Autismus: Gespür für Lebendiges
Haben Sie schon einmal in einer Wolke am Himmel oder in einem Fleck an der Wand ein Gesicht erkannt? Oder erschien Ihnen ein Gegenstand, etwa ein im Wind baumelndes Wäschestück, irgendwie lebendig, obwohl Sie natürlich wussten, dass das nicht stimmte? Unser Wahrnehmungsapparat reagiert hochsensibel auf Signale, die uns Belebtes zu erkennen helfen. Schließlich war es für unsere Vorfahren entscheidend, andere Wesen – ob Raub- oder Beutetiere, wohlgesinnte oder feindliche Artgenossen – zielsicher auszumachen und ihre Absichten zu entschlüsseln. Folglich entwickelte ihr Gehirn hoch spezialisierte Mechanismen, die es uns bis heute ermöglichen, Lebendiges rasch zu erkennen.
Manchmal, wie in den genannten Beispielen, schießen diese Mechanismen zwar über das Ziel hinaus. Doch weit gravierender ist es, wenn sie auf Grund einer Hirnverletzung oder einer angeborenen Entwicklungsstörung versagen.
Bereits in den 1970er Jahren erkundeten Wissenschaftler an der englischen University of Cambridge die Grundlagen des sozialen Gehirns. Die Forscher unter Leitung des Neurobiologen Gabriel Horn verwendeten dabei ein Modell aus dem Tierreich: die Prägung von Hühnerküken. Als Prägung bezeichnet man eine besondere Form des Lernens, die sich sehr gut an Enten oder Hühnern beobachten lässt. Die Nestflüchter bewegen sich schon kurz nach dem Schlüpfen selbstständig in der Umwelt, und das erste Objekt, dem sie dabei begegnen, wird im Gedächtnis als fester "Sozialpartner" gespeichert. Das muss freilich kein Artgenosse sein, sondern die Prägung kann auch einen Menschen und selbst irgendwelche unbelebten Objekte betreffen, wie Horns Experimente zeigten ...
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