Problemfall Biokorrosion: Für Biofilme gibt es kein Universalrezept
Weder High-Tech-Gläser für die Weltraumforschung noch historische Fenster in sakralen Bauwerken sind vor der Biokorrosion gefeit, letztere allerdings stärker davon betroffen.
Denn im Mittelalter hergestelltes Glas ist chemisch weniger stabil: Es enthält vergleichsweise wenig Festigkeit gebendes Siliziumdioxid, dafür aber viel Alkali- und Erd-alkali-Ionen sowie Übergangsmetalle (SdW, 7/1994, S. 102). Weiterhin gelangten färbende Übergangsmetalle wie Mangan und Eisen und zudem Stabilisatoren wie Calcium und Magnesium mit Sanden und Zuschlägen in die Glasmatrix. Mikroben können all diese Stoffe gut verwerten und leicht aus dem Siliziumnetzwerk herauslösen. Häufig finden sie auch noch kohlenstoffhaltige Nahrung vor: Überzüge aus pflanzlichen Ölen wie das Leinöl im Kitt, tierische Leime und Proteine aus früheren Restaurierungsversuchen, Staub- und Rußpartikel.
So bilden sich komplexe Matten aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen. Wie ein Schwamm speichern sie Wasser und Stoffwechselprodukte. Beides dringt über Risse in die empfindliche Gelschicht auf dem Glas ein, fördert deren Korrosion und bereitet gleichzeitig den Weg für weiteres Wachstum des Biofilms in die Tiefe und in die Höhe. Mikrobenbeläge auf stabileren moderneren Gläsern dehnen sich demgegenüber eher in einer Ebene aus, ohne eine ausgeprägte räumliche Struktur zu entwickeln.
Herkömmlich werden diese Biofilme mechanisch entfernt, die Oberfläche zuvor und anschließend mit Ethanol desinfiziert. Dieses Verfahren ist aufwendig, riskant für die Gelschicht und die keimtötende Wirkung oft unzureichend. Die im Beitrag beschriebene Reinigung mit einem Kryptonfluorid-Gaslaser scheint vielversprechend, denn ultraviolettes Licht wirkt bereits desinfizierend. Die Überreste der getöteten Organismen würden aber neuen Mikroben wieder eine Nahrungsquelle bieten. Ob es gelänge, sie abzutragen ohne Gel oder Grundglas zu beschädigen, haben wir an Modellgläsern untersucht. Die Biofilme unterschieden sich hinsichtlich der Zusammensetzung, Artenvielfalt und räumlichen Struktur so stark, dass eine allgemein gültige Schwelle der Energiedichte bis zum Abtrag nicht zu ermitteln war. Bei mittelalterlichen Gläsern waren aber mitunter so hohe Werte erforderlich, dass Gelschichten zu Schaden kamen.
Auch der Laser erfordert also erhebliche Sorgfalt und Vorbereitung. Im Unterschied zum mechanischen Abtrag aber lässt sich der Prozess laufend kontrollieren und den Erfordernissen des jeweiligen Glases anpassen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2000, Seite 89
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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