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Biologische Waffen: Hightech gegen Terror

Biologen und Ingenieure entwickeln Frühwarnsysteme, die bereits kleine Mengen von Erregern und Giftstoffen aufspüren. Damit hoffen sie, die Folgen von Terroranschlägen mit biologischen Waffen mildern zu können.


Hochrangige Mitglieder der US-Regierung verfolgten im Mai 2000 ein beklemmendes Szenario: Eine infektiöse Wolke mit Pesterregern wabert durch das Denver-Center für Darstellende Künste, einen Theaterkomplex mit insgesamt 7000 Zuschauerplätzen. Eine Woche später sind Tausende tot oder liegen im Sterben. Die Grenzen von Colorado sind abgeriegelt. Nahrungsmittel werden knapp, und die medizinische Versorgung bricht zusammen, da Ärzte und Pflegekräfte ebenfalls der Seuche zum Opfer fallen und es keine Antibiotika mehr gibt.

Zum Glück war dieses Geschehen nicht real, sondern nur eine Übung, die im Computer die Auswirkungen eines biologischen Angriffs simulierte. Als Teil eines Planspiels namens TopOff sollte damit den zuständigen US-Behörden demonstriert werden, dass sie nicht warten dürfen, bis Opfer in die Notaufnahmen strömen, wenn sie eine effektive Verteidigung gegen Terroranschläge mit biologischen Waffen aufbauen wollen. Inzwischen sind eine Reihe von Spürsystemen in der Entwicklung, die einen solchen Anschlag frühzeitig melden können. Sie basieren auf mit DNA-Sequenzen oder Antikörpern bestückten Biochips sowie auf elektronischen Nasen, die tödliche Mikroben wittern.

Biologische Kriegsführung ist heimtückisch. In der Luft ausgebrachte Bakterien oder Viren sind nahezu unsichtbar und geruchlos; jemand, der sie einatmet, würde den Angriff erst bemerken, wenn Tage danach die ersten Krankheitssymptome auftreten. Dann wäre es meist zu spät, das Opfer zu retten oder andere vor Ansteckung zu schützen. Wenngleich die meisten biologischen Agenzien nicht sonderlich ansteckend sind, kann ein unerkannt Infizierter die Krankheit dennoch weitergeben.

Die Inkubationszeit bei biologischen Agenzien bietet jedoch eine Frist, innerhalb derer Therapie- und Quarantänemaßnahmen sowie Impfungen noch Unbetroffener greifen können. Viele durch biologische Waffen verursachte Erkrankungen lassen sich mit Antibiotika wirksam bekämpfen, doch meist nur bei rechtzeitiger Gabe – vor dem Einsetzen der Symptome.

Früherkennung ist also entscheidend. Dies umso mehr, als die Anfangssymptome vieler durch biologische Kampfmittel hervorgerufener Erkrankungen, wie Fieber und Übelkeit, leicht mit denen einer Grippe verwechselt werden können. Medizinstudenten lernen, bei der Interpretation von Symptomen zuerst auf das nahe Liegende zu tippen, bevor sie ausgefallenere Diagnosen erwägen – nach dem Motto: "Wenn Sie Hufgetrappel hören, denken Sie an Pferde, nicht an Zebras." Zwar hilft dieser Merksatz in der alltäglichen Praxis; doch Ärzte könnten einen biologischen Anschlag übersehen, wenn sie sich nur nach ihm richten. Manche der neueren Biodetektoren nennt man daher auch salopp Zebra-Chips oder kurz Z-Chips – sie machen darauf aufmerksam, dass diesmal vielleicht doch ein Zebra herumläuft …

Biologische Kampfmittel können ihre Opfer über Lebensmittel, Trinkwasser oder Insekten, etwa Stechmücken, erreichen. Doch das sind minder effektive Methoden, kaum imstande, mit einem Anschlag Tausende von Opfern zu treffen. Als Massenvernichtungsmittel, vergleichbar mit dem Todeszoll von Atomwaffen, wirken sie nur, wenn man sie in der Luft ausbringt – als atembares Aerosol aus Partikeln von etwa einem tausendstel Millimeter Größe. Solch winzige Tröpfchen können mit dem Wind weite Entfernungen zurücklegen und sich tief in der Lunge absetzen, wo sie gefährliche systemische Infektionen auslösen.

