Ägyptologie I: Geburt des Pharaonenstaats
Monumentale Bauten, prächtige Kunstschätze, ein selbst die Tagespolitik bestimmender Totenkult mit einem Gottkönig im Zentrum – das pharaonische Ägypten fasziniert das Abendland, seit französische Forscher und Ingenieure 1798 in Kairo das Institut d’Égypte gründeten. Sie waren im Tross eines französischen Heers unter Napoleon Bonaparte ins Land gekommen und dokumentierten die grandiosen Monumente einer in Europa vergessenen Hochkultur. In der Folge wetteiferten Archäologen darin, deren Geschichte zu ergründen. Dabei lag ihr Augenmerk zumeist auf den Errungenschaften der pharaonischen Zeit.
Doch eine Hochkultur entsteht nicht aus dem Nichts. Ein Amt wie das des Pharaos, der den Ägyptern als Garant weltlicher wie kosmischer Ordnung galt, setzt entsprechende Weltbilder und religiöse Vorstellungen voraus. Vermutete man zunächst den Vorderen Orient als Quelle all dieser Entwicklungen, gilt es inzwischen als sicher, dass die ägyptische Kultur etwa 3000 v. Chr. im Niltal selbst ihren Anfang nahm, als Landwirtschaft und Vorratshaltung eine immer stärker hierarchisch gegliederte Gesellschaft hervorbrachten.
Als Erster stieß der britische Archäologe William Flinders Petrie Ende des 19. Jahrhunderts auf Zeugnisse der ägyptischen Vorgeschichte. Nahe dem oberägyptischen Ort Naqada legte er mehrere tausend Gräber frei, die einen unter Altertumsforschern damals noch wenig bekannten Bestattungsbrauch belegten: Die Toten waren in Hockerhaltung beigesetzt worden, also in Seitenlage und mit eng an den Körper angewinkelten Knien; zudem hatte man ihnen offenbar Gefäße mit ins Grab gegeben.
Da zu diesem Zeitpunkt noch kein naturwissenschaftliches Verfahren zur Absolutdatierung existierte, die Keramiken aber in keine bereits bekannte Chronologie einzupassen waren, ließ sich nur eines mit Sicherheit sagen: Petrie hatte den Beweis für eine nichtpharaonische Kultur im Niltal entdeckt, die offenkundig Jenseitsvorstellungen und ein geordnetes Gemeinwesen entwickelt hatte. ...
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