Funktionelle neurologische Störung: Ansteckende Tics
Im Dezember 2020 bemerkt Lisa erste Zuckungen in ihrem Nacken und ihren Kiefermuskeln. Kurz darauf beginnt sie, unkontrolliert einzelne Silben und bald ganze Wörter von sich zu geben. Zwischen Weihnachten und Neujahr nehmen die Beschwerden so stark zu, dass sie Anfang Januar im Notfall-MRT untersucht wird. Der Hirnscan liefert jedoch keinen Hinweis darauf, was die Krankheit auslöst. Lisa leidet zu dem Zeitpunkt extrem unter den Symptomen. »Ich habe mich in meinem Körper so unwohl gefühlt. Ich habe Bewegungen gemacht, geredet, geflucht, und wusste nicht, woher das kommt«, erzählt die junge Frau.
Im Juni 2021 stellt ein Neurologe die Verdachtsdiagnose Tourette-Syndrom. Die Entwicklungsstörung bildet sich üblicherweise im Kindesalter aus und äußert sich in Form von vokalen und motorischen Tics (siehe »Was ist Tourette?«). Lisa ist zu diesem Zeitpunkt allerdings schon 25 Jahre alt. Sie will Gewissheit und wendet sich an eine Spezialklinik für Bewegungsstörungen. Was dort passiert, beschreibt sie als Schlüsselmoment. »Da wurde mir gesagt: Das ist kein Tourette. Du hast eine funktionelle Störung.«
Solche Störungen stecken hinter etwa einem Drittel der Beschwerden, wegen denen Menschen neurologische Sprechstunden aufsuchen. Die möglichen Symptome sind vielfältig: Neben Lähmungen, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel und Krampfanfällen können sie sich auch als Tics oder vergleichbare Bewegungen äußern. Normalerweise treten Letztere nur bei einem kleinen Teil der Patienten auf. Doch mit Beginn der Covid-19-Pandemie nahm ihre Häufigkeit schlagartig zu. Zahlreiche junge Menschen kamen in den vergangenen Monaten mit unwillkürlichen Zuckungen und Lautäußerungen in die neurologischen Kliniken und Praxen…
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