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Interview: "Entweder bekommen alle einen Auftrag oder eben keiner"

Im virtuellen Unternehmen MikroWebFab bündeln das Forschungszentrum Karlsruhe und elf Firmen Know-how und Fertigungskapazitäten. Ein Gespräch mit dem Projektleiter Dr. Ulrich Gengenbach vom Forschungszentrum Karlsruhe.


Spektrum: Warum fällt es kleinen und mittleren Unternehmen so schwer, in die Mikrosystemtechnik einzusteigen?

Dr. Ulrich Gengenbach: Firmen dieser Größenordnung sind meist Spezialisten. Sie beherrschen einige wenige Fertigungsprozesse der Mikrotechnik, es fehlt ihnen aber an Know-how, technischer Ausstattung und natürlich auch an Personal, um die ganze Bandbreite abzudecken. Allein um etwa einen Mikrosensor zu fertigen, müssen sie Dünnschichten strukturieren, das Sensorelement auf einer Auswerteschaltung montieren, kontaktieren und schließlich das Ganze in ein Gehäuse verpacken. Die große Palette haben nur wenige Großkonzerne im Angebot, und die bekommen dann häufig die lukrativen Aufträge.

Spektrum: Das ist für Mittelständler bedauerlich, denn schon 2005 sollen weltweit rund 68 Milliarden US-Dollar in diesem Marktsegment umgesetzt werden.

Gengenbach: Wenn sich mittelständische Firmen zu einem Netzwerk zusammenschließen und so lückenlose Prozessketten erreichen, dann werden auch sie ein großes Stück vom Kuchen bekommen. Ein solcher Verbund kann seinen Kunden eine Rundum-Betreuung für Entwicklung, Fertigung und Service anbieten.

Spektrum: Da gibt es nur einen Haken: Viele Köche ...

Gengenbach: Ein derartiges virtuelles Unternehmen benötigt natürlich eine Art Firmenzentrale zur Koordinierung. Die Auftraggeber akzeptieren auch nur selten mehrere Ansprechpartner. Deshalb tritt während der Projektlaufzeit des Verbundes MikroWebFab das Forschungszentrum Karlsruhe als Koordinationsstelle und Generalunternehmer auf.

Spektrum: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Ihr Projekt mit rund zwei Millionen Euro. Welche Fragen sollen Sie lösen?

Gengenbach: Vor allem eine: Welche Produktionstechnik, EDV und Organisation müssen bei den Partnern eines solchen Verbundes installiert werden, damit der Zusammenschluss funktioniert? Die Ergebnisse fassen wir in einem Handbuch für virtuelle Unternehmen zusammen. Das BMBF erwartet auch, dass unser Netzwerk bis Ende April 2004 anhand zweier Referenzprodukte die möglichen Probleme aufdeckt und Lösungen entwickelt.

Spektrum: Welche Produkte sind damit gemeint?

Gengenbach: Ein Mikrosensor, der Magnetfelder misst; hier befinden wir uns noch in der Entwicklungsphase. Das zweite Projekt ist die BioDisk, ein System zur Laboranalyse biologischer Flüssigkeiten. Eines der Unternehmen im Netzwerk, die i-sys Automationstechnik, fertigt bereits erste Prototypen davon.

Spektrum: Wie sind denn die Aufgaben unter den elf Firmen verteilt?

Gengenbach: Es gibt zwei Referenzkunden, die Produktideen, Know-how und Patente einbringen. Fünf Technologiefirmen bringen die Produkte zur Fertigungsreife und stellen sie her. Darüber hinaus erarbeiten sie die grundlegenden Methoden, wie sich im Verbund komplexe Mikrokomponenten realisieren lassen. Vier weitere Firmen sowie das Forschungszentrum Karlsruhe schaffen als Serviceteam die erforderliche Infrastruktur, also Informations- und Kommunikationstechnik, Logistik, rechtliche Grundlagen und so weiter. Das Forschungszentrum Karlsruhe koordiniert zudem und wertet aus.

Spektrum: Die Firmen sitzen ja nicht alle am selben Ort. Wie funktioniert die Zusammenarbeit in der Praxis?

Gengenbach: Kommunikation, Wissensmanagement und Auftragsabwicklung erfolgen vor allem via Internet. Dazu installieren wir am Forschungszentrum zentrale Serverdienste, auf die die Projektpartner jederzeit zugreifen können. Dabei verwenden wir natürlich nur international standardisierte Datenformate. Zusätzlich finden regelmäßig Projekttreffen statt. Die Mikrokomponenten selbst werden in der Fertigungsphase von Kurierdiensten zwischen den einzelnen Partnern in Reinraum-Transportbehältern hin- und hertransportiert.

Spektrum: Doch jede Firma hat ihre eigene Kultur, eigene Geschäftsinteressen. Gibt es da nicht eine Menge Reibung?

Gengenbach: In der Tat ist es nicht einfach, alle an den runden Tisch zu bekommen. Aber letztlich geht es darum, einen Auftrag gemeinsam zu erhalten oder alleine eben keinen. Das fördert die Bereitschaft zur Kooperation.

Spektrum: Bei so vielen Partnern dauern Abstimmungen vermutlich recht lang?

Gengenbach: Nein. Eines der Ziele besteht ja darin, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine effiziente Zusammenarbeit möglich wird. Deshalb optimiert das Serviceteam Schnittstellen mit Hilfe moderner Software-Werkzeuge, beispielsweise Systeme für die firmenübergreifende Produktionssteuerung oder Vertriebsunterstützung. Während Prozesse wie Entwicklung, Produktion und Vertrieb bei einer einzelnen Firma durchgängig funktionieren, müssen bei einem Verbund wie MikroWebFab standardisierte Abläufe und Kommunikationsschnittstellen geschaffen werden.

Spektrum: Ist geplant, noch weitere Unternehmen in den Verbund aufzunehmen?

Gengenbach: Im laufenden Projekt nicht. Bei Erfolg könnten wir vielleicht gegen Ende des Projekts neue Technologiepartner aufnehmen, aber mehr als zwanzig Mitglieder dürfte ein solcher Verbund nicht verkraften, ohne dass Vertrauen und Kooperation leiden. Zum Projekt-ende soll es auf jeden Fall ein zentrales Koordinationsbüro geben, eventuell sogar eine MikroWebFab GmbH, die dann künftig Aufträge akquiriert und koordiniert sowie Marketingmaßnahmen durchführt. Öffentliche Einrichtungen wie das Forschungszentrum Karlsruhe werden diese Rolle allerdings nicht übernehmen können.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2002, Seite 84
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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