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Medizin: Heilsame Molekülschnipsel

Lange fristeten Antisense-Therapien ein Schattendasein, doch jetzt erzielen sie spektakuläre medizinische Erfolge. Allerdings haben sie ihren Preis.
Antisense-Wirkstoffe greifen in den genetischen Ablesevorgang ein

An ihrem ersten Geburtstag konnte Emma Larson weder gehen noch stehen, aber das war kein Grund zur Sorge – viele andere Kinder können das in diesem Alter ebenfalls nicht. Emma liebte ihre Babywippe und robbte mit Begeisterung durch die Wohnung ihrer Eltern in Long Island, New York. Doch wenig später, im Alter von 13 Monaten, versagten ihre Beine plötzlich den Dienst. »Es kam so rasch wie ein Fingerschnippen«, erzählt ihre Mutter, Dianne Larson. Emma hörte auf zu wippen und knickte hilflos ein, wenn sie versuchte, sich irgendwo hochzuziehen. Zudem veränderte sich ihre Art des Krabbelns – subtiler zwar, aber als ihre Eltern sich ein älteres Video ansahen, war der Unterschied offensichtlich. Der Aktionsradius des Mädchens war geschrumpft, und sie kämpfte damit, ihren Kopf oben zu halten.

Nach einer Odyssee medizinischer Tests erfuhren die Larsons im Juli 2014, dass Emma an Spinaler Muskelatrophie (SMA) litt. Das ist eine potenziell tödliche neurodegenerative Erkrankung, die vor allem Kinder betrifft und ihnen nach und nach die Fähigkeit zu gehen, zu sprechen und bei schweren Verläufen auch zu atmen raubt. Emmas motorische Nervenzellen im Rückenmark starben ab, verursacht von einem Mangel eines Proteins namens SMN (Survival Motor Neuron) in ihrem Organismus. »Wenn das eigene Kind eine solche Diagnose erhält, durchschreitet man die finstersten Abgründe«, erinnert sich Dianne. Aber die Familie gab nicht auf. »Wir waren bereit, so ziemlich alles zu tun, um diese schreckliche Krankheit zu bekämpfen« sagt Matt Larson, Emmas Vater.

Nicht weit vom Haus der Larsons entfernt, im Cold Spring Harbor Laboratory, war der Biochemiker und Molekulargenetiker Adrian Krainer in den gleichen Kampf verwickelt. Er hatte seit dem Jahr 2000 die genetischen Grundlagen von SMA untersucht und wusste, dass die Krankheitsursache ein fehlendes oder mutiertes Gen mit der Bezeichnung SMN1 ist. Zugleich war bekannt: Alle Menschen besitzen ein inaktives Gegenstück zu diesem Gen namens SMN2, das sich möglicherweise aktivieren ließe. 2004 ging Krainer mit Frank Bennett vom Unternehmen »Ionis Pharmaceuticals« eine Kooperation ein, um einen Arzneistoff zu entwickeln, der SMN2 dazu bringt, für funktionsfähige SMN-Proteine zu sorgen. Das Ziel: Die Symptome von SMA-Patienten lindern und das Fortschreiten der Erkrankung stoppen. Hierfür richteten die Forscher ihren Blick auf so genannte Antisense-Oligonukleotide …

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  • Quellen

Chi, X., Gatti, P., Papoian, T.: Safety of antisense oligonucleotide and siRNA-based therapeutics. Drug Discovery Today 22, 2017

Sardone, V. et al.: Antisense Oligonucleotide-Based Therapy for Neuromuscular Disease. Molecules 22, 2017

Scoles, D.R., Pulst, S.M.: Oligonucleotide therapeutics in neurodegenerative diseases. RNA Biology 15, 2018

Tabrizi, S.J.: Targeting Huntingtin Expression in Patients with Huntington's Disease. The New England Journal of Medicine 380, 2019

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