Zuverlässig die Nadel im Heuhaufen finden

Will man biologische Kampfmittel in der Luft aufspüren, stellen sich zwei große Herausforderungen. Zunächst die Vielfalt der verwendbaren Pathogene: Unterschiedliche Bakterien, Viren und selbst unbelebtes Material – von Mikroben produzierte Giftstoffe, so genannte Toxine – wären zu erfassen. Ferner können Biowaffen bereits in extremer Verdünnung tödlich sein. Ein gesunder Mensch atmet pro Minute etwa sechs Liter Luft, bestimmte Keime machen bereits krank, wenn man nur zehn von ihnen inhaliert. Um Personen zu schützen, die sich auch nur kurze Zeit in einem kontaminierten Gebiet aufhalten, müsste ein Detektor also weniger als zwei Keime pro Liter Luft erkennen – eine extrem hohe Anforderung.

Die ersten funktionstüchtigen Biowaffendetektoren spürten schlicht Wolken kleiner Partikel auf. Manche dieser Luftkeimsammler, etwa das XM2 der US-Armee, das während des Golfkriegs zum Einsatz kam, oder der Spezial-Impinger der Bundeswehr, nehmen Proben der Umgebungsluft und schicken sie durch einen Zähler, der Aerosolpartikel in der für Biokampfstoffe typischen Größe registriert. Ab einem bestimmten Grenzwert gibt das Gerät Alarm, sodass Truppen das Gebiet rechtzeitig verlassen können. Andere in Entwicklung befindliche Partikelsensoren arbeiten mit Lidar, einem radarähnlichen System, das einen Laserstrahl aussendet und die reflektierten Signale auswertet. Bei trockener Luft erkennen Lidar-Geräte Partikelwolken in bis zu fünfzig Kilometern Entfernung. Freilich können sie nicht zwischen Kampfstoffnebeln und feinsten Staub- oder Rauchwolken unterscheiden.

Neuere Lidar-Systeme machen sich die Eigenschaft gewisser in fast allen lebenden Zellen vorkommender Moleküle zu Nutze, nach Anregung mit ultraviolettem Licht zu fluoreszieren, also sichtbares Licht abzugeben. Diese Geräte senden einen UV-Strahl aus und registrieren das zurückkommende Fluoreszenzlicht verdächtiger Luftpartikel. Doch selbst mit UV-Lidar gelingt es nicht, biologische Kampfstoffe und natürliche Biopartikel auseinander zu halten – die Geräte schlagen auch bei Pollenflug oder aufgewehten Pfifferlingssporen an. Gleichwohl helfen sie Einsatztruppen, eventuell kontaminierte Gebiete zu meiden. Auch lässt sich anhand ihrer Messergebnisse entscheiden, ob in bestimmten Gebieten empfindlichere Detektoren eingesetzt werden sollten.

Einige der neuesten Typen von Biowaffendetektoren können Krankheitserreger anhand ihrer genetischen Ausstattung von gutartigen Mikroben oder anderen Partikeln unterscheiden. Um DNA zu gewinnen, die sich innerhalb der Zellen befindet, müssen diese jedoch erst aufgebrochen werden. Manche Geräte erledigen das automatisch, andere benötigen dazu menschliche Helfer.

Einer der ersten DNA-Chips, entwickelt an der Northwestern-Universität in Illinois, beruht auf der komplementären Natur der beiden Stränge, welche zusammen die DNA-Doppelhelix bilden. Ein DNA-Molekül ähnelt einer verdrillten Leiter, bei der jede Sprosse aus zwei Bausteinen, den Basen, besteht. Die Leiter öffnet sich in der Mitte der Sprossen, wenn ein Gen abgelesen wird und die Zelle ihr Erbgut verdoppelt, um sich zu teilen. Vier verschiedene Basen bilden die Sprossen der Doppelhelix: Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G), wobei innerhalb der Sprossen A sich stets mit T paart und C immer mit G. Kennt man die Basensequenz des einen Stranges – zum Beispiel ATCGCC –, so weiß man auch die Komplementärsequenz des anderen, in diesem Fall also TAGCGG.

Das Sensorelement des Systems der Northwestern-Universität enthält DNA-Einzelstränge, die zu einer kurzen DNA-Sequenz aus dem Erbgut eines bestimmten aufzuspürenden Krankheitskeims komplementär sind. Die Einzelstränge – gleichsam halbe, an den Sprossen durchtrennte Leitern, die auf Vervollständigung warten – sind auf einem Glas-Chip zwischen zwei Elektroden verankert. Gelangt DNA des gesuchten Erregers in das System, lagert sie sich nach den Regeln der Basenpaarung an die fixierten Einzelstränge an, wobei sie nun ihrerseits ein Stück aus der vervollständigten Leiter herausragt. Zum Nachweis der Anlagerung – oder Hybridisierung – gibt ein Laborant weitere DNA-Fragmente hinzu, die zu dem freien Ende der gesuchten DNA komplementär sind und ein Goldkügelchen tragen. Nach dieser zweiten Hybridisierung schließen die Goldpartikel einen Stromkreis zwischen den Elektroden und geben Alarm.

