschieden ausgleichen, sondern auch noch die Windgeschwindigkeit und die relative Luftfeuchtigkeit berücksichtigen. Es scheint fast, als könnten sie schwitzen. Zumindest erkennt man unter dem Mikroskop, daß sich viele der über die Haut verteilten Drüsenkanäle periodisch entleeren; wir vermuten vorerst, daß dies Schleimdrüsen sind. Bei Chiromantis scheinen die Drüsen pharmakologischen Experimenten zufolge von sympathischen Nerven gesteuert, die beta-adrenerge Rezeptoren stimulieren.

Der Steuermechanismus ist eine Art Notfallsystem. Den größten Wasserbedarf haben die Frösche in der Phase kurz vor der Regenzeit. Weil sie erstaunlich große Hitze vertragen, sind es pro Jahr nicht sehr viele Tage, an denen sie sich kühlen müssen, und auch dann nur für einige Stunden des Mittags.

Sowohl Phyllomedusa wie Chiromantis können – wie andere Frösche – in der Harnblase sehr viel Wasser speichern. Zunächst gleichen sie damit die durch Verdunstung bedingten Flüssigkeitsverluste aus. Ist der Vorrat allerdings verbraucht, darf die Körpertemperatur sogar die übliche Grenze übersteigen. Indem der Organismus sich nicht weiter durch Verdunstung kühlt, scheint er sich davor zu schützen, auch noch das lebenswichtige Gewebewasser zu vermindern und dadurch auszutrocknen.

Zugleich reduzieren die Frösche die Sonneneinstrahlung. Phyllomedusa hat dafür anscheinend das Verhaltensprogramm, die meiste Zeit des Tages im Schatten zu bleiben. Doch Chiromantis sieht man auch in der prallen Sonne sitzen – unbeschadet offenbar deswegen, weil diese Art die Farbe wechseln kann: Ist sie sonst grau-bräunlich getarnt, wird sie nun weiß, so daß die Haut das Licht reflektiert (Bild 2).

Schließlich wollten wir noch wissen, ob Phyllomedusa in ihrer wasserdichten Hülle den leichten Regen nutzen kann, der in ihrem Lebensraum einem Guß oft vorausgeht. Wir tropften deshalb einem Tier Wasser auf den Kopf – es hob ihn und schien die Tropfen zu schlucken. Da aber Frösche bekanntlich nicht trinken, wiederholten wir das Experiment mit einer Lösung von Farben, die nicht durch die Haut oder die Schleimhaut dringen. Eindeutig gelangte die Flüssigkeit vom Schlund in die Speiseröhre und weiter in Magen und Dünndarm: Phyllomedusa ist unseres Wissens der einzige Frosch, der trinkt.


Schutz der Lebensräume

Das Studium von Amphibien in Wüsten und Halbwüsten hat unerwartete spezialisierte Formen des Landlebens aufgezeigt. Auch in anderen Klimaten verblüfft diese Tiergruppe immer wieder durch Vielseitigkeit und weitgehende Anpassungen (siehe auch "Beutelfrösche" von Eugenia del Pino und "Fortpflanzungsstrategien von Fröschen" von William E. Duellman, Spektrum der Wissenschaft, Juli 1989, Seite 86, und September 1992, Seite 64). Für die Herkunft der höheren Wirbeltiere ergeben sich dadurch neue Aspekte.

Trotz ihrer Vielseitigkeit – oder vielleicht gerade deswegen – schwinden die Amphibienpopulationen in vielen Regionen der Erde. Nicht wenige sind vom Aussterben bedroht, und dies beschränkt sich keineswegs auf bestimmte Habitate.

Teilweise ist der Rückgang direkt durch menschliche Eingriffe verursacht. So sind in Südkalifornien manche der Landstriche, wo bis vor kurzem noch Schaufelfüße vorkamen, jetzt Wohngebiete. Im Gran Chaco sind zur Brennholzgewinnung große Teile des Lebensraums von Phyllomedusa kahlgeschlagen worden. Ein übriges dürften die Luft- und die Wasserverschmutzung beitragen, das Einsetzen von Raubfischen in Gewässer und auch der Verzehr von Froschschenkeln.

Allerdings sind manche Maßnahmen des Menschen für die Frösche auch günstig. Daß im Südwesten Arizonas so viele Schaufelfüße vorkommen, ist vermutlich den Viehtränken zu verdanken, die ablaufendes Wasser bei starkem Regen auffangen. Für die Amphibien entstehen dabei ideale Laichplätze.

Aber Froschpopulationen schwinden selbst in geschützten und relativ ungestörten Gegenden. Selbst wenn natürliche Schwankungen mitspielen sollten, könnte dies doch auch ein Indiz dafür sein, daß die Umweltqualität weltweit fast unmerklich schlechter wird – etwa durch mehr Ultraviolett-Einstrahlung durch das Ausdünnen der stratosphärischen Ozonschicht. Womöglich sind gerade die Amphibien wegen ihrer komplexen Lebenszyklen und Spezialisierungen in der Fortpflanzung besonders empfindlich. Anscheinend vermögen die ans Wüstenleben angepaßten Arten sich gegen die anthropogenen Einflüsse auch nicht besser zu behaupten als die Spezies aus Feuchtgebieten. Sie können sich zwar die meiste Zeit des Jahres in der Erde verstecken; aber wenn sie herauskommen, müssen sie sowohl Futter als auch Wasserstellen für die Eiablage vorfinden. Dem läßt sich nur entgegenwirken, wenn man die vielen Lebensstrategien der Frösche und Kröten versteht und die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit ermessen kann – und zwar in all ihren Verbreitungsgebieten.

Literaturhinweise

- Behavior and Thermal Relations of the Arboreal Frog Phyllomedusa sauvagei. Von Lon L. McClanahan und Vaughan H. Shoemaker in: National Geographic Research, Band 3, Heft 1, Seiten 11 bis 21, Winter 1987.

– Physiological Ecology of Amphibians in Arid Environments. Von Vaughan H. Shoemaker in: Journal of Arid Environments, Band 2, Heft 14, Seiten 145 bis 153, März 1988.

– Exchange of Water, Ions, and Respiratory Gases in Terrestrial Amphibians. Von Vaughan H. Shoemaker mit Stanley S. Hillman, Stanley D. Hillyard, Donald C. Jackson, Lon L. McClanahan, Philip C. Withers und Mark L. Wygoda in: Environmental Physiology of the Amphibians. Herausgegeben von Martin E. Feder und Warren W. Burggren. University of Chicago Press, 1992.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 72
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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