Interview: Was ist neu am ekpyrotischen Universum?
Spektrum: Was ist das Neue am ekpyrotischen Universum?
Prof. Gerhard Börner: Das Neue ist der Versuch, das Urknallmodell mit einer fundamentalen Theorie, der so genannten Stringtheorie, in Verbindung zu bringen. Wie in dem nebenstehenden Artikel ausgeführt wird, soll dem klassischen Urknall eine Konfiguration von Objekten der Stringtheorie vorhergehen, deren Dynamik zu einem physikalisch bestimmten Anfangszustand des Kosmos führt (‚when branes collide ...‘). Da diese Theorie den hohen Anspruch hat, die grundlegende "Theorie von Allem" zu sein, muss sie selbstverständlich auch den Urknall erklären. Ich finde solche Versuche ganz legitim, wenn sie deutlich als Spekulation gekennzeichnet sind und nicht in Presse-Verlautbarungen als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis angepriesen werden. Die Frage ‚Was war vor dem Urknall?‘ kann sich der aufmerksame Leser nun auch von der Stringtheorie, nicht nur von Augustinus beantworten lassen.
Spektrum: Das ist ja sehr erfreulich.
Börner: Na ja, es ist kein reines Vergnügen, das 63 Seiten lange Papier des ekpyrotischen Universums durchzuackern, und man kann natürlich weiter fragen: ‚Woher kommt eigentlich diese Anfangskonfiguration der Stringtheorie‘?
Spektrum: Standardmodell mit Inflation – das schien doch der neue Kanon zu sein. Warum hat sich die Inflation nicht durchgesetzt?
Börner: Interessanterweise hat sich ja das inflationäre Modell wie eine kanonische Ergänzung des Standardmodells etabliert. Wohl auch ein Effekt der nimmermüden Propaganda. Tatsächlich aber lässt die physikalische Unterfütterung der Inflationsmodelle einiges zu wünschen übrig. Die Modelle eines Skalarfeldes mit Potenzial sind ja nicht wirklich mit teilchenphysikalischen Modellen verknüpft, sondern ad hoc postuliert; das chaotische Modell macht Aussagen über hochenergetische Prozesse, deren Energien bei der so genannten Planck-Energie liegen, wobei wohl jeder überzeugt ist, dass dies ohne eine fundamentale Theorie wenig Aussagekraft hat. Deshalb ist es erfreulich, dass einmal ein anderes, ebenfalls spekulatives Modell als Alternative formuliert wird. Die robusten, modellunabhängigen Vorhersagen des Inflationskonzepts – Dichte gleich der kritischen, bestimmtes Spektrum von Dichtefluktuationen –, die muss natürlich das ekpyrotische Universum auch liefern.
Spektrum: Behebt die neue Theorie die Schwächen des Standardmodells?
Börner: Ihre Schöpfer erheben diesen Anspruch – eine Kritik der neuen Theorie ist von Anhängern der Inflationstheorie verfasst worden (‚Das pyrotechnische Universum‘). Inzwischen gibt es darauf eine Erwiderung, und damit beginnt der dornige Pfad zu wirklichen Erkenntnissen, die ja nie auf einen Schlag, sondern immer über eine mühsame Folge von Versuch und Irrtum zu Stande kommen. Bei den Kosmologen gilt dies, wie der russische Physiker Yakow Zeldowitsch einmal bemerkte, in besonderer Strenge: Sie irren oft, aber zweifeln nie.
Spektrum: Na dann! Was sind die Stärken und Schwächen des neuen Modells?
Börner: Einer Einschätzung der wissenschaftlichen Bedeutung dieses Ansatzes sollte wohl auch eine kritische Würdigung der Stringtheorie zu Grunde gelegt werden. Selbst wenn man diese Theorie akzeptiert, scheint nach den bisherigen Diskussionen das ekpyrotische Modell genau abgestimmte Anfangsbedingungen zu brauchen.
Spektrum: Lässt sich zwischen beiden Modellen durch Beobachtungen unterscheiden?
Börner: Es gibt eine interessante Möglichkeit. Unterschiede könnten, wie im Artikel von Markus Pössel erwähnt, in der Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrundes auftreten. Weitere Unterschiede ergeben sich wohl für einen kosmischen Hintergrund von Gravitationswellen, dessen Messung aber noch Zukunftsmusik ist.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2001, Seite 12
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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