Andere Biodetektoren mit DNA, wie sie auch das Wehrwissenschaftliche Institut der Bundeswehr in Munster entwickelt, vervielfältigen spezifische Erbgutsequenzen durch einen Prozess namens Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR). Dabei erhitzt man DNA, damit die Bindungen zwischen den Basen in den Leitersprossen aufbrechen und die beiden Stränge sich trennen. Man gibt kurze einzelsträngige DNA-Stücke, Primer genannt, hinzu, die so gestaltet sind, dass sie sich an die beiden Enden derjenigen DNA-Sequenz anlagern, die nachgewiesen werden sollen. Nach Abkühlung des Gemisches binden die Primer an ihre Zielstellen, Enzyme (DNA-Polymerasen) klinken sich dort ein und verlängern die Primer, sodass aus ursprünglich zwei Einzelsträngen der gesuchten Sequenz vier entstehen. Mit jeder Wiederholung dieser Reaktionsfolge verdoppelt sich die Kopienzahl der gesuchten Sequenz, bis genug für einen Nachweis da ist.

Tiger kann Erreger identifizieren

Durch Zugabe fluoreszierender Indikatormoleküle, die sich in die neu synthetisierten DNA-Stücke einlagern, lässt sich ohne Zeitverzögerung verfolgen, wie die Vervielfältigung des gesuchten Erbgutabschnitts voranschreitet. Zudem gibt es inzwischen sehr schnelle Thermozykler, PCR-Maschinen, die den notwendigen Erhitzungs- und Kühlungsvorgang pro Reaktionsrunde in weniger als einer Minute schaffen, was dreißig Verdopplungen einer seltenen DNA-Sequenz binnen einer halben Stunde ermöglicht.

Freilich müssen beide Systeme, der Stromkreisalarm und die PCR-basierte Spürmethode, mit Reagenzien vorbestückt sein, die für einen bestimmten Krankheitserreger spezifisch sind. Das heißt, man muss bereits vorher ahnen, welche Biowaffe zum Einsatz kommen könnte. Um diesen Nachteil zu umgehen, haben Forscher zweier Firmen in Kalifornien, Ibis Therapeutics in Carlsbad und Science Applications International Corporation in San Diego, ein System entwickelt namens "Triangulation Identification Genetic Evaluation of biological Risks" (genetische Bewertung biologischer Risiken durch Dreiecksidentifikation), kurz Tiger. Auch Tiger nutzt die Vervielfältigung von DNA mittels PCR-Methode; anders als vorherige Ansätze jedoch verwendet es Primer, die zu einem DNA-Segment hybridisieren, das an der Kontrolle der Proteinsynthese beteiligt ist – einer Grundmaschinerie aller lebenden Zellen. Gleichwohl kann Tiger verschiedene Organismen unterscheiden, da die Sequenz zwischen den gewählten Primern so variabel ist, dass praktisch jede Mikrobenart eine eigene besitzt. Die vervielfältigten Sequenzabschnitte lassen sich durch Massenspektrometrie analysieren und mit einer Datenbank entsprechender Muster aller bekannten Mikroorganismen abgleichen, wodurch man den gerade vorliegenden Erreger identifizieren kann.

Dennoch haben alle DNA-basierten Spürsysteme ihre Grenzen: Sie sprechen nicht auf Toxine an, die keine DNA besitzen, und wegen ihrer Reaktionszeit von etwa einer halben Stunde sind sie zu träge, um rechtzeitig Alarm zu schlagen – die Evakuierung eines von Biokampfstoffen bedrohten Gebiets ist dann kaum noch möglich.

Antikörper bringen es ans Licht

Chips, die mit Antikörpern arbeiten, können diese Hindernisse überwinden. Antikörper sind Y-förmige Eiweißmoleküle, die das Immunsystem produziert und die gezielt an die Fremdmoleküle von in den Körper eindringenden Krankheitskeimen binden. Da Antikörper auch Oberflächenmoleküle von Mikroben erkennen, ist deren Aufbrechen nicht mehr notwendig, was Zeit spart. Überdies können sie sowohl ganze Mikroorganismen als auch einzelne Toxine aufspüren.

