'Journalisten als Vermittler, ja  aber auch die Wissenschaftler sind gefordert'
Spektrum-Interview zur Aktion „Public Understanding of Sciences and Humanities“ mit Prof. Dr. Joachim Treusch, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich.
Spektrum der Wissenschaft: Ist die Aktion "Push" nicht eher eine PR-Aktion für die Wissenschaft als eine Aufklärungsaktion zugunsten der Bevölkerung?
Prof. Dr. Joachim Treusch: Ich habe diese Frage oft gehört, und die Antwort heißt: Es kann und darf keine Propaganda-Aktion, es kann und darf keine Monolog-Aktion sein. Vielmehr müssen wir uns dem Dialog, auch dem streitigen Dialog, stellen und Kritik ernst nehmen. Dies können wir nur im offenen Gespräch. Ich glaube: Fortschritt in der Wissenschaftsvermittlung kann nur über Verständnis kommen, und Verständnis kommt nur durch eigenes Denken, und eigenes Denken kommt nicht durch Lehrstunden allein, sondern durch Gespräch miteinander.
Spektrum: Es sind ja auch spektakuläre Aktionen, die Sie jetzt planen. Aber es gibt Beispiele, daß Tage der offenen Tür bei Journalisten nicht gut ankommen. Glauben Sie, daß es hier anders sein wird?
Treusch: Wie viel die Presse berichtet, ist eine Frage, wie es beim Publikum ankommt, eine andere. Ich kann nur sagen, daß unser letzter Tag der offenen Türe hier in Jülich 40000 Besucher hatte, die sich voll ins Gespräch gestürzt haben. Alle Institute waren überfüllt. Wenn die Presse darauf gut reagiert, ist es prima, wenn nicht, dann habe ich trotzdem diese 40000 Leute erreicht. Wenn man nur auf Presse- oder Fernsehquoten schielt, ist man genau in diese Falle gelaufen, daß man das ganze nur für eine Public Relations-Aktion hält.
Spektrum: Warum wendet sich "Push" so nachdrücklich an die Schulen?
Treusch: Wer Wissenschaft verstehbar machen und ihre Akzeptanz vertiefen will, muß vornehmlich in die Schulen und sowohl Schüler als auch Lehrer ansprechen; denn auch ein Lehrer wird nur ins Gespräch mit seinen Schülern kommen, wenn er immer wieder am Puls der neuesten Entwicklungen steht. Für mich ist sehr ermutigend, daß sich alle Hochschulen, alle außeruniversitären Forschungsinstitute in diesem Bewußtsein inzwischen treffen und auch bereit sind, für diesen Dialog wirklich Zeit aufzuwenden.
Spektrum: Aber sind die Wissenschaftler überhaupt in der Lage, sich so verständlich auszudrücken?
Treusch: Gewiß kann nicht jeder Wissenschaftler seine Forschungsarbeit allgemeinverständlich darstellen. Aber das Vorurteil, die besonders guten Wissenschaftler seien besonders unfähig dazu, ist sicherlich falsch. Niemand bezweifelt, daß Alexander von Humboldt ein großartiger Wissenschaftler war, und er hat seine Kosmos-Vorträge gehalten; auch Albert Einstein hat viel Wert auf seine Urania-Vorträge gelegt. Jeder soll das tun, was er gut kann. Es gibt viele hervorragende Wissenschaftler, die ebenso hervorragend kommunizieren können. Ich habe noch nie erlebt, daß ein Wissenschaftler, nachdem er Zeit in die Erklärung seiner Forschung investiert hat, anschließend geklagt hätte, daß diese Zeit verloren gewesen sei.
Spektrum: Orientieren Sie sich für die "Push"-Aktivitäten an vergleichbaren Aktionen in Europa?
Treusch: Also, wir haben sicherlich speziell gegenüber den angelsächsischen Ländern einen deutlichen Rückstand. Andererseits ist nicht alles, was in den USA und England gemacht wird, auch für Deutschland ein Wundermittel. Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Nur: Keinen Weg voranzugehen, das wäre tödlicher Stillstand. Ich denke, wir werden Modelle finden, die für unseren speziellen kulturellen Hintergrund die richtigen sind. Das kann nicht nur science fair, Wissenschaftsmesse, sondern muß ein ganzes Bündel von Maßnahmen sein. Aber dies haben wir jetzt in Angriff genommen, und ich denke, wir können einen kleinen Schritt vorankommen.
Spektrum: Es gibt ja auch Programme – zum Beispiel EICOS –, die Journalisten einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeitsweise geben. Ist das eine Sache, die weiter ausgebaut werden sollte?
Treusch: Solche Programme sind wunderbar. Aber wir müssen uns davor hüten, daß die Wissenschaftler am Schluß glauben, man bräuchte nur einen guten Journalisten und das Problem sei gelöst. Wir können von Journalisten lernen, wie man Sprache, wie man Botschaften formulieren muß, damit es verstehbar wird. Doch wir dürfen nicht denken, wir könnten ihnen die Arbeit überlassen und seien damit aus dem Schneider.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 116
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben