Visueller Homunkulus: Der Porträtist im Kopf
Kennen Sie das? Im Vorbeigehen sehen Sie eine Person – und sofort wissen Sie: Die kenn ich! Aber warum guckt sie so grimmig?
Die Fähigkeit, menschliche Gesichter zu erkennen und deren Mimik zu deuten, ist eine wichtige Voraussetzung für ein gelungenes soziales Miteinander. Schon ein flüchtiger Blick in das Antlitz des Gegenübers genügt, um sich ein Bild von der Person zu machen und das weitere Verhalten danach auszurichten.
Dabei arbeitet die neuronale Maschinerie der Gesichtserkennung so schnell, dass wir bereits nach wenigen Sekundenbruchteilen entscheiden, ob uns jemand bekannt vorkommt. Selbst wenn wir uns nicht sofort daran erinnern, woher wir die Person kennen, entsteht das vage Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben. Sogar Babys reagieren bereits kurz nach der Geburt deutlich stärker auf gesichtsähnliche Muster als auf andere, vergleichbar komplexe visuelle Reize.
Aber was genau passiert in unserem Gehirn, wenn wir ein Gesicht betrachten? 1997 entdeckte die Kognitionswissenschaftlerin Nancy Kanwisher vom Massachusetts Institute of Technology eine Hirnregion, die im Kernspintomografen immer dann aktiv wurde, wenn die Probanden ein Gesicht sahen: das fusiforme Gesichtsareal (FFA von englisch: fusiform face area). Bei Bildern anderer Objekte dagegen blieb das Areal im Schläfenlappen stumm. Wenig später fanden Forscher zwei weitere Bereiche, die ähnlich reagieren, das okzipitale Gesichtsareal (OFA von englisch: occipital face area) am Übergang vom Hinterhaupts- zum Schläfenlappen und den superioren temporalen Sulcus (STS). Offenbar stehen die drei Hirnregionen in engem Austausch miteinander und interpretieren verschiedene Merkmale eines Gesichts, um die Person zu identifizieren und ihre Mimik zu deuten (siehe »Blickwechsel«, S. 48). ...
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