Antikörper sind das Herzstück eines Biowaffendetektors namens Raptor, den das Forschungslabor der US-Marine entwickelt hat. Das System beruht auf einem Sandwich-Assay (etwa: Klappstullen-Test): Gesuchte Pathogene (sozusagen die Wurstscheibe) bleiben an Antikörpern auf dem Chip (der unteren Brotschnitte) hängen, dann kommt ein zweiter Antikörper (die obere Brotschnitte) hinzu, der mit einem Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt ist und die gebundenen Pathogene sichtbar macht . Raptor kann verschiedene Biokampfstoffe zugleich erkennen, wenn man den Chip abschnittsweise mit entsprechend unterschiedlichen Antikörpern versieht, sodass man gleichsam ein Sandwich mit verschiedenen Wurstsorten erhält.

Das Origen-System der Firma Igen in Gaithersburg (Maryland) arbeitet ähnlich, doch statt eines Fluoreszenzfarbstoffs benutzt es eine Markierungssubstanz, die nach Anlegen eines elektrischen Feldes mit einer Lichtemission reagiert. Dieses Signal ist heller als das Fluoreszenzlicht, sodass geringere Konzentrationen an Pathogenen nachweisbar sind. Überdies ist einer der Antikörper an eine Oberfläche gekoppelt, wodurch sich die Zielpathogene für einen besseren Nachweis anreichern können. Das Wehrwissenschaftliche Institut in Munster führt derzeit vergleichende Untersuchungen der Raptor- und Origen-Systeme mit Prototypen aus deutscher Entwicklung durch.

Bei Surface Logix haben wir zusammen mit der in Watertown (Massachusetts) ansässigen Firma Radiation Monitoring Devices eine Technik entwickelt, die kontinuierlich Pathogene erfassen kann. Das Gerät, das sich mit einem Luft-keimsammler verbinden lässt, mischt alle Partikel aus gewonnenen Proben mit einer Suspension von mikroskopisch kleinen Magnetperlen. Jede davon ist mit fluoreszenzmarkierten Antikörpern bedeckt, die unterschiedliche Krankheitserreger erkennen.

Der Probenstrom mit den Magnetperlen fließt durch einen engen Kanal von etwa der Weite eines Haares und trifft auf einen Kontrollstrom ohne Mikroben und ohne Magnetperlen. Beide Ströme fließen zunächst getrennt nebeneinander, bis sie eine Verbindungsstelle zwischen beiden Kanälen erreichen. Ein Magnet, der kurz vor der Verbindungsstelle liegt, zieht die Magnetperlen samt eventuell daran gebundener Pathogene in den Kontrollstrom. Dieser fließt dann durch einen Detektor, der Pathogene anhand ihrer Fluoreszenz registriert.

Ein wesentlicher Vorteil unseres Systems liegt darin, dass es Zielpathogene von Tausenden harmloser Mikroben aussondert, die in einer Probe vorhanden sein können. Rauch, Staub und sonstige Umweltpartikel beeinflussen den Erkennungsprozess nicht, da die Mikroperlen bereits vorher in den Kontrollstrom gezogen werden. Zudem kann die Apparatur kontinuierlich Proben aufnehmen und ohne Zeitverzögerung analysieren.

Andere Spürsysteme nutzen Antikörper, um Pathogene an oszillierende Systeme zu binden, etwa Quarzkristalle, dünne Membranen oder mikroskopisch kleine Schwingstäbe. Eine erfolgreiche Bindung ändert die Eigenfrequenz der Oszillatoren, was sich elektronisch nachweisen lässt.

Spürnasen wittern Angriffe

Die oben beschriebenen Detektoren sind entweder schon jetzt verfügbar oder werden innerhalb der nächsten Jahre kommerziell erhältlich sein. Jedoch sind parallel dazu weitere und vielleicht bessere Techniken in Entwicklung.

