Isolierte Sprachen: Die Geheimnisse der Überlebenden
Im Februar 2022 starb in Chile eine 93-jährige Frau. Mit ihr verstummte eine ganze Sprache. Denn Cristina Calderón war die letzte Sprecherin von Yaghan, das einst in ganz Feuerland, an der Spitze Südamerikas, verbreitet war. Mit Yaghan ging nicht nur eine Fülle an Wissen verloren, sondern auch eine isolierte Sprache – eine, zu der es auf der gesamten Welt nichts Vergleichbares gab und die keinen Bezug zu einer der bekannten Sprachfamilien erkennen ließ.
Von ungefähr 7000 existierenden Sprachen stellen etwa 200 isolierte Sprachen dar – und viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Schätzungen zufolge werden 30 bis 50 Prozent aller Sprachen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein, darunter vor allem solche, derer nur wenige hundert Menschen mächtig sind.
Doch je gefährdeter die Existenz einer Sprache ist, desto intensiver forschen Fachleute über sie und erkennen: Isolierte Sprachen bergen Indizien, mit denen die Bandbreite menschlicher Kommunikation und Kognition genauer zu erfassen ist. In den vergangenen Jahren lieferten sie neue Impulse zu der Frage, wie die Entwicklung einer Kultur und ihre Sprache verquickt sind. Und sie lieferten neuen Stoff für die umstrittene These, dass die Sprache beeinflusst, wie Menschen ihre Umgebung wahrnehmen und sie in Worte fassen. »Jede isolierte Sprache öffnet ein neues Fenster ins menschliche Denken«, sagt Lyle Campbell, Linguist an der University of Hawai‘i at Mānoa. Forscherinnen und Forscher wie Campbell erkunden daher auch Strategien, um seltene Sprache vor dem Aussterben zu bewahren …
© 2023 New Scientist Ltd.
Syndiziert durch Tribune Content Agency
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben