Gesundheitstips vom Informationskiosk
Der schnelle Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft und die tiefgreifende Umgestaltung des Gesundheits- und Sozialwesens in Deutschland gaben den Anstoß für das "Bürgerberatungssystem Gesundheit", das unter der Leitung des Autors entwickelt wurde. Es ist ein modernes mehrsprachiges Informationssystem, das sich vor allem an Laien auf dem Gebiete der Gesundheit wendet. Computerkenntnisse sind zur Bedienung nicht erforderlich. Gefördert wurde das Vorhaben durch die Europäische Kommission im Rahmen des Telematik-Programms und durch das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt.
Umfragen haben gezeigt, daß der Anbruch des Informationszeitalters und die Reformen im Gesundheitswesen die Menschen verunsichern. Viele fühlen sich überfordert und fürchten sich bereits vor dem sozialen Abseits. Die fortschreitende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens belastet vor allem ältere Bürger und stört auch das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt. Hier ist Hilfe nötig, vor allem durch objektive, verständliche Informationen und möglichst individuellen Rat. Zudem erkennen immer mehr Menschen, daß sie für ihre Gesundheit selbst verantwortlich sind. Ärzte sind daher für sie heute in erster Linie Anwalt, Berater und Dienstleister zugleich.
Allgemein werden die Menschen heute wesentlich älter als früher, nicht zuletzt auch durch den zunehmenden Einsatz neuer Techniken und Technologien in Krankenhäusern und Arztpraxen. Einerseits verbessert die hochwertige medizinische Gerätetechnik die Lebensqualität, andererseits nimmt der Anteil von Alters-Behinderten und chronisch Kranken in der Gesellschaft zu. Dies wiederum erfordert entsprechende Hilfen für die betroffenen Menschen. Hier setzt das neue Bürger-Informationssystem an. Der entwickelte Prototyp kann in einem Informationskiosk, aber auch auf einem multimediafähigen Personalcomputer sowie im Internet und Intranet verwendet werden.
Ein derartiger Kiosk läßt sich auch vom Rollstuhl aus benutzen, ältere Menschen können sich bei der Bedienung – falls erforderlich – aufstützen. Die Systeme reagieren auf Berührung eines Touchpanels mit dem Finger. Darunter befindet sich ein Bildschirm, dessen Daten auch über einen Drucker ausgegeben werden können. Der Umgang erfordert, wie bereits erwähnt, keine Computerkenntnisse, da dem Nutzer die einzelnen Angebote schrittweise präsentiert werden. Alle diese Aktionen werden im System gespeichert und von den am Projekt beteiligten Wissenschaftlern statistisch ausgewertet.
Getestet wurde der Prototyp zum Beispiel über mehrere Monate in der Kundenhalle der Allgemeinen Ortskrankenkasse Magdeburg, im Eingangsbereich des Klinikums "Christiane Dorothea Erxleben" in Quedlinburg – einem Lehrkrankenhaus der Otto-von-Guericke-Universität – und an der Fachhochschule Magdeburg. Dabei zeigte sich, daß die Nutzer völlig unterschiedliche Bedürfnisse hatten – je nachdem, ob sie als Patienten Rat suchten oder als Bürger Auskünfte über das Gesundheitssystem wünschten. Hier wird deutlich, wie groß die Datenbasis eines solchen Systems sein muß. Je nach Problemlage der Patienten schwankt zudem die Art der gewünschten Informationen. Einige erwarten nur einen groben Überblick über ein weites Themenfeld, andere suchen nach Antworten auf Detailfragen. Über sogenannte Zeiger sind darum alle Inhalte miteinander vernetzt. Häufig werden auch Quellen und Bearbeiter der angebotenen Daten erfragt, um die Gewißheit zu haben, daß keine kommerziellen Interessen im Spiel sind.
Bei der Entwicklung der Inhalte des Prototyps mußte berücksichtigt werden, daß ein Teil der Bevölkerung wenig Erfahrung hat, mit Symbolen umzugehen: Besondere Schwierigkeiten bereiten geschriebene Wörter und Zahlen, wie die Testergebnisse zeigten. Analysen des Statistischen Bundesamtes weisen in die gleiche Richtung. So hatten noch 1997 zwischen 15 und 19 Prozent der Erwerbstätigen keinen beruflichen Abschluß. Oft kommen Sprachschwierigkeiten hinzu. Multimediale Darstellungen von Problemen und Zusammenhängen können aber auch solchen Menschen weiterhelfen.
Gespräche mit Nutzern des Informationssystems machten deutlich, wie wichtig es für sie ist, sich einerseits anonym und andererseits möglichst direkt informieren zu können. Das hat verschiedene Gründe: Viele Patienten wissen häufig nicht, wie sie sich gegenüber ihrem Arzt äußern sollen. Zudem haben sie Angst, zuviel von sich selbst preiszugeben. Häufig verstehen sie auch nicht auf Anhieb die Erklärungen und Hinweise des Arztes und wollen diese deshalb möglichst noch einmal hören oder lesen. Dies gilt übrigens nicht nur für ältere Patienten. Damit zeichnet sich ab, daß das entwickelte Bürger-Informationssystem auch in Arztpraxen hilfreich sein kann und dort vielleicht schon bald Einzug halten wird.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1999, Seite 923
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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