Angemerkt!: Im Sinne des Erfinders
Programme zur Gewaltprävention an Schulen zeigen meist bessere Ergebnisse, wenn ihre Entwickler sie selbst überprüfen.
Im März 2010 erschoss der 17-jährige Tim K. aus Winnenden erst 15 Menschen und dann sich selbst. Als Reaktion auf diesen furchtbaren Amoklauf will die Landesregierung von Baden-Württemberg nun flächendeckend ein Gewaltpräventionsprogramm an den Schulen im Ländle einführen. Das "Bullying Prevention Program" (BPP), vom Psychologen Dan Olweus an der Universität Bergen (Norwegen) bereits in den 1980er Jahren entwickelt, umfasst ein Bündel von Maßnahmen wie regelmäßige Klassengespräche und Rollenspiele, in denen sich persönliche Zuwendung zu Problemschülern mit dem Setzen klarer Grenzen verbindet. Olweus' Programm genießt allgemein einen guten Ruf – allerdings gibt es ein Problem: Kein Mensch weiß, ob es wirklich etwas bringt.
Der Forscher selbst verbuchte beachtliche Erfolge. Beispielsweise mobbten in einer Untersuchung die Schüler nach Absolvierung der Trainings nur noch halb so viel. Doch eine unabhängige Überprüfung durch Nerissa Bauer und Kollegen von der University of Washington in Seattle (USA) ergab ein anderes Bild: Rund 5000 Sechst- bis Achtklässler blieben im Schnitt genauso aggressiv wie eh und je. Und diesem Muster begegnet man immer wieder, wie schon eine Überblicksstudie des Sozialforschers Anthony Petrosino von 2005 zeigte: Wer ein Programm zur Kriminalitätsvorbeugung selbst entwickelt hat, vermeldet meist gute Erfolge; sobald aber andere Forscher die Resultate überprüfen, schmilzt der Effekt dahin.
Betroffen sind auch renommierte Trainings aus anderen Bereichen – zum Beispiel "Triple P" (kurz für: Positive Parenting Program), ein pädagogisches Coaching für Eltern. Manuel Eisner von der University of Cambridge testete Triple P in einem Großversuch mit mehr als 1000 Kindern. Ernüchterndes Fazit: Das Verhalten der Kleinen vor und nach dem Training unterschied sich nicht!
Manchmal kommt es sogar vor, dass die Erfinder von positiven Resultaten berichten, während andere Wissenschaftler geradezu schädliche Wirkungen konstatieren – so geschehen etwa bei "Reconnecting Youth", einem Antidrogenprogramm, das in den USA lange Zeit als vorbildhaft galt. Wie sind solche Widersprüche zu erklären?
Manuel Eisner diskutiert zwei mögliche Erklärungen. Die erste, vermeintlich harmlosere: Vielleicht werden die Programme mangelhaft umgesetzt, wenn ihre Initiatoren außen vor bleiben. Immerhin müssen meist Materialien eigens angepasst sowie Pädagogen geschult und bei der Stange gehalten werden. Dabei kann viel schiefgehen. Doch dass nur die Schöpfer selbst ihre Programme richtig implementieren können, erscheint fragwürdig.
Die zweite Vermutung Eisners: Die Entwickler prüfen ihre Programme zu lasch. Immerhin haben sie oft lange daran getüftelt, haben Geld aufgetrieben und sich für ihre Idee stark gemacht. Wer wollte nach all den Mühen gern wahrhaben, dass das Ganze nichts nützt? Womöglich mag man auch seine persönlichen Überzeugungen nicht zerstören – etwa, dass "schwierige Kinder" auf den rechten Weg zu bringen sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass manche Forscherkarriere, Fördermittel und mitunter ganze Institute vom Gelingen solcher Projekte abhängen. Nicht wenige werden vermarktet, und maue Effekte würde den Absatz kaum fördern. Zudem gibt es verlockende Möglichkeiten, selbst aus lausigen Daten noch scheinbar gute Ergebnisse zu wringen. Die Pharmaindustrie, die gleichfalls regelmäßig bessere Wirkungen ihrer Produkte vermeldet als unabhängige Forscher, macht es vor (siehe auch G&G 3/2010, S. 68). In einem gemeinsamen Kommentar wiesen Kollegen die Spekulationen Eisners allerdings weit von sich.
