Direkt zum Inhalt

Interview: Biomedizinische Forschung: "Wir haben kein besseres Verfahren"

Kürzlich publizierte die englische Fachzeitschrift "Lancet" eine Artikelserie über Missstände in der biomedizinischen Forschung: Falsche Anreizsysteme und mangelnde Qualitätssicherung in der internationalen Publikationsmaschinerie führten dazu, dass ein großer Teil der Forschungsmilliarden unterm Strich nur "Müll" hervorbringe. Wie lässt sich das System erneuern? "Spektrum der Wissenschaft" sprach darüber mit dem Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen und dem Chef des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, Andreas Barner.
Harald zur Hausen und Andreas Barner

Spektrum: Herr Professor zur Hausen, Sie haben in Ihrer Karriere als Wissenschaftler rund 300 Fachartikel publiziert. Wie viel Ihrer Forschung blieb unveröffentlicht?

Zur Hausen: Das kann ich nicht genau beziffern. Ich habe viele Hypothesen aufgestellt; zum Teil erwiesen sie sich als unzutreffend, gelegentlich aber als richtig und führten dann auch zu Erfolgen. Hier und da sind wir von bestimmten Annahmen ausgegangen, dann aber auf ganz andere Phänomene gestoßen als erwartet, was sich als extrem fruchtbar herausstellte. Ich bin überzeugt davon, dass wir Forschung in breitem Umfang betreiben müssen, auch wenn wir wissen, dass sie nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Täten wir es nicht, blieben viele originelle Ansätze unbearbeitet. Zumal Negativergebnisse ebenfalls wichtig sind: Wissenschaftler können ihnen entnehmen, dass sie sich eventuell in eine Sackgasse begeben haben.

Herr Professor Barner, braucht die Pharmaindustrie mehr Einsicht in medizinische Studien mit negativem Ausgang – in denen also die geprüfte Annahme nicht bestätigt wurde?

Barner: Die Schwierigkeit liegt darin, Arbeiten hinreichend zu standardisieren. Transparenz entsteht ja nur, wenn man Ergebnisse wiederfindet. Forschende Unternehmen müssen einen gewaltigen Aufwand betreiben, um allein ihre eigenen Ergebnisse für die eigenen Mitarbeiter wieder auffindbar zu machen. Wie viel größer wird der Aufwand, wenn man das weltweit versucht, unter Einschluss von Universitäten, wissenschaftlichen Organisationen und Gesellschaften? Wir bräuchten viel bessere Suchmaschinen, bessere Suchalgorithmen, bessere Datenbanksysteme, um das Wiederauffinden zu erleichtern. Da sehe ich die wesentliche Begrenzung. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Alzheimer – Ursachen und Therapien

Fachleute weltweit machen Fortschritte dabei, Morbus Alzheimer besser zu verstehen. Die Suche nach den Wurzeln der Neurodegeneration und einem Weg, sie zu stoppen, gehen dabei Hand in Hand – und die Bemühungen haben erstmals Medikamente hervorgebracht, die das Vergessen verlangsamen können.

Spektrum Kompakt – (Un)Vernunft – Wie man Denkfehler vermeidet

Faustregeln helfen uns dabei, zu entscheiden und schnell zu handeln. Doch manchmal führen uns die mentalen Abkürzungen auch auf den Holzweg. Wie entscheidet man also vernüftig?

Spektrum - Die Woche – Strom speichern mit Eisen, Natrium und Schwerkraft

Diesmal werfen wir einen Blick in die Zukunft: auf die Speicherung von Strom. Welche Technik kommt als Lösung für dieses Schlüsselproblem der Energiewende in Frage? Und wir werfen einen Blick zurückWas haben wir gelernt aus gut zwei Jahren Pandemie? Wir haben sechs Fachleute um Einschätzung gebeten.

  • Quellen

Begley, C. G., Ellis, L. M.:Drug Development: Raise Standards for Preclinial Cancer Research. In: Nature 483, S. 531 - 533, 2012

Prinz, F. et al.: Believe it or not: How much can we Rely on Published Data on Potential Drug Targets? In: Nature Reviews Drug Discovery 10, S. 712 - 713, 2011

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.