Wahrnehmung: Das Genie wecken
Kim Peek war ein außergewöhnlicher Mann. Dabei sah es zunächst nicht so aus, als würde überhaupt irgendetwas aus ihm werden. Sein Schädel war bei der Geburt um ein Drittel größer als bei anderen Babys, so dass er für die Nackenmuskulatur zu schwer war und immer wieder nach vorne sackte. Kim hatte zwar nicht den berüchtigten Wasserkopf, aber die Ärzte empfahlen den Eltern trotzdem, nicht zu viel von ihm zu erwarten. Eigentlich sei die Lage hoffnungslos. Denn der Junge sei behindert, so ihr Argument, man solle ihn am besten in eine Pflegeeinrichtung geben.
Und tatsächlich stellte sich Kim als ziemlich ungelenk und tapsig heraus, er lernte erst spät laufen und sprechen, mit dem Schuheschnüren und dem Knöpfen von Hemden hatte er lebenslang Probleme. Der Junge mit dem Riesenkopf sortierte lieber tagaus, tagein Papierschnipsel, und wenn man ihn dabei störte, reagierte er hysterisch. Gleichaltrige sahen in ihm einen Außenseiter, doch das schien ihn nicht weiter zu stören. Er lebte in seiner eigenen Welt, begann zu lesen und sich das Gelesene einzuprägen. Und wie!
Im Alter von vier Jahren konnte er bereits acht Lexikonbände auswendig aufsagen, und das nahezu fehlerfrei. Sein Vater erkannte, dass man Kim anders fördern musste als üblich. Er löste jeden Tag Kreuzworträtsel mit seinem Sohn und gab ihm stapelweise Bücher und Zeitungen zu lesen, und als man Kim wegen Verhaltensauffälligkeit von der Schule wies, engagierte er einen Hauslehrer für ihn. Der Aufwand sollte sich lohnen, Kim schaffte seinen Schulabschluss. In IQ-Tests schnitt er allerdings recht unterschiedlich ab. Je nach Test und Testschwerpunkt erreichte er darin einen Wert von 184 – Einstein – oder aber nur einen Wert von 72 – debil.
Als Zwölfjähriger rezitierte Kim bei einem Gottesdienst 40 Zeilen aus der Bibel, obwohl er sie nie gelesen, sondern nur ein einziges Mal gehört hatte. Nun wurde auch die Öffentlichkeit aufmerksam. Das Getuschel über den sonderbaren Knaben drang bis nach Hollywood. Er avancierte zur personalisierten Vorlage von "Rain Man", jenem Film, in dem sich Dustin Hoffman als schräger, aber sympathischer Autist mit extremen Einzelbegabungen in die Herzen der Zuschauer spielte. Zu Recherchezwecken verbrachte der Schauspieler einen Tag mit dem Gedächtnisgenie, und danach riet er Kims Vater Fran, mit dem Talent des Sohnes nicht weiter hinter dem Berg zu halten. Öffentliche Auftritte würden den Jungen aus seiner Einzelgängerecke herausholen und darüber hinaus die Familienkasse auffüllen, die das dringend nötig hatte, weil dem allein erziehenden Vater schon seit Jahren kaum Zeit für den Gelderwerb blieb.
Doch Fran zögerte zunächst ...
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