'Fundort unbekannt' - Ausstellung zur Plünderung archäologisch bedeutsamer Zeugnisse
In verheerendem Maße entziehen Schatzsucher und illegaler Antiquitätenhandel weltweit kulturelle Relikte der Wissenschaft und damit auch der Öffentlichkeit|; die Fundzusammenhänge werden dabei in aller Regel zerstört. Am Beispiel der südostitalienischen Region Apulien zeigt eine Photodokumentation den Mißstand der Raubgrabungen und des grauen Altertümermarktes auf. Derzeit ist die Wanderausstellung in der Antikensammlung Berlin zu sehen.
Antike Keramiken, Steinskulpturen und Metallgegenstände sind begehrter denn je. Zu den Sammlern, die ästhetisches und historisches Interesse zum Kauf motiviert, kommen immer mehr solche, die in Relikten früher Kulturen hauptsächlich wertstabile Anlageobjekte sehen.
Überreste aus der Antike haben jedoch vor allem Bedeutung als Zeugnisse für Epochen, aus denen nur relativ wenige schriftliche Quellen existieren. Jeder archäologische Fund – und das sind in den seltensten Fällen wirkliche Kunstwerke – ist ein kleines Dokument, das dem Altertumswissenschaftler hilft, einen Teil der Menschheitsgeschichte zu erhellen. Aus dem Kontext gerissene antike Dinge des alltäglichen Gebrauchs, Schmuckstücke, Bildwerke oder Kultgegenstände sind aber für die Rekonstruktion von kulturhistorischen Zusammenhängen wertlos.
Die Gesetzgebung fast aller Länder steht mittlerweile auf seiten der Forschung und verbietet unwissenschaftliche Ausgrabungen, auch um das jeweilige nationale Kulturerbe zu sichern; desgleichen ist der Handel mit antiken Gegenständen gesetzlich weitgehend reglementiert. Weil mithin das Angebot von Stücken, die vor Erlassen der Gesetze in Sammlungen geraten sind, relativ klein, die Nachfrage aber groß ist, werden in allen antikenreichen Ländern – besonders in den Mittelmeer-Anrainerstaaten Türkei, Griechenland, Zypern, Italien, Spanien und Portugal – illegale Ausgrabungen durchgeführt; der ebenso illegale Handel bedient vor allem antikenarme reiche Länder, also Deutschland, die Schweiz, die USA und Japan. Allerdings sind selbst dort, wo quasi professionelle Schatzsucherei nicht oder kaum lohnt, die noch im Boden liegenden Kulturrelikte bedroht – auch in Deutschland suchen zum Beispiel Hobbysammler von Münzen und Waffen das Umfeld bekannter archäologischer Fundplätze mit Metalldetektoren ab.
Die Ausstellung "Fundort: unbekannt" soll einer größeren Öffentlichkeit diese Problematik nahebringen. Es werden jedoch nicht nur die Raubgräber angeklagt, die als erstes Glied in der Kette die eigentlich zerstörende Arbeit machen, sondern auch der hehlerische Handel und die bedenkenlos eigensüchtigen Sammler sowie die Museen und Archäologen, die sich durch Ankäufe vom grauen Markt oder durch Gefälligkeitsexpertisen mitschuldig machen.
Als Beispiel wurde Apulien gewählt, weil aus dieser italienischen Region eine relativ gute Dokumentation der Raubgrabungen vorliegt und der Weg der dort geplünderten Objekte in den internationalen Kunstmarkt leicht nachvollziehbar ist. Photos, die Mitarbeiter der italienischen Denkmalbehörde gemacht haben, belegen die skrupellosen Methoden der zombaroli. Die italienischen Behörden sind gegen die Raubgräber weitgehend machtlos, denn in dem fast menschenleeren, flachen Ackerland Nordapuliens wäre ein Heer von Polizisten nötig, sie in flagranti zu ertappen. Zwar spüren die Beamten mitunter reichhaltige Verstecke auf (Bild); aber allein die Vielzahl apulischer antiker Vasen, die in den letzten Jahrzehnten im Kunsthandel und in Privatsammlungen weltweit aufgetaucht sind, belegt die Dimension der unerkannten Schmuggelei.
Neuerdings sucht man verstärkt am Ende der Kette anzusetzen, also bei den Privatsammlern, den Museen und den Feldforschern selbst, um die Nachfrage nach solchen Objekten zu verringern und damit den Raubgräbern und Kunsthändlern ihr Geschäft weniger attraktiv werden zu lassen. So sollen sich die Archäologen verpflichten, keine Gutachten über Objekte unbekannter Herkunft für den Handel zu erstellen, und die Museen keine Gegenstände mehr ankaufen, die nicht aus nachweisbar altem Sammlungsbesitz stammen. Eine solche Resolution haben 1988 einige Direktoren von wichtigen Antikenmuseen, darunter das British Museum in London und die Antikensammlung Berlin, veröffentlicht.
Die internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Raubgräberei und des illegalen Handels greifen freilich bisher erst wenig, weil vor allem die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 zwar von fast allen von Plünderungen betroffenen Staaten unterzeichnet wurde, nicht jedoch von den Kulturgut aufnehmenden Ländern mit Ausnahme der USA.
Die Dokumentation über Apulien haben Daniel Graepler von der Universität Heidelberg und Marina Mazzei von der Soprintendenza Taranto in enger Zusammenarbeit mit der Soprintendenza Archeologica della Puglia (dem Archäologischen Denkmalamt Apuliens) konzipiert. Als Wanderausstellung wird sie seit September 1993 in verschiedenen Städten Deutschlands und der Schweiz gezeigt (bisher in Münster, Zürich und Freiburg im Breisgau); sie ist nun im Milet-Saal des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel bis zum 30. Oktober zu sehen. Die archäologischen Kommissionen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der apulischen Denkmalbehörde haben diese aufklärerische Aktion unterstützt. Das Heft zur Ausstellung, eine ausführliche Bild-Text-Dokumentation, kostet im Museum 10 Mark.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1994, Seite 113
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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