Bei aller Unsicherheit darüber, ob gut gemeint auch gut gemacht ist, bleibt festzuhalten: Zu den meisten Programmen gibt es keine Alternativen – und vielleicht helfen sie ja! So sollte auch Baden-Württemberg nicht auf die geplante Einführung des Gewaltpräventionsprogramms verzichten. Doch die betreffenden Schulen sollten sich bemühen, es auch im Sinne des Erfinders umzusetzen und diesen dabei möglichst zu Rate zu ziehen. Nur wenn es darum geht, die Wirksamkeit zu überprüfen, darf man auf seine Mithilfe gerne verzichten!
Der Forscher selbst verbuchte beachtliche Erfolge. Beispielsweise mobbten in einer Untersuchung die Schüler nach Absolvierung der Trainings nur noch halb so viel. Doch eine unabhängige Überprüfung durch Nerissa Bauer und Kollegen von der University of Washington in Seattle (USA) ergab ein anderes Bild: Rund 5000 Sechst- bis Achtklässler blieben im Schnitt genauso aggressiv wie eh und je. Und diesem Muster begegnet man immer wieder, wie schon eine Überblicksstudie des Sozialforschers Anthony Petrosino von 2005 zeigte: Wer ein Programm zur Kriminalitätsvorbeugung selbst entwickelt hat, vermeldet meist gute Erfolge; sobald aber andere Forscher die Resultate überprüfen, schmilzt der Effekt dahin.
Betroffen sind auch renommierte Trainings aus anderen Bereichen – zum Beispiel "Triple P" (kurz für: Positive Parenting Program), ein pädagogisches Coaching für Eltern. Manuel Eisner von der University of Cambridge testete Triple P in einem Großversuch mit mehr als 1000 Kindern. Ernüchterndes Fazit: Das Verhalten der Kleinen vor und nach dem Training unterschied sich nicht!
Manchmal kommt es sogar vor, dass die Erfinder von positiven Resultaten berichten, während andere Wissenschaftler geradezu schädliche Wirkungen konstatieren – so geschehen etwa bei "Reconnecting Youth", einem Antidrogenprogramm, das in den USA lange Zeit als vorbildhaft galt. Wie sind solche Widersprüche zu erklären?
Manuel Eisner diskutiert zwei mögliche Erklärungen. Die erste, vermeintlich harmlosere: Vielleicht werden die Programme mangelhaft umgesetzt, wenn ihre Initiatoren außen vor bleiben. Immerhin müssen meist Materialien eigens angepasst sowie Pädagogen geschult und bei der Stange gehalten werden. Dabei kann viel schiefgehen. Doch dass nur die Schöpfer selbst ihre Programme richtig implementieren können, erscheint fragwürdig.
Die zweite Vermutung Eisners: Die Entwickler prüfen ihre Programme zu lasch. Immerhin haben sie oft lange daran getüftelt, haben Geld aufgetrieben und sich für ihre Idee stark gemacht. Wer wollte nach all den Mühen gern wahrhaben, dass das Ganze nichts nützt? Womöglich mag man auch seine persönlichen Überzeugungen nicht zerstören – etwa, dass "schwierige Kinder" auf den rechten Weg zu bringen sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass manche Forscherkarriere, Fördermittel und mitunter ganze Institute vom Gelingen solcher Projekte abhängen. Nicht wenige werden vermarktet, und maue Effekte würde den Absatz kaum fördern. Zudem gibt es verlockende Möglichkeiten, selbst aus lausigen Daten noch scheinbar gute Ergebnisse zu wringen. Die Pharmaindustrie, die gleichfalls regelmäßig bessere Wirkungen ihrer Produkte vermeldet als unabhängige Forscher, macht es vor (siehe auch G&G 3/2010, S. 68). In einem gemeinsamen Kommentar wiesen Kollegen die Spekulationen Eisners allerdings weit von sich.
Bei aller Unsicherheit darüber, ob gut gemeint auch gut gemacht ist, bleibt festzuhalten: Zu den meisten Programmen gibt es keine Alternativen – und vielleicht helfen sie ja! So sollte auch Baden-Württemberg nicht auf die geplante Einführung des Gewaltpräventionsprogramms verzichten. Doch die betreffenden Schulen sollten sich bemühen, es auch im Sinne des Erfinders umzusetzen und diesen dabei möglichst zu Rate zu ziehen. Nur wenn es darum geht, die Wirksamkeit zu überprüfen, darf man auf seine Mithilfe gerne verzichten!
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