Claustrum: Dirigent des Bewusstseins
Juli 2002: Im südkalifornischen La Jolla unweit der Brandung des Pazifischen Ozeans schreibt Francis Crick an einer wissenschaftlichen Arbeit, die seine letzte werden sollte. Der Medizin-Nobelpreisträger von 1962, prämiert für die Entdeckung der Doppelhelix-Struktur des Erbgutmoleküls DNA, hat sich im Verlauf seines Lebens immer mehr der Hirnforschung zugewandt. Was ist die biologische Grundlage des menschlichen Bewusstseins? Was geht im Gehirn vor sich, dass wir uns als Person, als "Ich" erfahren, das in Wechselbeziehung mit der sinnlich erfahrbaren Umwelt steht? Diese Fragen interessierten Crick brennend – und rückten schließlich eine unscheinbare, wenig untersuchte Region tief im Inneren des Gehirns ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit: das so genannte Claustrum.
Um das zu erklären, muss ich zunächst etwas ausholen. Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden komplex vernetzter Nervenzellen. Viele dieser Neurone befinden sich in Hirnregionen, die mit wichtigen, aber nicht für das Bewusstsein relevanten Funktionen befasst sind. Der Hirnstamm zum Beispiel reguliert unter anderem unsere Körpertemperatur. Das ist eine absolut lebenswichtige Aufgabe, doch wir sind uns dieses Vorgangs eben nicht bewusst.
Andere Hirnregionen leisten eine Vorverarbeitung von Informationen, die uns erst in weiterer Folge bewusst werden können. So sind wir uns der Signale der Nervenzellen in der Netzhaut des Auges nicht bewusst. Erst durch die Aktivität nachgeschalteter, höherer Hirnregionen sehen wir das Licht, welches die Netzhaut eingefangen hat, auf bewusste Weise. Diese höheren Repräsentationen unserer Sinnesinhalte finden meist in der Großhirnrinde, dem Kortex, statt ...
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