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Neue Optionen für ein Leben nach dem Tode: Glosse: Ein Diamant ist unvergänglich



Ich habe es nicht genau nachgerechnet, aber irgendwann in den letzten Monaten war die Hälfte der mir statistisch zustehenden Lebenserwartung verstrichen. Nicht dass ich daraus jetzt eine Krise machen will, aber es ist vielleicht ein passender Zeitpunkt, darüber nachzudenken, was wird, wenn der oberste Schiedsrichter auch die zweite Halbzeit abpfeift. Da kam mir ein Artikel in der britischen Presse gerade recht, der vermeldete, dass eine amerikanische Firma neuerdings die Asche Verstorbener in Diamanten verwandelt. Für einen einkarätigen Klunker soll der Preis bei schlappen 22000 Dollar liegen. Im Hinblick auf langfristige Haltbarkeit ist diese Form der Unsterblichkeit natürlich kaum zu überbieten. Zwar ginge dabei der gesamte Informationsgehalt meines Biomaterials zusammen mit dem Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel durch den Schornstein, aber zumindest meine Kohlenstoffatome (oder ein Teil von ihnen, je nach Kassenstand) blieben der Nachwelt erhalten. Wahrscheinlich würde mein so komprimierter Körper noch funkeln, wenn sich meine gesamten gedruckten Gedanken bereits in Kohlendioxid verwandelt haben. Der Haken an der Sache ist natürlich, dass meine sterblichen Überreste in Diamantform genauso aussehen werden wie die eines jeden x-beliebigen anderen Kunden der Firma LifeGem. Von der Möglichkeit der Verwechslung ganz abgesehen, steht diese posthume Uniformität in eklatantem Widerspruch zu dem Individualismus, dem ich zu Lebzeiten stets gehuldigt habe.

Also sollte ich vielleicht doch eine etwas vollständigere Konservierung ins Auge fassen. Auch kein Problem: In Scottsdale (Arizona) gibt es die Alcor Life Extension Foundation, die Frischverstorbene in flüssigem Stickstoff einfriert – mit dem Versprechen, sie wiederzubeleben, sobald die Fortschritte der Medizin das ermöglichen. (Und sollte jemals das dringende Bedürfnis nach einer Klonkopie von mir auftauchen, fände sich in meinem tiefgefrorenen Körper genug DNA für zahllose Versuche.) Das Dumme ist nur, dass ich die Firma nicht verklagen kann, wenn sie das Versprechen nicht hält, denn dann lagere ich immer noch mausetot im Tiefkühltank. Und was passiert, wenn Alcor pleite macht und keiner mehr da ist, Flüssigstickstoff nachzufüllen? Nicht auszudenken. Da wende ich mich doch lieber an Gunther von Hagens. Der Heidelberger Anatomieprofessor braucht meine Körperflüssigkeiten nur gegen seine Plastiklösung auszutauschen, und schon kann ich in ganzer Schönheit weiterhin der Wissenschaftsvermittlung dienen, so wie die Herrschaften in der »Körperwelten«-Ausstellung. Mit meinem Hirn in der Hand oder Herz in der Hose, wie auch immer. Doch halt, der Herr Professor ist ja viel älter als ich, wer weiß ob sein Service noch zur Verfügung steht, wenn ich ihn brauche. Aber vielleicht wird ja dereinst die Plastination bei jedem besseren Bestattungsunternehmen angeboten. Und dann gibts noch die traditionellen Optionen. Ich kann mich Bodenbakterien und Maden als Festschmaus andienen, bis nur noch meine Knochen in der Erde herumliegen. Oder mich verbrennen und die Asche im Garten/auf hoher See/ im Weltraum verstreuen lassen (Nichtzutreffendes bitte streichen). Das eine oder andere Organ mag vielleicht noch jemand anderem nützen. Aber irgendwie ist das alles nicht so recht befriedigend. Ich glaube, ich bleibe doch bei der Diamant-Option und fange schon mal an zu sparen, damit es auch für ein Steinchen von sichtbarer Größe reicht. Vielleicht lässt sich ja im Zentrum des Brillanten etwas von meiner DNA unterbringen, damit ich in meiner zweiten Existenz nicht gar so verwechselbar dastehe. In der Hinsicht bin ich nämlich empfindlich.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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