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Hirschhausens Hirnschmalz: Asche zu Asche

Eckart von Hirschhausen

Für alle Leserinnen und Leser der Generation X, Y und Z – eine Frage vorab: Wisst ihr noch, was Telefonbücher waren? Es gab eine Zeit, kurz nach dem Krieg, da gab es kein Internet. Nein, nicht weil das WLAN nicht funktionierte, es gab das komplett noch nicht. Nix WLAN. Auch Computer hielt man damals mehrheitlich für verzichtbar. Es galt das gedruckte Wort, und wenn man wissen wollte, wie man jemanden erreichen konnte, musste man in ein großes Buch schauen, wo alle Namen drinstanden.

Der Schöpfer dieser mächtigen Verzeichnisse war nicht Gott, sondern die Deutsche Post, die damals noch keine AG war und keine Konkurrenz kannte, also doch ein bisschen wie Gott war. Auf den Telefonbüchern gab es Werbeanzeigen, und die fettesten hatten in vielen Städten die Bestatter. In Berlin war das jahrzehntelang die Firma Grieneisen, was ja schon ein bisschen nach ­einem fies lachenden Gevatter Tod klingt. Und auf den Telefonzellen stand "Fasse dich kurz!". So war man sich der Vergänglichkeit der Sprechzeiten hier auf Erden ­damals bewusster als heute, wo wir denken, das Leben sei eine Flatrate und wir hätten immer und ewig Empfang. Telefonbücher sind ausgestorben, die meisten wurden wohl verbrannt. Aber was wurde aus ihrer Asche?

Religionsforscher aus den Niederlanden beschreiben in einer aktuellen Studie den höchst unterschiedlichen Umgang mit der Asche von Verstorbenen. Seit gut 50 Jahren wird die Kremation immer gebräuchlicher und in Zeiten schwindender konfessioneller Bindungen immer beliebter. Asche ist trocken und "flüssig" zugleich; ein Gegenstand und doch dematerialisiert, örtlich ungebunden, um nicht zu sagen mobil. Nur irgendwie muss ja ein Ort, eine Zeit und ein Ritual gefunden werden, damit umzugehen. In den Niederlanden sind die Vorschriften lockerer als in Deutschland, so dass man die Asche auch mit nach Hause nehmen darf und zum Beispiel Kunst daraus basteln kann. Es gibt Firmen, die aus der Asche einen Diamanten pressen, den man dann als Ring oder Kette trägt, je nachdem, was sich richtig anfühlt: den Verstorbenen noch mal um den Finger wickeln oder für immer am Hals haben.

Wird man nach dem Tod verbrannt, ist man hauptsächlich …

  1. A) in der Urne.
  2. B) in Gedanken.
  3. C) CO2.
  4. D) woanders.

In der symbolischen Beziehung zur Asche wird Nähe und Distanz neu ausgehandelt: Wohnzimmer oder das weite Meer? Oft wird sie verstreut, gerne an einem für den Toten wichtigen Ort. Segler auf See, Wanderer in den Bergen, Blumenfreunde als Dünger im Beet mit Chance auf eine blühende "Wiedergeburt". Wie immer bei angstbesetzten Themen sprießen auch die respekt­losen Witze. "Ich will, dass meine Asche auf dem Aldi-Parkplatz verstreut wird." "Warum das?" "Damit meine Kinder wenigstens einmal die Woche vorbeikommen." In einem anderen Witz packt die Witwe die Asche ihres Gatten in eine Sanduhr: "Der kommt in die Küche, da kann er endlich was Sinnvolles tun!" Ob Raucher nach ihrem Ableben von den passivgeräucherten Angehörigen in einen Aschenbecher gesteckt werden?

Zeit, sich über das Zeitliche Gedanken zu machen, sonst machen es andere. Auch du von der Generation Y! Ein Nebeneffekt von Telefonbüchern war, dass jeder das Alphabet vorwärts und rückwärts draufhatte. Apropos: Geht es nach der Generation Z eigentlich wieder bei A los? Alles ein großer Kreislauf ...

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