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Fußabdrücke


Jeder Strandwanderer kann anhand der vielen Fußspuren im Sand ersehen, daß vor ihm schon andere dort entlangspaziert sind. Eigentlich nichts besonderes, mag er denken. Doch eine Fährte ist stets ein Dokument über ein Geschehnis in der Vergangenheit – und eine sehr persönliche Hinterlassenschaft dazu, aus der man abzulesen vermag, ob der Mensch, der dort ging, erwachsen oder noch ein Kind war, ob er mit großen Schritten eilte oder gar rannte, ob er hinkte, verletzt oder altersbedingt schlurfte, ob er Schuhzeug trug und einen Stock brauchte, ob er eine optische Führung hatte und geradeaus lief oder ob er wie ein Wattwanderer fast ohne optisches Leitziel immer wieder seine Richtung korrigieren mußte.

Die meisten Fährten gerade im Strandbereich werden binnen kurzem von Wellen überspült oder vom Wind verblasen. Doch in tonigen oder kalkigen Schlammen, die nach dem Trocknen steinhart werden, können sie lange überdauern – mitunter sogar Jahrtausende. Demjenigen, der sie nicht nur sieht, sondern auch wahrnimmt, gewähren sie einen kurzen Einblick in das Leben eines unbekannten Individuums.

Prof. Dr. Reineck ist ehemaliger Leiter des Instituts für Meeresgeologie und -biologie (Senckenberg) in Wilhelmshaven.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1997, Seite 108
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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