Steinzeitliche Megasites: Frieden stiftende Ahnen
Das Gedränge im Haus war groß. Jeder wollte zusehen, wie der Schädel ins Grab der Toten gebettet wurde. Zusammengekauert als würde sie schlafen, lag die junge Frau in der Grube, die man im Fußboden des Hauses ausgehoben hatte, in ihren Armen der Schädel. Doch der sah nicht aus wie ein Skelettrest, denn mit weichem Kalkmergel waren ihm Gesichtszüge modelliert worden. Mindestens dreimal hat man die Modelliermasse erneuert und mit Ocker rot bemalt.
8500 Jahre später entdeckten Archäologen diese Bestattung in einer der größten steinzeitlichen Siedlungen Anatoliens, in Çatal Hüyük. Welche Bedeutung mochte diese Form des Totenkults gehabt haben? Interdisziplinäre Forschungen der letzten Jahre legen nahe, dass es solcher sozial integrierender Rituale und fester Regeln bedurfte, um viele hundert oder gar tausend Menschen gemeinsam in einem Ort leben zu lassen.
Die ersten Ansiedlungen gab es im Nahen Osten bereits im 19. Jahrtausend v. Chr., im Lauf des 12. Jahrtausends v. Chr. begann man, die Verstorbenen unter dem Fußboden der Wohnhäuser zu beerdigen. In der Vorstellung der Menschen weilten diese vermutlich nun weiter in ihrer Mitte. Mitunter wurde auch damals schon das Grab nach der Verwesung wieder geöffnet und der Schädel entnommen, um ihn rituell zu nutzen. Wahrscheinlich hatte die betreffende Person zu Lebzeiten eine besondere Stellung innegehabt, im Totenkult erlebten sich die Teilnehmer als Mitglieder einer Gemeinschaft. ...
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