Mikroelektronik I: Heiße Plasmen, schnelle Chips
Immer kleinere Transistoren auf den Chips fordert das Moore’sche Gesetz. Extrem ultraviolette Strahlung (EUV) soll die Grenzen weiter hinausschieben.
Das Kernstück eines Computers ist sein Prozessor, ein nur wenige Quadratzentimeter großer Mikrochip, der Millionen miteinander verschalteter Transistoren enthält. Je kleiner und dichter man sie packt, desto schneller können elektrische Signale den Komplex durchlaufen und umso kürzer sind die Zyklen, die ein Rechenschritt benötigt. Gordon Moore, Mitbegründer und langjähriger Geschäftsführer des Chip-Herstellers Intel, wagte 1965 die Prognose, die Zahl der Transistoren auf einem Halbleiterchip werde sich etwa alle 18 Monate verdoppeln. Zwar stützte er sich gerade mal auf die Daten von 1959, 1962, 1964 und 1965 mit 1, 8, 32 und 64 Transistoren pro Chip und begrenzte überdies seine Vorhersage auf eine Dekade, doch die Halbleiterindustrie unterwarf sich von da an dem Diktat des "Moore’schen Gesetzes".
Bislang mit Erfolg: Die Strukturbreiten beziehungsweise Transistor-Kantenlängen schrumpften von 10 Mikrometer (tausendstel Millimeter) bis zum aktuellen Pentium 4 auf 0,18 Mikrometer, während die Chip-Größe dieses Prozessors auf 217 Quadratmillimeter anwuchs. Darauf integriert er 42 Millionen Transistoren, während der erste Intel 4004 mit gerade mal 2300 arbeitete. Doch um noch kleinere Strukturen zu erzeugen, benötigen die Hersteller neue "Licht"quellen für ihre Lithographie genannte Fertigungstechnik. Um aus dünnen Platten hochreinen Siliziums – den so genannten Wafern – Massen von Chips zu gewinnen, werden die gewünschten Schaltungen nämlich über Masken mit einfarbigem Licht auf eine fotoempfindliche Schicht – den Resist – abgebildet; Chemikalien ätzen die belichteten Stellen frei, der dort nun ungeschützte Kristall lässt sich weiterbearbeiten (beispielsweise durch den Einbau von Fremdatomen in seinen elektronischen Eigenschaften lokal einstellen).
Das Problem ist jedoch, dass Licht auf Grund seiner Wellennatur an den feinen Kanten der Masken gebeugt wird, was die minimale Strukturgröße in Querrichtung (d) und die Schärfentiefe (S) beschränkt. Es besteht der folgende mathematische Zusammenhang: Die laterale Strukturgröße d wächst mit der Wellenlänge l des Lichts und verringert sich mit dem Öffnungswinkel der Abbildungsoptik, der so genannten numerischen Apertur NA. Je kleiner l und je größer NA, desto kleinere Strukturen lassen sich demnach in der Fläche scharf abbilden (d ~ l/NA), gleichzeitig verringert sich aber auch die Schärfentiefe (S ~ l/NA2), das heißt der Bereich exakter Strukturabbildung in der Tiefe des Resists.
Zu Beginn der lithographischen Halbleiterfertigung in den 70er Jahren erzeugte eine Quecksilber-Lampe eine Wellenlänge von 436 Nanometern (millionstel Millimetern), inzwischen liefern Excimerlaser Licht von 248 oder 193 Nanometer. Zudem wurde der Wert für NA von etwa 0,35 auf 0,6 bis 0,8 erhöht. So ließ sich die Strukturbreite auf die genannten 0,18 Mikrometer voranbringen, doch zum Preis einer immer geringeren Schärfentiefe von derzeit etwa 0,6 Mikrometer. Das Ende der Fahnenstange scheint erreicht, denn mindestens ein halber Mikrometer ist erforderlich, um das Resist fehlerfrei zu ätzen und zu entwickeln.
Sollen dennoch kleinere laterale Strukturen gelingen, muss die Wellenlänge so drastisch kleiner werden, dass die numerische Apertur wieder verringert und somit die Auflösung in der Tiefe beibehalten werden kann. Das ist der Weg, den viele Hersteller beschreiten wollen, darunter auch das amerikanische Unternehmen Intel. Gesucht werden Lichtquellen für den bislang wenig erforschten extremen ultravioletten (EUV) Spektralbereich von 5 bis 40 Nanometer, auch als weiche Röntgenstrahlung bezeichnet (eine Alternative wären Systeme, die mit Elektronen- oder Ionenstrahlen Strukturen schreiben; harte Röntgenstrahlung hat sich dagegen nicht bewährt).
Eine praktische Erwägung schränkt die Wahl der Wellenlängen massiv ein: Weil alle Werkstoffe EUV-Strahlung stark absorbieren – bereits ein Millimeter Luft schwächt sie um den Faktor 1000 –, lassen sich Linsen für die Abbildung der Maske auf den Wafer nicht mehr verwenden. Sie werden durch Spiegelsysteme im Vakuum ersetzt. Die größte Reflektivität von etwa 70 Prozent erreichen solche aus Schichtsystemen mit abwechselnden Molybdän- und Siliziumlagen (je 5–20 Atome dick) bei Wellenlängen von rund 13 Nanometer. Eine effiziente Strahlungsquelle genau dafür zu finden ist das Hauptinteresse der Forscher.
Eine Möglichkeit wäre die so genannte Synchrotronstrahlung, die ein breites Kontinuum vom Radiobereich bis zu harten Röntgenstrahlen umfasst. Sie entsteht, wenn hochenergetische Elektronen auf Kreisbahnen abgelenkt werden. Was zunächst lediglich als Energieverlust bei teilchenphysikalischen Experimenten störte, erwies sich mittlerweile als interessante Quelle hochenergetischer Strahlung. Doch so wichtig das Synchrotron für die Grundlagenforschung sein mag, für die Lithographie in der Massenproduktion wären die erforderlichen Beschleunigeranlagen zu groß und zu teuer. Immerhin geht es hier um ein Marktvolumen von einigen hundert Anlagen, die jeweils Kosten von etwa zehn Millionen Dollar für die Quelle nicht überschreiten sollten; Synchrotrons erfordern etwa das Zehnfache.
Im Kostenrahmen bleiben aber heiße Plasmen, die ebenfalls die gefragte Wellenlänge emittieren. Deshalb erhitzen Physiker weltweit Materie mittels Gasentladung oder intensiver Laserimpulse auf nahezu eine Million Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen lösen sich chemische Bindungen und die Atome verlieren ihre Hüllenelektronen; es bildet sich ein Gas aus geladenen Teilchen – das Plasma. Kommen Elektronen wieder mit Ionen zusammen (fachlich "Rekombinieren" genannt), geben sie einen Großteil ihrer Energie in Form von Strahlung ab.
Unsere Forschungsgruppe an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und Kollegen am Max-Born-Institut in Berlin haben beispielsweise 20 Mikrometer durchmessende Wassertröpfchen mit intensiven Laserpulsen beschossen und eine Ausbeute an Strahlung um 13 Nanometer gemessen. Wassertröpfchen wären gut für eine EUV-Quelle geeignet, denn sie sind in nahezu beliebiger Anzahl, in wohl definierter Größe und vernachlässigbar billig zu erzeugen; aufwändig zu entsorgender Abfall fällt überdies nicht an. Auch spratzen keine energiereichen Partikel ab wie etwa bei Metallen. Dies ist außerordentlich wichtig, da die sehr empfindlichen EUV-Spiegel, insbesondere die in der Nähe der Quelle, viele tausend Betriebsstunden ohne Reflektivitätsverlust überstehen müssen.
Allerdings gibt es bislang noch keine EUV-Quelle, die eine Leistung von etwa 100 Watt aufbringen kann – die aber ist nötig, um den jetzigen Durchsatz der Wafer-Belichtungsstraßen beizubehalten (das Ziel sind 80 Wafer mit je 300 Millimetern Durchmesser pro Stunde; darauf passen jeweils 150 bis 200 Chips). Auch unsere Experimente zeigten: Sauerstoff-Ionen des aus dem Wasser erzeugten Plasmas emittieren zwar außerordentlich intensiv bei 13 Nanometern, es wird aber nur ein geringer Teil der eingestrahlten Laserenergie verwertet. So gelang es uns, etwa ein halbes Prozent davon wirklich in EUV-Licht umzusetzen. (Xenon-Quellen erreichen etwas mehr, doch ist das Gas sehr teuer und die Handhabung äußerst kompliziert.) Dieses Licht wiederum lässt sich maximal zur Hälfte über Spiegel sammeln und dann verwenden. Um die gewünschte Leistung zu erreichen, müsste der Plasma erzeugende Laser deshalb eine Durchschnittsleistung von mehr als 40 Kilowatt in kurzen Pulsen liefern – das ist derzeit kaum möglich.
Wir arbeiten deshalb vor allem daran, die Konversion von Laserlicht in EUV-Strahlung zu verbessern. Beispielsweise kostet es fast 2 x 10E-16 Joule an Energie, um ein Sauerstoffatom zu ionisieren und das entstandene Plasma zu heizen. Bei etwa 10E14 Teilchen in einem Tropfen ergibt sich so die Forderung nach 30 Millijoule pro Laserpuls. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn das Volumen des Tröpfchens und die Pulsdauer spielen ebenfalls eine große Rolle. Auf fast eine Million Grad geheizt dehnt sich das Objekt so schnell aus, dass bei Pulslängen von mehr als 5 x 10E-9 Sekunden der "spätere" Teil des Energiepakets viel weniger Teilchen vorfindet, die es ionisieren könnte – diese Energie wäre verschwendet. Pulsdauer und -form müssen also ebenso wie das Tröpfchenvolumen optimiert werden, um die Strahlungskonversion zu verbessern. Untersuchungen der Plasmadynamik während der Aufheizphase gaben wichtige Hinweise: Sehr kurze Pulse, Nanosekunden vor dem Hauptpuls abgeschossen, erzeugen ein Vorplasma, das dann die Hauptenergie viel besser absorbiert und so die Konversions-Effizienz um ein Vielfaches steigert.
Für die weitere Forschung gibt es zwei kritische Termine: Bis Mitte 2002 muss eine EUV-Quelle mit einem Watt mittlerer Leistung und bis zum Jahr 2004 eine mit fünf Watt verfügbar sein. Diese Quellen werden von Geräteherstellern wie Zeiss oder ASML mit der benötigten Spiegel-Optik versehen und dann im Testbetrieb geprüft. Denn ab 2008 stehen Strukturbreiten von 70 Nanometern auf dem Programm, so will es das Moore’sche Gesetz.
Schließlich sollen die Transistoren im Jahr 2014 noch einmal um die Hälfte schrumpfen, und damit endet dann der offizielle Marschplan der Industrie. Denn bei Strukturen kleiner als zehn Nanometer beginnt die Welt der Quantenphänomene, die jetzige Transistorarchitektur findet an dieser Stelle ihre Grenze. Noch vor der Mitte dieses Jahrhunderts sind also komplett neue Ansätze zur Hardware gefragt. Der EUV-Lithographie schlägt dann aber sicherlich nicht die Stunde – in der Fertigung winziger Chips mit elektronischen und mechanischen Komponenten für Mikroroboter und Sensoren gibt es für sie genug zu tun.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2001, Seite 78
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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