Quantenphysik: In Treue fest durch Dick und Dünn
Ein quantenmechanisch verbandeltes Paar von Lichtquanten lässt sich vorübergehend in Elektronenschwingungen umwandeln, ohne dass die intime Beziehung verloren geht. Damit rückt die Möglichkeit näher, einen Quantencomputer zu bauen, der mit derart »verschränkten« Zuständen komplexe Rechenoperationen ausführt.
Heute ist es fast schon Routine, Paare von Lichtquanten zu erzeugen, die einen gemeinsamen Quantenzustand bilden und damit das Phänomen der Verschränkung zeigen. Trifft ein kurzwelliger Laserstrahl einen optisch nichtlinearen Kristall, so entstehen zwei schwache Strahlen der doppelten Wellenlänge. Wo die Strahlenkegel einander überlappen, bestehen sie aus Paaren unterschiedlich polarisierter Photonen, deren Schicksal selbst über makroskopische Distanzen hinweg untrennbar verbunden bleibt: Findet man etwa bei der Messung des einen Lichtteilchens eine vertikale Polarisation, so erweist sich die Schwingungsrichtung des Partners stets als rechtwinklig dazu, nämlich horizontal.
Generell können Quantensysteme allerdings auch in einer Mischung oder »Überlagerung« mehrerer Zustände vorliegen. Bevor sie gemessen werden, sind sie dann vieldeutig. Doch der Messvorgang zwingt sie gewissermaßen, sich für einen Zustand – etwa eine bestimmte Polarisationsrichtung – zu entscheiden. Das gilt auch für verschränkte Zustände und hat dort eine geradezu unheimlich wirkende Konsequenz. Nehmen wir an, das Photonenpaar sei »schräg« polarisiert, liege also in einer Überlagerung aus vertikaler und horizontaler Polarisation vor. Wenn sich in diesem Fall nun das eine Lichtquant bei einer Messung für den vertikal polarisierten Zustand »entscheidet«, nimmt im selben Moment das andere den horizontalen an.
Allerdings ist ein verschränktes – oder quantenmechanisch »kohärentes« – Paar in einem überlagerten Zustand extrem anfällig für kleinste Wechselwirkungen mit der Umgebung. Jeder Umwelteinfluss wirkt quasi als Messung. Damit geht aber gerade die Unbestimmtheit verloren, die solche überlagerten Zustände für künftige Quantencomputer attraktiv machen würde.
Denn Quantenrechner – vorerst noch pure Zukunftsmusik – sollen statt mit üblichen Bits, die nur je einen von zwei möglichen Werten annehmen können, mit so genannten Quantenbits arbeiten. Solche »Qubits« wären komplexe Zustandsüberlagerungen. Sofern es gelänge, sie bis zum Abruf des Resultats in der Schwebe zu halten, könnte das Rechnen mit ihnen die Kapazität jedes klassischen Parallelrechners in den Schatten stellen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Qubits im Computer manipuliert werden können, ohne unterwegs ihre wertvolle Vieldeutigkeit einzubüßen.
Doppelter Verwandlungstrick
Erstaunlicherweise ist es nun einer Gruppe um Erwin Altewischer an der Universität Leiden (Niederlande) gelungen, verschränkte Photonen in Elektronenschwingungen und wieder zurück zu verwandeln, ohne dass die Kohärenz des gemeinsamen Zustands verloren ging (Nature, Bd. 418, S. 304). Solche Umwandlungen sind natürlich höchst erwünscht, wenn man dem Ziel, Computer mit Quantenbits in Betrieb zu nehmen, näher kommen möchte.
Das Leidener Kunststück erfordert freilich nicht unerheblichen Aufwand an nanotechnischer Raffinesse. Als Quantenschwingungswandler dienen spezielle optische Hürden: auf zwei dünne Glasplättchen aufgedampfte Goldschichten von nur 200 Nanometer (millionstel Millimeter) Dicke, die in Abständen von 700 Nanometern winzige Löcher mit je 200 Nanometer Durchmesser enthalten. Durch diese Konfiguration erreichen Altewischer und seine Kollegen, dass die ankommenden Photonen einem leitfähigen Festkörper begegnen, der aus optisch undurchlässigem Material besteht, aber ein periodisches Muster aus Löchern mit Durchmessern und Abständen unterhalb der Laserlichtwellenlänge von rund 800 Nanometern aufweist.
Solche Strukturen verwandeln einfallende Photonen in Ladungsschwingungen, genauer in Dichteschwankungen der Elektronen nahe der Metalloberfläche. Diese sind ebenso wie das Licht, das sie ausgelöst hat, gequantelt und verhalten sich somit als Teilchen, so genannte Plasmonen. Die quantisierten Ladungswellen durchtunneln nun praktisch ungehindert die Folie, da diese dünner als ihre Wellenlänge ist. Sobald sie die rückwärtige Oberfläche erreicht haben, verwandeln sie sich wieder in Photonen, die ihren Weg im Prinzip – abgesehen von einem gewissen Intensitätsverlust – fortsetzen, als wären sie nie einem Hindernis begegnet. Der Clou des Experiments besteht darin, dass die Photonen nach wie vor verschränkt sind.
Altewischers Team zieht aus der ohne Kohärenzverlust gelungenen Quantenverwandlung einen optimistischen Schluss: Offenbar sei es im Prinzip möglich, die Verschränkung von einzelnen Teilchen auf makroskopische Quanten-Ensembles und wieder zurück zu übertragen. Immerhin sind Plasmonen quantenmechanische Objekte, die aus rund zehn Milliarden Elektronen bestehen. Dass es gelingt, auch solche riesigen Gebilde zu verschränken, lässt die Chancen auf Quantencomputer ein wenig steigen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2003, Seite 15
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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