Photonische Kristalle: Halbleiter für Lichtstrahlen
Speziell strukturierte Materialien blockieren einen bestimmten Bereich von Lichtwellenlängen. Solche "optischen Halbleiter" versprechen vielfältige Anwendungen für Glasfasern, winzige Laser und optoelektronische Schaltkreise.
Das war nun schon der zweite entmutigende Telefonanruf: Noch eine Theoretikergruppe teilte mir mit, meine Entdeckung funktioniere nicht. Drei Jahre lang hatte ich un-zählige Entwürfe ausprobiert, bis ich meinte, das Richtige gefunden zu haben. Aber wenn die Theoretiker Recht hatten, musste ich zurück ins Labor und weitersuchen. Oder vielleicht gab es das, was mir vorschwebte, gar nicht: eine künstliche Kristallstruktur, die Lichtstrahlen so manipuliert wie Halbleiter den elektrischen Strom.
Elektronische Halbleiter sind bekanntlich als Herzstück von Computern und anderen Geräten im modernen Alltag allgegenwärtig. Halbleiter für Licht könnten die Umwälzungen in Telekommunikation und Informationstechnologie weiter vorantreiben – durch bessere Lichtwellenleiter, winzige Laser und integrierte photonische Schaltkreise, die vielleicht eines Tages die heute üblichen Mikrochips verdrängen werden.
In der Tat hat sich die Erforschung der photonischen Kristalle – nach schwierigen Anfängen in den achtziger Jahren und anfänglich großer Skepsis der Experten – als äußerst zukunftsträchtig erwiesen. Wie ich betreiben nun Wissenschaftler in aller Welt Firmen, die kommerzielle Anwendungen entwickeln. Die Skeptiker mussten einsehen, dass es möglich ist, für Licht die optische Entsprechung der so genannten Bandlücke in Halbleitern zu erzeugen.
Eine elektronische Bandlücke ist eine Art Sperrgebiet für Elektronen – ein schmaler Energiebereich, in dem sie sich nicht aufhalten dürfen. Falls die Elektronen im Halbleiter alle verfügbaren Energieniveaus unterhalb der Bandlücke auffüllen, kann kein Strom fließen, da kein Elektron einen freien Platz findet, an den es sich bewegen könnte – und ein Elektron über die Bandlücke zu heben, kostet eine Menge Energie. Doch falls ein paar überzählige Elektronen vorhanden sind, müssen sie automatisch Energien oberhalb der Bandlücke besetzen; dort können sie praktisch ungehemmt durch die weiten Räume unbesetzter Energie-niveaus wandern. Umgekehrt ermöglicht auch ein Elektronendefizit unterhalb der Bandlücke das Fließen von Strom in Form positiv geladener "Löcher".
Halbleiter eignen sich deshalb so hervorragend für Schaltkreise und logische Funktionen, weil sich die Anzahl der Elektronen und Löcher ober- oder unterhalb der Bandlücke in weiten Grenzen variieren lässt. Das geschieht durch so genanntes Dotieren: Die Ingenieure beeinflussen die Dichte von Elektronen oder Löchern – und somit die Eigenschaften des Halbleiters –, indem sie unterschiedliche Fremdatome in den Halbleiterkristall einbringen.
Grundsätzlich entsteht eine Band-lücke mit ihren spezifischen Eigenschaften nur bei entsprechender Kristallstruktur – das heißt nur, wenn die Atome ein Gitter mit einer bestimmten Form und passenden Abständen bilden. In Siliziumkristallen und anderen Halbleitern liegen benachbarte Atome etwa ein viertel Nanometer (millionstel Millimeter) auseinander. Damit ein optisches Material eine photonische Bandlücke aufweist, muss es künstlich eine ähnliche, allerdings gröbere Gitterstruktur erhalten. Ein typisches Beispiel wären Blöcke aus speziellem Glas mit einem engen Muster feinster Bohrlöcher – jedes zylindrische Loch mit nur 400 Nanometern Durchmesser. Die Löcher entsprechen den Atomen im gewöhnlichen Halbleiter. In der Regel müssen die Lochabstände etwa so groß sein wie die Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung, die manipuliert werden soll. Sichtbares Licht hat Wellenlängen von 400 bis 700 Nanometer; die meisten Mobiltelefone verwenden Wellen von rund 35 Zentimetern.