Elektronische Nasen – wie man sie bereits nutzt, um Sprengstoffe und chemische Waffen aufzuspüren – lassen sich auch für die Suche nach Biokampfstoffen anpassen. Ein solches Gerät, die "Cyranose" der Firma Cyrano Sciences im kalifornischen Pasadena, enthält eine Anordnung von Zapfen aus leicht unterschiedlichen Polymeren, die jeweils eine andere Substanz gleichsam riechen, indem sie diese spezifisch absorbieren. Die Zapfen beherbergen zudem kleine Körnchen eines leitenden Materials, die einander berühren und so einen Stromkreis schließen. Wenn ein Zapfen seinen Geruchsstoff aufnimmt, schwillt er an, wodurch die Körnchen auseinander weichen und der Stromfluss abreißt, was ein Signal erzeugt (siehe Grafik oben). Jeder erfassbare Geruch erzeugt ein eindeutiges Muster unterbrochener Schaltkreise. Biosensoren könnten so Stoffe erschnüffeln, die von gefährlichen Bakterien abgesondert wurden, oder bestimmte Zusatzchemikalien, etwa Stabilisatoren, die oft in biologischen Kampfstoffen ent halten sind. Das Ziel ist, ein für jeden Biokampfstoff einzigartiges Riechmuster zu finden.

In einem neuartigen Ansatz nutzt die Firma BCR Diagnostics in Jamestown (Rhode Island) ruhende Dauerformen von Bakterien, nämlich Sporen, um die Anwesenheit von Biowaffen anzuzeigen. Wenn Bakterien in den Detektor eindringen, aktiviert ihr Stoffwechsel eine Substanz, welche die im Detektor enthaltenen Sporen zum Auskeimen veranlasst. Da die Sporen genetisch so verändert sind, dass sie dabei Licht emittieren, entsteht sehr rasch ein Signal. Freilich spricht das Spürgerät auch auf harmlose Bakterien an. Es ließe sich jedoch verbessern, indem man es mit speziell entworfenen Substanzen versieht, die den Keimungsprozess der Detektorsporen nur in Anwesenheit ausgewählter Pathogene in Gang setzen.

Gleichwohl könnte eine fachlich versierte Terroristengruppe auch den besten Biowaffendetektor überlisten: Sie bräuchte nur einen sonst harmlosen Organismus genetisch so zu verändern, dass er tödliche Toxine produziert.

Der ideale Detektor müsste in Gegenwart eines Biokampfstoffs genauso reagieren wie dessen lebende Ziele, nur viel schneller. Darum unterstützt die Defense Advanced Research Projects Agency (die Forschungs- und Entwicklungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums) die Forschung an Biowaffendetektoren, die mit lebenden Zellen von Menschen, Tieren und Pflanzen arbeiten. Der Leitgedanke dabei ist, dass ein für den Menschen schädliches Agens mindestens einen Typ menschlicher Zellen schädigt; die Messung der Zelltodereignisse im Detektor würde anzeigen, ob in der Umgebung ein Schadorganismus vorhanden ist.

Biologische Waffen können furchtbar sein, doch bisher hat weder ein Staat noch eine Terroristengruppe zu diesem Mittel gegriffen, um Tausende zu töten. Selbst wenn ein solcher Angriff deshalb als unwahrscheinlich erscheint, können Biodetektoren neben ihrer Frühwarnfunktion auch andere Aufgaben übernehmen, etwa verseuchte Nahrungsmittel erkennen oder die Diagnose von Infektionskrankheiten erleichtern. Ferner lassen sich Detektoren auf Basis lebender Zellen auch dazu nutzen, die Reaktion von Krebszellen gegenüber diversen Wirkstoffen zu testen, was die Entwicklung von Krebsmedikamenten beschleunigen könnte. Auf diese Weise würden Schilde – nicht Schwerter – zu Pflugscharen umgeschmiedet.

Überblick


- Biowaffen sind unsichtbar und geruchlos; bis Krankheitssymptome auftreten, können Tage vergehen. Deshalb kann ein Anschlag unerkannt bleiben, bis es zu spät für Gegenmaßnahmen ist.
- Wissenschaftler entwickeln bestimmte Chips, die mit Hilfe von DNA-Fragmenten oder Antikörpern pathogene Keime aufspüren. Ferner entwickeln sie Riechapparate, die von Krankheitserregern abgegebene Stoffe wittern oder Substanzen, die biologischen Kampfstoffen beigemischt wurden.
- Wie und wo die neuen Detektoren für Biowaffen sinnvoll einzusetzen sind, müssen Politiker und Behörden entscheiden; eine Anbringung etwa an jeder Straßenecke wäre kaum durchführbar.


