Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Persönlichkeit: Ego am Limit

Menschen mit einem ­ausgeprägten Selbstwertgefühl unterscheiden sich grundlegend von krankhaften Narzissten.
Präsident Trump hält eine Rede vor seinen Unterstützern.

Sich selbst zu mögen, ist äußerst nützlich. Wer ein positives Bild von sich hat, nimmt sich als wertvoll wahr, akzeptiert sich so, wie er ist, und führt liebevolle Beziehungen (mehr dazu im Artikel ab S. 12). Doch was ist mit denen, deren Selbstwertgefühl anscheinend aus allen Nähten platzt, die sich selbst für den Größten halten und niemand Ebenbürtigen neben sich dulden? Kurz: Wann schlägt ein gesunder Selbstwert in schädlichen Narzissmus um?

Narzissmus ist seit einigen Jahren in aller Munde. Nicht nur Personen des öffentlichen Lebens wie US-Präsident Donald Trump, Rapper Kanye West oder Pop­ikone Madonna wird er attestiert – mitunter gelten sogar ganze Generationen als egoman. Was genau damit gemeint ist, bleibt allerdings meist im Dunkeln. Narzissmus ist ein vieldeutiger Begriff, sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im klinisch-psychiatrischen Alltag. Umgangssprachlich wird jemand, der egoistisch, eitel und selbstverliebt wirkt, schnell abschätzig als Narzisst tituliert. In der Persönlichkeitspsychologie gilt Narzissmus dagegen zunächst als ein Merkmal, das in der Bevölkerung ähnlich wie Körpergröße oder Intelligenz normalverteilt ist. Die meisten Menschen liegen im Mittelfeld, extrem hohe und extrem niedrige Ausprägungen kommen selten vor.

Der gängigste psychologische Narzissmus-Fragebogen erfasst drei Hauptkennzeichen: Autoritätsanspruch und Führungsdenken ("Ich bin ein geborener Anführer"), Hang zur Selbstdarstellung ("Ich stehe gerne im Mittelpunkt") und ausbeuterisches Verhalten ("Es fällt mir leicht, andere zu manipulieren").

Narzisstische Charakterzüge sind nicht automatisch ein Problem, erklärt der Psychiater und Chefarzt am Krankenhaus Maria Ebene in Vorarlberg, Reinhard ­Haller: "Moderat narzisstische Menschen sind häufig begeis­terungsfähig, handlungsorientiert und können sich gut durchsetzen." Auf die Dosis kommt es also an. Das untermauert eine 2015 erschienene Metaanalyse zahlreicher Studien zum Zusammenhang zwischen Narzissmus und Karriere. Die Forscher um Emily Grijalva von der State University of New York at Buffalo bestätigten die verbreitete Annahme, dass Narzissten eher auf dem Chefsessel landen. Dass sie dort dann auch eine gute ­Figur abgeben, zeigten die Daten jedoch nicht. Aus­gesprochen narzisstische Führungskräfte wurden von Vorgesetzten und Mitarbeitern sogar ebenso schlecht bewertet wie besonders uneitle. Im Beruf scheint ein mittleres Maß an Narzissmus optimal zu sein ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Sucht - Abhängigkeit im Alltag

Eine Sucht entsteht nicht nur bei harten Drogen. Unterschiedlichste Mittel und sogar Verhaltensweisen können abhängig machen. Hierzu zählen das Online-Glücksspiel, Sport und auch die sozialen Medien. Bei der Abhängigkeit von Alkohol gibt es neue Therapieansätze, die aus der Sucht helfen sollen.

Spektrum Psychologie – Affirmationen – Die Macht der Selbstbestätigung

Richtig angewendet streicheln Selbstaffirmationen wie »Ich bin wertvoll« die Seele und beeinflussen das Verhalten von Menschen positiv. Doch die Mantras haben auch Schattenseiten. Außerdem in dieser Ausgabe: das rätselhafte Stockholm-Syndrom und die Vorteile der Ambiversion.

Spektrum Kompakt – Die Dunkle Triade - Das Böse in uns

Nicht selten sind sie die Schurken: In Filmen und True-Crime-Podcasts faszinieren Narzissten, Psychopathen und Machiavellisten mit ihrer Skrupel- und Reuelosigkeit. Doch ist die Dunkle Triade nicht nur Erzählungen vorbehalten. Mal stärker und mal schwächer ist sie in jedem von uns ausgeprägt.

  • Quellen

Ackerman, R. A. et al.: What Does the Narcissistic Personality Inventory Really Measure?In: Assessment 18, S. 67-87, 2011

American Psychiatric Association: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Hogrefe, Göttingen 2015

Dammann, G. et al. (Hg.): Narzissmus: Theorie, Diagnostik, Therapie. Kohlhammer, Stuttgart 2012

Geukes, K. et al.: Puffed-Up But Shaky Selves: State Self-Esteem Level and Variability in Narcissists. In: Journal of Personality and Social Psychology: Personality Processes and Individual Differences, in press, 2016

Grijalva, E. et al.: Narcissism and Leadership: A Meta‐Analytic Review of Linear and Nonlinear Relationships. In: Personnel Psychology 68, S. 1-47, 2015

Leckelt, M. et al.: Behavioral Processes Underlying the Decline of Narcissists’ Popularity over Time. In: Journal of Personality and Social Psychology 109 S. 856-871, 2015

Miller, J. D. (Hg.): The Handbook of Narcissism and Narcissistic Personality Disorder. Theoretical Approaches, Empirical Findings, and Treatments. Wiley, Hoboken 2011

Millon, T.: Disorders of Personality: DSM-III Axis II. John Wiley & Sons, New York 1981

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.