Lücke durch Löcher
Das in das löcherige Material eindringende Licht wird an den abertausend Grenzflächen zwischen Luft und Glas gebrochen und teilweise reflektiert. Dadurch entsteht ein komplexes Muster von Lichtstrahlen, die einander überlagern und – je nach Wellenlänge, Ausbreitungsrichtung im Kristall, Brechungsindex des Glases und Lochmuster – verstärken oder auslöschen. Bei kompletter Auslöschung eines schmalen Wellenlängenbereichs in allen Richtungen entspricht dieses "Band" von Wellenlängen der Bandlücke für Elektronen in einem Halbleiter: Der Kristall ist für dieses Wellenlängenband undurchlässig. Wird die Struktur der photonischen Bandlücke verändert – beispielsweise durch Füllen einiger Löcher –, so entstehen andere Effekte, ähnlich wie beim Dotieren elektronischer Halbleiter. Oft stellt man photonische Kristalle aus Halbleitermaterial her; dadurch bekommt der Kristall zur elektronischen zusätzlich eine optische Bandlücke.
Die Suche nach optischen Halbleitern begann 1987 ziemlich unspektakulär damit, dass Sajeev John, damals an der Universität Princeton, und ich, damals bei Bell Communications Research in New Jersey, einander kennen lernten. Ich versuchte gerade, den Wirkungsgrad von Telekommunikations-Lasern zu steigern. Deren Stromverbrauch wurde größtenteils für spontane Lichtemission verschwendet, und die photonische Bandlücke versprach Abhilfe: Wenn die Atome zu einem Material gehören, das Licht einer bestimmten Wellenlänge nicht durchlässt, können sie dieses Licht auch nicht spontan emittieren.
John hingegen trieb reine Grundlagenforschung. Er wollte mit der photonischen Bandlücke die so genannte Licht-Lokalisierung zu Wege bringen. In der Elektronik heißt der entsprechende Effekt Elektronen-Lokalisierung und ist ein Quantenphänomen in amorphen Halbleitern: Die ungeordnete Struktur des Materials stoppt – "lokalisiert" – Elektronen an festen Orten und unterbricht dadurch den Stromfluss.
John und ich einigten uns rasch auf die Terminologie "photonische Bandlücke" und "photonischer Kristall". Ich kehrte wohlgemut in mein Labor zurück und glaubte, in wenigen Monaten ein funktionierendes Modell schaffen zu können.
Da das Prinzip der Bandlücke für elektromagnetische Strahlung jeder Wellenlänge gilt, wollte ich zunächst Strukturmodelle mit relativ großem Gitterabstand produzieren und sie dann mit der dazu passenden elektromagnetischen Wellenlänge testen. Also ging ich in eine Werkstatt und erzeugte mit einem Bohrer regelmäßige Muster in Platten aus dielektrischem, das heißt elektrisch isolierendem Material. Die Struktur dieses künstlichen "Kristalls" stand mir völlig frei – die Frage war nur: Welche Struktur verursacht eine photonische Bandlücke?
Bei elektronischen Halbleiterkristallen entsteht die Bandlücke, weil die Elektronen sich quantenmechanisch betrachtet wie eine Welle verhalten, die an den Atomen einer Gitterreihe oder Kristallschicht gestreut wird. Ein Teil der Welle wird rückwärts gestreut, und wenn die Wellenlänge ungefähr dem Abstand der Kristallschichten entspricht, überlagern sich die rückgestreuten Wellen kohärent und verstärken einander. Im Ergebnis wird die Elektronenwelle komplett reflektiert – wie Licht von einem Spiegel. Damit man von einer echten Bandlücke sprechen kann, muss diese Reflexion über einen gewissen Wellenlängenbereich auftreten – und für beliebige Fortpflanzungsrichtung im Kristall.
Diamant als Überraschungsgeschenk
Eine elektromagnetische Bandlücke lässt sich nicht durch einfaches Nachahmen eines Siliziumkristalls herstellen, so viel schien mir klar. Das Licht wird an Grenzflächen – zum Beispiel zwischen Glas und Luft – durch den unterschiedlichen Brechungsindex gestreut. Eine so starke Wechselwirkung wie die zwischen Elektronen und Siliziumatomen würde ein Material mit enormem Brechungsindex erfordern.
