Paläogenetik: »Jeder besitzt Erbgut vom Neandertaler«
Herr Professor Pääbo, 1997 gelang es Ihnen, mitochondriale DNA eines Neandertalers zu entziffern. 2010 erfolgte die große Überraschung, als Sie im Erbgut der heutigen Menschen Spuren von Neandertalern nachgewiesen haben. Wie viele Genome von Neandertalern sind denn inzwischen bekannt?
Das hängt davon ab, wie man zählt: Wir haben drei Genome sequenziert, deren Qualität die von jetzt lebenden Menschen erreicht. Dann gibt es noch mindestens fünf andere Genome in niedrigerer Qualität sowie eine größere Menge, bei denen uns nur bruchstückhafte Informationen vorliegen. Aber mit den drei erstgenannten kann man wirklich gute Vergleiche anstellen so wie beim Erbgut von heutigen Menschen.
In der Zeitschrift »Nature« berichten Sie, eine Genvariante, die vom Neandertaler stamme, erhöhe das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19. Wie kann ein altes genetisches Erbe den Krankheitsverlauf bei einer Infektion mit einem neuartigen Erreger beeinflussen?
Die Neandertaler lebten über eine halbe Million Jahre lang getrennt von den afrikanischen Vorfahren des anatomisch modernen Menschen. Dabei haben sie sich an Krankheitserreger genetisch angepasst, also an Viren und Bakterien, die in diesen Hunderttausenden von Jahren in Asien und Europa vorkamen. Wenn solche genetischen Neandertalervarianten bei jetzt lebenden Menschen auftauchen, beeinflussen sie manchmal immer noch die Antwort auf Pathogene. Und in der aktuellen Pandemie tragen nun einige von uns auf Chromosom 3 tragischerweise eine Neandertalervariante, die das Risiko stark erhöht, schwer zu erkranken, wenn man sich mit Sars-CoV-2 ansteckt. Wer eine Kopie dieser Variante entweder von der Mutter oder vom Vater geerbt hat, besitzt ein ungefähr doppelt so hohes Risiko, nach einer Infektion auf der Intensivstation zu landen. Bei zwei Kopien, also je einer von beiden Elternteilen, steigt das Risiko wahrscheinlich noch einmal an …
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