Hirnforschung: Karten vom lebenden Gehirn
Dem Gehirn beim Denken zusehen – dieser uralte Forschertraum ist in den vergangenen Jahren durch rasante Fortschritte in den Neurowissenschaften spannende Realität geworden. Moderne bildgebende Verfahren, allen voran die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), erlauben immer detailliertere Einblicke in Gehirnprozesse. Was passiert in unserem Kopf, wenn wir sehen, hören, fühlen, sprechen, lernen, Gefühle empfinden oder – ganz allgemein – wenn wir "denken"?
Ebenso faszinierend ist die Frage, wo im Gehirn all diese Funktionen lokalisiert sind. Noch im 19. Jahrhundert vertraten viele Forscher eine holistische Sichtweise: Demnach bildet das Gehirn eine Einheit, ohne nachweisbare Unterteilung der Hirnrinde (des Kortex) in räumlich voneinander getrennte, in Struktur und Funktion unterscheidbare Module. Nach der "Lokalisationslehre" dagegen herrscht im Gehirn Arbeitsteilung: Bestimmte Regionen der Hirnrinde, die sich in ihrem Aufbau unterscheiden, nehmen spezifische Aufgaben wahr, etwa als Sehzentren, räumlich getrennt von den Hör- oder Sprachzentren.
Letztere Perspektive gewann bereits vor mehr als 100 Jahren die Oberhand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen erstmals Anatomen, unter ihnen Korbinian Brodmann (1868-1918) sowie Cécile Vogt (1875-1962) und Oskar Vogt (1870-1959), systematisch die Feinstruktur der Hirnrinde zu studieren. Die damalige Gewebetechnik (Histologie) und die Mikroskopie hatten schon einen Stand erreicht, der es erlaubte, wenige tausendstel Millimeter dicke Schnitte von Hirngewebe anzufertigen, diese zu färben und unter dem Mikroskop zu studieren. Den Forschern fiel auf, dass in der Hirnrinde Größe, Struktur, Packungsdichte und Schichtung der Zellen – die "Zytoarchitektonik" – örtlich variierte. Dasselbe galt für die Form und Struktur der Mark- oder Myelinscheiden, die einen Teil der Zellfortsätze umgeben, für die "Myeloarchitektonik".
Die beobachteten Unterschiede in der Feinstruktur ermöglichten es erstmals, so genannte Rindenfelder oder kortikale Areale mit jeweils weit gehend gleichförmiger Architektonik und mehr oder weniger deutlichen Grenzen zu definieren. Gemäß einem biologischen Grundprinzip spiegeln Strukturunterschiede auch Unterschiede in der Funktion (und umgekehrt) wider: Haben diese Rindenfelder also spezielle Aufgaben, und wenn ja, welche? ...
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben