Interkulturelle Psychotherapie: Wenn der Bauchnabel verrutscht
Wieder erwacht die Leinwand plötzlich zum Leben. Chaotische Bilder huschen darüber hinweg. Bilder zerfetzter Körper und toter Menschen. Liefen die Szenen in einem echten Kino, könnte er die Augen schließen. Doch gegen den schnell geschnittenen Bilderstrom in seinem Kopf ist er machtlos. Lediglich drei, vier Stunden schläft der 27-Jährige aus Afghanistan pro Nacht. Seit anderthalb Jahren ist er in Deutschland und hofft auf Asyl – zehn Kilo hat er inzwischen abgenommen. Nun sitzt der dunkelhaarige, vollbärtige Mann in einem karg eingerichteten Behandlungszimmer im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Berlin und erzählt dem Psychiater Armin Hoyer von seiner dreijährigen Militärzeit in seinem Heimatland. »Ich denke dauernd an Mord und Totschlag damals im Krieg, denke an all die getöteten Menschen«, sagt er mit gefasster Stimme. Nur die Schatten unter seinen Augen verraten die unruhigen Nächte.
Auf dem Stuhl, auf dem der Patient Platz genommen hat, sitzen täglich Menschen aus Ländern wie dem Irak, Syrien oder Afghanistan. Sie alle verbindet ein ähnliches Schicksal. Die Aufgabe der im LAGeSo untergebrachten Clearingstelle der Berliner Charité ist es, eine klaffende Versorgungslücke zu schließen: Geflüchtete Menschen mit psychischen Problemen sollen hier eine erste diagnostische Einschätzung erhalten – und zwar unabhängig von ihrem Aufenthalts- und Versicherungsstatus und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen für ihre Kultur. Halten es die Ärzte für nötig, leiten sie eine Kurzbehandlung ein oder vermitteln die Patienten weiter ...
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