Genetik: Die stillen Träger
Als Julia im Alter von 22 Jahren die Pille absetzte, kam ihre Periode nicht wieder. Ihr Arzt erklärte, dies sei nicht ungewöhnlich, doch auch Monate später blieb die Regelblutung aus, und sie litt immer wieder unter Hitzewallungen. Nach Messung der Hormonspiegel lautete die Diagnose: primäre Ovarialinsuffizienz – die junge Frau war in die Wechseljahre gekommen!
Der Hausarzt überwies Julia an einen Spezialisten für reproduktive Endokrinologie, der ihr erklärte, sie hätte nur eine zweiprozentige Chance, jemals Kinder zu bekommen. "Das war ein schwerer Schlag für mich", erzählt sie. Die Alleinstehende glaubte, Männer seien an Frauen, die keine Kinder bekommen können, nicht interessiert. "Ich versuchte daher, wenigstens äußerlich als perfekte Frau zu erscheinen. Denn ich hatte das Gefühl, ein wesentlicher Teil meiner Weiblichkeit sei mir genommen worden."
Etwa zu dieser Zeit bemerkte Julia auch, dass mit ihrem Vater David irgendetwas nicht stimmte. Erst kürzlich war er mit Anfang 60 in den Ruhestand gegangen und widmete sich nun ganz seinem langjährigen Hobby, dem Angeln. Doch in letzter Zeit zitterten dabei seine Hände. Auch bewegte er sich insgesamt langsamer. Diese Veränderungen vollzogen sich schleichend und wären ohne Julias Zyklusstörung wohl kaum bemerkt worden. Denn als ihr Endokrinologe mit einem Gentest nach der Ursache hierfür suchte, fand sich nicht nur eine Erklärung für ihre Unfruchtbarkeit, sondern auch für Davids Bewegungsstörungen: Tochter und Vater sind Träger eines fragilen X-Chromosoms.
Diese Veränderung des X-Chromosoms erhöht das Risiko, ein Kind mit dem so genannten fragilen X-Syndrom (FraX) zu bekommen – einer Erbkrankheit, die mit Autismus und verminderter Intelligenz einhergehen kann ...
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