Auch kann die passende Struktur nicht einfach theoretisch hergeleitet werden, denn die Bandlücke entsteht durch das komplizierte Zusammenwirken von vielen hundert Löchern. Für Halbleiter hatten die Theoretiker zwar Computermodelle entwickelt, doch auf Photonen waren sie nicht anwendbar. Erstens sind die Bewegungsgleichungen verschieden: Für Elektronen gilt die Schrödinger-Gleichung, während Photonen den Maxwell’schen Gleichungen gehorchen. Zweitens lässt sich bei Photonen die Polarisation nicht so einfach vernachlässigen wie bei Elektronen. Darum hatte ich keine Möglichkeit, von vornherein festzustellen, ob eine bestimmte Struktur eine photonische Bandlücke haben würde. Also kreierten meine Mitarbeiter und ich eine Struktur nach der anderen und probierten sie aus. Im Laufe von vier Jahren bohrte mein treuer Maschinist John Gural – allerdings mit Hilfe einer numerisch gesteuerten Bohrmaschine – mehr als 500000 Löcher in dielektrische Platten. Doch es war wie verhext: Wir produzierten nichts als Fehlschläge.
Wir hielten die kubisch-flächenzentrierte Struktur für besonders aussichtsreich. Sie entsteht beispielsweise, indem man ein Schachbrett nimmt und auf jedes weiße Feld einen schwarzen Würfel platziert sowie auf jedes schwarze Feld einen weißen. Darauf baut man nach dem gleichen Prinzip eine zweite Schicht – schwarze Würfel auf weiße und umgekehrt – und so weiter aufwärts. Insgesamt bilden dann die schwarzen Würfel ein kubisch-flächenzentriertes Gitter, und ebenso, unabhängig davon, die weißen.
Diese Struktur erlaubt unzählige Variationsmöglichkeiten, denn man kann die schwarzen Würfel durch andere geometrische Formen ersetzen, wodurch die Lichtbrechung und Reflexion verändert wird. Nach zwei Jahren glaubten wir etwas Passendes gefunden zu haben: eine kubisch-flächenzentrierte Struktur, in der jeder schwarze Würfel durch eine Hohlkugel im Material ersetzt war. Ich veröffentlichte dieses Ergebnis, doch es war falsch.
Denn unterdessen waren auch die Theoretiker vorangekommen. Einige hatten ihre Bandlücken-Computerprogramme auf Licht umgestellt. Mehrere Gruppen, unter anderem die von K. Ming Leung an der Polytechnic University in New York und Kai Ming Ho an der Iowa State University, teilten mir telefonisch mit, dass ich mich irrte. Meine mühsam gefundene Struktur erzeugte nur eine Pseudolücke mit Bandbreite null – das heißt, nur eine einzige Wellenlänge wurde dadurch verboten. Trotz unserer jahrelangen Bemühungen schien die Natur keine photonische Bandlücke zuzulassen. Vielleicht war ein Brechungsindex nötig, der weit über dem aller bekannten transparenten Materialien lag.
Doch nach wenigen Wochen fand die Iowa-State-Gruppe heraus, dass die Kristallstruktur von Diamant – das tetraedrische Gitter – eine Bandlücke bewirken kann. Die Struktur mit der größten Bandlücke besteht aus dielektrischen Stäbchen in Richtung der chemischen Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen, wobei die Atome selbst zu geometrischen Punkten zusammenschrumpfen. Diamant als solcher erzeugt unseres Wissens keine photonische Bandlücke. Zu Beginn unserer Forschungen hatten wir angenommen, einfaches Nachahmen der Kristallstruktur von Silizium würde niemals eine photonische Bandlücke liefern. Welch ein Irrtum: Silizium hat die gleiche Kristallstruktur wie Diamant.
Die tetraedrische Diamantstruktur hat viele Erscheinungsformen – je nach Gestalt der Zwischenräume und Beobachtungswinkel. Der Kasten auf Seite 69 zeigt zwei höchst unterschiedliche photonische Kristalle mit Diamantstruktur. Meine Gruppe schuf 1991 den ersten echten photonischen Kristall namens Yablonovit aus einer Variante der Diamantstruktur. Die Natur erwies sich nun doch als gnädig: Schon bei einem Brechungsindex von nur 1,87 entsteht im Diamantgitter eine Bandlücke – und es gibt viele optische Materialien mit Werten bis zu 3,6.
Mikrochips und Schmetterlinge
Diese Struktur sollte nicht die einzige mit photonischer Bandlücke bleiben. Der Theoretiker Joseph W. Haus, damals am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy (US-Bundesstaat New York), wies 1992 nach, dass wir die kubisch-flächenzentrierte Struktur allzu rasch aufgegeben hatten. Die Wissenschaftler hatten nur Wellenlängenbereiche untersucht, die etwa dem Doppelten einer Elementarzelle entsprachen – vergleichbar der Grundschwingung einer Gitarrensaite. In diesem Bereich gibt es aber, wie erwähnt, nur eine Pseudolücke. Haus untersuchte aber auch eine höhere Frequenz, bei der eine ganze Wellenlänge in eine Elementarzelle passt – sozusagen die erste Oberschwingung der Gitarrensaite –, und zeigte, dass in diesem Bereich eine echte Bandlücke entstehen kann. Außerdem entdeckte er, dass selbst ein einfach kubisches Gitter – ein Gerüst aus gleich langen Stäben – eine kleine Bandlücke aufweisen kann.
Mittlerweile wissen wir, dass es auch in der Natur photonische Kristalle gibt: etwa den glitzernden Edelstein Opal, den schillernden Belag von Schmetterlingsflügeln oder die Borsten eines Meereswurms namens Seemaus. Sie alle weisen eine photonische Bandstruktur auf, allerdings keine komplette Lücke: In manchen Richtungen sind sie lichtdurchlässig, in anderen nicht. Eine vollständige Bandlücke ist der Natur nicht geglückt, vielleicht weil der dafür erforderliche Unterschied der Brechungsindizes zu groß ist.
Doch auch eine unvollständige Bandlücke kann nützlich sein. Zum Beispiel gelingt es mittlerweile, mikroskopische Partikel aus Titandioxid durch Selbstorganisation in eine Opalstruktur einzulagern. Titandioxid dient als intensiv weißes Pigment in Farben und Papier; die durch die Bandlückenstruktur verursachte kohärente Lichtstreuung verstärkt das Weiß und spart Titandioxid. Eines Tages könnten photonische Kristalle in Wandfarben und Papier zum Alltag gehören.
Eine andere nützliche Anwendung sind zweidimensionale photonische Kristalle zum Blockieren der Lichtausbreitung in einer Ebene. Werden solche Strukturen in die dritte Dimension verlängert, entsteht eine neue Art optischer Fasern. Herkömmliche Glasfasern haben einen Kern mit hohem Brechungsindex und führen das Licht durch innere Totalreflexion. 1999 konstruierte Philip St. J. Russell von der Universität Bath (England) photonische Bandlücken-Fasern. Bei einer Variante wandert das Licht durch ein zentrales Loch, in dem es durch die zweidimensionale Bandlücke des umgebenden Materials gefangen bleibt. Da sich durch einen Hohlraum mehr optische Leistung transportieren lässt als durch Glas, steigt der Informationsdurchsatz gegenüber herkömmlichen Glasfasern um das Hundertfache. Firmen in Dänemark und Großbritannien haben solche Spezialfasern bereits bis zur Marktreife entwickelt.
Zweidimensionale Bandlückenstrukturen können auch als photonische Dünnschichtkristalle realisiert werden, wie Shanhui Fan und John D. Joannopoulos 1997 am Massachusetts Institute of Technology vorrechneten. Solche Gebilde sind mit den Standardverfahren für integrierte Schaltkreise leicht herzustellen. Analog zum Dotieren elektronischer Halbleiter können Störstellen in photonische Kristalle eingebaut werden – zum Beispiel das Loch im Zentrum photonischer Wellenleiter. Umgekehrt entsteht durch Verstopfen eines der Löcher in einem Dünnschichtkristall ein kleiner optischer Hohlraum, der eine elektromagnetische Eigenschwingung festzuhalten vermag – ähnlich einer zwischen zwei Spiegeln gefangenen Lichtwelle – und sich darum für winzige Laser eignet. Erst kürzlich baute Axel Scherer am California Institute of Technology mit diesen winzigen optischen Hohlräumen die kleinsten Laser, die es je gab: Ihr Volumen beträgt nur 0,03 Kubikmikrometer (milliardstel Kubikmillimeter).
Optische Schaltkreise aus entsprechend präparierten photonischen Dünnschichtkristallen wären das Nonplusultra der optoelektronischen Miniaturisierung. Viele Forscher glauben, dass integrierte Schaltkreise, die herkömmliche Elektronik mit Photonik kombinieren, schon bald die Verarbeitung optischer Daten revolutionieren könnten. Vermutlich wird dieses Anwendungsgebiet in nächster Zeit im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit stehen, obwohl es bis zur Marktreife wohl noch Jahre dauert.
Für den Radiowellenbereich würde man auf den ersten Blick von einem Band-lückenkristall über-haupt keinen Nutzen erwarten, weil er einfach viel zu groß sein müsste. Die meisten Mobiltelefone verwenden Wellen von rund 35 Zentimeter Länge, und ein Kristall, der zahlreiche Löcher oder Stäbe in solchen Abständen enthält, wäre buchstäblich nicht tragbar. Einen Ausweg bieten hier die gewöhnlichen elektrischen Schwingkreise, die eine Spule mit einem Kondensator verbinden. Eine solche Schaltung vermag eine elektromagnetische Welle in ein kleines Volumen zu packen. Eine regelmäßige Anordnung von Schwingkreisen kann sich wie ein photonischer Kristall verhalten und Wellen steuern, deren Wellenlänge viel größer ist als alle Schwingkreise zusammen.
Sheldon Schultz und David R. Smith von der Universität von Kalifornien in San Diego nutzten Gruppen solcher Schwingkreise, um so genannte linkshändige Materialien zu konstruieren, die im Mikrowellenbereich einen negativen Brechungsindex haben. In solchen Materialien gehen elektromagnetische Wellen quasi rückwärts: Wenn sich die Wellenberge von links nach rechts bewegen, wandert die Energie der Welle von rechts nach links. Von "linkshändig" spricht man, weil die Richtungen des elektrischen Feldes, des Magnetfeldes und der Energieausbreitung nicht mehr der gewohnten Rechte-Hand-Regel folgen, die man sich durch rechtwinkliges Abspreizen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand vergegenwärtigt.
John B. Pendry vom Imperial College in London hat solche Bandlückengeräte aus zahlreichen elektromagnetischen Schwingungskreisen benutzt, um im Radiofrequenzbereich oszillierende Magnetfelder zu manipulieren, wie sie in der medizinischen Kernspintomografie verwendet werden. Forscher aus Militär, Wirtschaft und Hochschulen untersuchen, wie Schwingkreis-Anordnungen zur Steuerung von Radiowellen eingesetzt werden können. Man verspricht sich davon präzisere GPS-Antennen, indem die Reflexion der Signale des Global Positioning System an der Erdoberfläche unterdrückt wird, sowie bessere Mobiltelefone durch Reduzieren der elektromagnetischen Kopplung mit dem Kopf des Benutzers.
Wahrscheinlich lässt sich das Prin-zip dieser Schwingkreise auf die viel kürzeren optischen Wellenlängen übertragen. Dafür könnten so genannte Plasmonen genutzt werden – die Quanten kleiner Ströme, die an metallischen Oberflächen im optischen und ultravioletten Frequenzbereich oszillieren. Solche winzigen Anordnungen von Schwingkreisen wären kleiner als eine optische Wellenlänge und würden die Miniaturisierung photonischer Kristalle auf die Spitze treiben.
Wenn ein Forscher etwas Neues entdecken will, muss er gelegentlich übertrieben zuversichtlich sein, sonst beginnt er die Entdeckungsreise erst gar nicht oder kehrt auf halbem Weg um. Angesichts der heutigen Projektvielfalt auf unserem Gebiet bin ich froh, dass ich seinerzeit die enttäuschenden Telefon-anrufe als Ansporn zu weiteren Forschungen verstand.
Literaturhinweise
Photonische Kristalle durch Selbstorganisation. Von Ulrich Wolf. Spektrum der Wissenschaft, Mai 1999, S. 26.
Optical Properties of Photonic Crystals. Von Kazuaki Sakoda. Springer Series in Optical Sciences, Bd. 80. Springer, Heidelberg 2001.
Photonic Crystals: Molding the Flow of Light. Von John D. Joannopoulos, Robert D. Meade und Joshua N. Winn. Princeton University Press, 1995.
In Kürze
- Photonische Kristalle sind Materialien, die künstlich mit regelmäßigen Strukturen im Mikrometer- und Nanometerbereich versehen werden und dadurch eine
– photonische Bandlücke aufweisen: Beim Durchgang von Licht wird ein bestimmter Wellenlängenbereich vollständig abgeblockt. Solche Materialien verhalten sich dadurch für Licht wie herkömmliche Halbleiter, die eine elektronische Bandlücke – einen für Elektronen "verbotenen" Energiebereich – besitzen.
– Licht-Halbleiter versprechen interessante Anwendungen für die optische Datenübertragung und für künftige Schaltkreise, die Licht und Strom kombinieren.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2002, Seite 66
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