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Geschichte der Weltausstellungen.

Campus, Frankfurt am Main 1999. 303 Seiten, DM 58,–.


Der Eiffelturm, Wahrzeichen der Pariser Weltausstellung 1889, war vor seiner Errichtung heftig umstritten. Kulturschaffende wie der Schriftsteller Guy de Maupassant und der Komponist Charles Gounod nannten ihn "eine widerwärtige Säule aus verschraubtem Blech", welche die Stadt entehre. Das geniale Bauwerk trägt seinen Namen überdies zu Unrecht. Die Idee stammt nicht von Gustave Eiffel, sondern von seinen Ingenieuren Maurice Koechlin und Emile Nouguier; der Architekt S. Sauvestre gab dem Turm die Gestalt. Doch der geschäftstüchtige Unternehmer erwarb das Eigentum am Patent, kassierte die Eintrittsgelder und heimste den Ruhm ein.

Solche Randbemerkungen machen die 150 Jahre umspannende Chronik interessant und lesenswert. Winfried Kretschmer, studierter Politologe und freier Journalist, befaßt sich seit 1995 mit Themen rund um die Expo 2000, die am 1. Juni ihre Pforten öffnet. Für das vorliegende Buch hat er umfangreiches Quellenmaterial zusammengetragen.

In einer Zeit trügerischen Friedens, am 1. Mai 1851, fand die erste dieser Messen im Londoner Hyde Park statt. Ihr hehres Ziel: Zeugnis des Entwicklungsstandes der Menschheit abzugeben und der Völkerverständigung zu dienen. Das zweite Ziel wurde nicht ganz so feierlich verkündet: die Bedeutung Großbritanniens als Mutterland der industriellen Revolution zu unterstreichen.

Dieser Widerspruch zwischen kosmopolitischem Gehabe und Rivalität, so zeigt der Autor, hat die Weltausstellungen von Anbeginn geprägt. Auf der einen Seite wurden kulturelle und wissenschaftliche Errungenschaften zur Schau gestellt, auf der anderen wetteiferten die Großindustrien der beteiligten Nationen – und die Ideologien. Allein in den immer größer werdenden Ausstellungsgeländen und -gebäuden spiegelte sich das zwanghafte Bedürfnis, den jeweiligen Vorgänger in den Schatten zu stellen, ungeachtet der häufig unsicheren Finanzierung. Daß nicht nur der Intellekt angesprochen werden sollte, belegen die immer mehr ausufernden Vergnügungsparks und Restaurationszonen.

Kretschmer vertraut seinen Tabellen am Ende des Buches wohl nicht genug, denn immer wieder unterbricht er den Lesefluß mit der detaillierten Beschreibung derselben Variablen: wie groß das Gelände war, die anfangs obligatorische Maschinenhalle, später die Vergnügungsmeile. In der getreuen Verfolgung dieser Statistik sehe ich den einzigen Mangel dieses Buches.

Gründerzeit, Arbeiterbewegung, Kolonialismus, Konzernbildung – jede Weltausstellung spiegelte die Themen ihrer Zeit. Manche ergingen sich im sorgsam aufpolierten Glanz der Vergangenheit, andere suchten Visionen für die Zukunft. Der Zweite Weltkrieg und die industrielle Vernichtung von Menschenleben in den Lagern der Nazis, so Kretschmer, hatten dem blinden Glauben an den Fortschritt einen heftigen Dämpfer verliehen und den Grundgedanken jeder Weltausstellung – die Völkerverbindung – in Frage gestellt. Doch gerade in der Zeit des Kalten Krieges verstanden sich diese Mammutmessen als Präsentierteller einer neuen Heilslehre: Wissenschaft und Technik sollten im Verein die Probleme der Menschheit lösen. Die Verheißungen für eine goldene Zukunft hießen nun Atomspaltung und Raumfahrt.

Durch spektakuläres Versagen der Technik wie beim Kernreaktorunfall von Tschernobyl oder der Challenger-Katastrophe, vor allem aber durch das wachsende Bewußtsein von der Begrenztheit der natürlichen Umwelt ist der Glanz dieser Heilslehre schon wieder verblaßt. Als General Motors in New York 1964 ein Futurama – eine Art frühe Multimedia-Show – präsentierte, in dem eine gigantische Maschine einen Regenwald fraß, um gleichzeitig eine Straße abzusondern, war der Höhepunkt der Fortschrittsgläubigkeit schon überschritten.

Die Expo 2000 in Hannover ist die erste Weltausstellung in Deutschland überhaupt. Und noch etwas ist erstmalig: Das Motto "Mensch, Natur, Technik" thematisiert die Probleme unserer Zeit und sucht nach einer Standortbestimmung der Menschheit am Anfang eines neuen Jahrtausends. Wird es den Veranstaltern gelingen, das Ruder herumzureißen und diesem Ausstellungstypus wieder Sinn zu geben? Kretschmer äußert Zweifel: "Der Themenpark, einst ambitioniertes Vorzeigeprojekt, … wurde am Ende quadratmeterweise an Wirtschaftsunternehmen verkauft." Geld vom Staat gab es nur bei Beteiligung der Industrie. Und die zeigte wenig Interesse an einer Weltausstellung, die letztlich nicht der Produktwerbung dient, sondern vielmehr die eigene Rolle hinterfragt.

Ob also die Expo 2000 mehr bieten wird als neue GrößenSuperlative und multimediales Spektakel, bleibt vorläufig offen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2000, Seite 104
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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