Frühwarnsysteme


Ein Anschlag mit biologischen Waffen kann überall und jederzeit passieren. Fanatiker, die auf Massenmord aus sind, könnten einen ländlichen Jahrmarkt ebenso als Ziel wählen wie eine städtische U-Bahn-Station während der Hauptverkehrszeit. (Im ersteren Fall müssten sie allerdings einen bedeckten Tag wählen, da helles Sonnenlicht die meisten Mikroben abtötet.) Auch wenn die Vielfalt potenzieller Terrorziele einen kompletten Schutz nahezu unmöglich macht, kann ein klug gewählter Einsatz von Biodetektoren die schlimmsten Folgen eines Anschlags begrenzen helfen.

Derzeit sind Detektoren für Biokampfstoffe zu teuer und erfordern zu viel Wartung, als dass sie an jeder Straßenecke montiert werden könnten. Die Vernunft rät jedoch, bestimmte Ereignisse oder Örtlichkeiten verstärkt zu sichern, ihrer Bedeutung oder der hohen Zahl möglicher Opfer wegen. Demokratien sind sicherlich dort am verwundbarsten, wo ihre Regierun-gen, Parlamente und Ministerien sitzen. Deshalb sollten Regierungsgebäude eine biologische Überwachung rund um die Uhr erhalten. Mit dem Fortschreiten der Technik könnten Biokampfstoffdetektoren so verlässlich, billig und wartungsarm werden, dass sie auch etwa in den Rathäusern jeder größeren Stadt eingesetzt werden könnten.

Leider ist keiner der heutigen Biodetektoren dazu imstande, schädliche Mikroorganismen von harmlosen zu unterscheiden und zugleich seine Umgebung kontinuierlich auf Pathogene zu prüfen. Manche Geräte können nicht selbsttätig Proben sammeln, sondern sind dazu auf menschliche Hilfe angewiesen. Andere sind zwar fähig, mechanisch Wasser- oder Luftproben aufzunehmen, benötigen aber ebenfalls einen Bediener, der die Proben in den für die Analyse erforderlichen Zeitabständen bereitstellt. Der Bediener zieht die Proben zu festgesetzten Zeitpunkten, etwa jede Stunde oder sobald die vorherige Analyse abgeschlossen ist. Jedoch kann eine Wolke freigesetzter Biokampfstoffe binnen Minuten ein Gebiet überstreichen und dann verwehen – nimmt man die Proben zur falschen Zeit, würde man den Angriff gar nicht bemerken.

Manche Detektoren sind mit Lidar-Systemen oder Partikelzählern gekoppelt und sammeln Proben nur dann, wenn sie eine Wolke aus Partikeln der richtigen Größe registrieren. Ähnliche Systeme ließen sich zur Trinkwasserkontrolle in gefährdeten Gebäuden einsetzen: Wenn Schwebstoffe im Wasserleitungsnetz über das zulässige Maß ansteigen, würde ein solches Gerät eine Probe für genauere Analysen ziehen.

Ideal wäre ein System, das seine Umgebung fortlaufend überwacht, Proben rasch analysiert und wenig kostet. Doch davon sind wir noch recht weit entfernt. Epidemiologen und Informatiker arbeiten derzeit an einem etwas anderen Ansatz: Sie erstellen Datenbanken, die aktuelle Symptome von ambulanten Patienten auswerten, um bereits die ersten Anzeichen eines biologischen Angriffs zu erkennen. Das System beruht auf Handcomputern, über die Ärzte Informationen in die Datenbank eingeben, worauf ein Programm nach ungewöhnlichen Krankheitsmustern sucht – etwa Häufung von grippeähnlichen Erkrankungen außerhalb der Grippesaison.

Ein solches System – das Lightweight Epidemiology Advanced Detection and Emergency Response System (Leaders) – arbeitet seit 2000 in den USA und durchstöbert Krankenhausdatenbanken in Gebieten, wo politische oder sportliche Großveranstaltungen stattfinden. Der Tatsache bewusst, dass kaum jemand mit einer vermeintlichen Grippe in ein Krankenhaus geht, haben die Programmierer von Leaders zusätzliche Parameter in ihre Datenbankanalyse eingefügt, darunter Verkäufe rezeptfreier Medikamente, Krankmeldungen von Arbeitnehmern und auch das Aufkommen von Mautgebühren an kostenpflichtigen Brücken und Straßen (da viele bei Unwohlsein eher auf ihr Auto verzichten). Im Idealfall müssten diese Datenbanken kontinuierlich aktuelle Patienteninformationen sammeln, und zwar landesweit, sodass Angriffe frühzeitig erkannt werden können – gleichgültig wo, wann und wie sie erfolgen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 72
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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