Editorial: Kausalität, Finalität, Quantenkausalität
In meiner Diplomarbeit beschäftigte ich mich Ende der 1990er Jahre an der Universität zu Köln mit den grundlegenden Konzepten von Kausalität und Finalität. Die Frage, ob physikalische Prozesse vom Anfang her, also durch Ursachen, bestimmt sind oder vom Ende her, nämlich durch ihre größtmögliche Wirkung, faszinierte mich sehr. Im Alltag gehen wir für gewöhnlich davon aus, dass vorausgehende Ereignisse die Gegenwart prägen. Nicht verwunderlich daher, dass Pierre Louis Moreau de Maupertuis für viel Wirbel in der Gelehrtenwelt sorgte, als er 1744 das »Prinzip der extremalen Wirkung« vorstellte. Vor allem sein Landsmann Voltaire wetterte gegen die Vorstellung, der unbelebten Natur sei eine mathematisch erfassbare Zielorientierung immanent. Tatsächlich jedoch entpuppten sich Extremalprinzipien als ebenso mächtige Werkzeuge wie Differenzialgleichungen, um physikalische Prozesse aller Art zu beschreiben. Letztere halten in der Nachfolge Newtons das Kausalprinzip hoch, wonach jedem Ereignis ein anderes vorausgeht, das mit diesem zusammenhängt.
Zwar möchte unser Kopfkino zwei verschiedene Filme abspulen, wenn es um die Bestimmung des Jetzt aus dem Davor oder aber dem Danach geht, mathematisch jedoch ist beides gleichwertig.
Am markantesten kommt die Vorstellung einer durch und durch kausal bestimmten Welt in der Idee vom laplaceschen Dämon zum Ausdruck. Pierre Simon de Laplace postulierte 1814, eine hypothetische Superintelligenz könne aus dem gegenwärtigen Zustand des Universums sowohl jeden bisherigen als auch jeden zukünftigen bestimmen. Dazu müsse sie nur alle notwendigen Differenzialgleichungen kennen – und unglaublich gut rechnen können. In diesem Weltbild ist jeder Zustand eines Systems die Wirkung des früheren und die Ursache des folgenden.
Was aber, wenn die zeitliche Abfolge zweier physikalischer Zustände gar nicht feststellbar ist? Willkommen in der Quantenmechanik! Hier gibt es Situationen, bei denen wir partout nicht wissen können, ob ein Ereignis A zu B führte oder ob nicht B vielmehr A verursachte. Und da ist sie wieder, die Faszination. Ich empfehle Ihnen unsere Titelgeschichte über »Quantenkausalität« ab S. 12 herzlich zur Lektüre!
Ihr
Carsten Könneker
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