Medizin: Heilkraft aus dem Meer
Nachdem er sich sechs verschiedenen Chemotherapien unterzogen hatte, erhielt der 75-jährige Pedro R. L. endlich die Nachricht, auf die er und seine Familie schon lange gehofft hatten: Seine Leukämie-Erkrankung war vollständig geheilt. Doch noch während er sich von den Strapazen der Behandlung erholte, infizierte er sich mit Sars-CoV-2. Am 30. Januar 2021 wurde er in das Universitätsklinikum Quirónsalud Madrid eingeliefert. Die dort eingeleiteten medizinischen Maßnahmen schlugen fehl, was zur Folge hatte, dass Pedro R. L. schon bald an einer schweren Lungenentzündung litt. Ende Februar empfahl sein Arzt Pablo Guisado, es mit Plitidepsin zu versuchen, einem antiviralen Arzneistoff für die Behandlung von Covid-19-Patienten, der gerade in einer klinischen Studie der Phase 3 getestet wurde.
Das Arzneimittel hat eine eher ungewöhnlich anmutende Herkunft: den Meeresboden um Es Vedrá, einer unbewohnten Felseninsel südwestlich von Ibiza. Im Jahr 1988 organisierte das in Madrid ansässige Pharmaunternehmen PharmaMar eine Expedition zu diesem Ort. Er zeichnet sich durch einen schroffen Felsen aus, der möglicherweise Homer zu seiner Erzählung über singende Sirenen, die Seeleute in den Tod locken, inspiriert hat. Als die Wissenschaftler der Exkursion dort entlang eines Riffs mit lilafarbenen und roten Korallen tauchten, stießen sie an einem felsigen Abhang in 36 Meter Tiefe auf eine unauffällige wirbellose Kreatur, die zu den Manteltieren zählt: eine durchscheinende, blassgelbe Seescheide namens Aplidium albicans.
Manteltiere fressen Plankton, indem sie kontinuierlich Wasser durch ihren tonnenförmigen Körper ziehen und die winzigen Organismen herausfiltern. Mit ihrer Nahrung nehmen sie zahlreiche Viren und andere Krankheitserreger auf, die sie mit Hilfe verschiedener biochemischer Substanzen unschädlich machen. Manteltiere erscheinen daher als viel versprechende Quelle von Arzneistoffkandidaten …
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