Nobelpreis für Physiologie oder Medizin: Keine Einbahnstraße
Mit Dogmen zu brechen, erfordert Mut sowie eine gehörige Portion Selbstbewusstsein – und es scheint eine gute Voraussetzung dafür zu sein, im Lauf einer wissenschaftlichen Karriere den Nobelpreis zu erhalten. Um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen: Barbara McClintock, die den Preis 1983 bekam, hatte 1951 die Existenz springender Gene nachgewiesen, so genannter Transposonen, und damit an der Lehrmeinung gerüttelt, dass Gene grundsätzlich fest im Erbgut verankert seien. Die Preisträger von 1975 – Howard Temin, David Baltimore und Renato Dulbecco – brachten das lange Zeit gültige Dogma der Molekularbiologie zum Einsturz, genetische Information werde grundsätzlich nur von der DNA über die RNA zum Protein transportiert. Die Entdeckung des Enzyms reverse Transkriptase belegte, dass der Übersetzungsprozess ebenfalls umgekehrt funktioniert, nämlich von der RNA zur DNA.
Auch in diesem Jahr ging der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie an zwei Forscher, die einen Glaubenssatz kippten – und so eine weitere vermeintliche biologische Einbahnstraße für den Gegenverkehr öffneten. Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka erhielten die Auszeichnung für ihre Entdeckung, dass sich ausgereifte Körperzellen in ein Stadium zurückversetzen lassen, in dem sie sich wie embryonale Stammzellen verhalten und theoretisch alle Entwicklungswege einschlagen können. Fachleute sprechen von Reprogrammierung, die resultierenden Zellen nennen sie induzierte pluripotente Stammzellen (iPS). "Dass beide den Preis verdient haben, war allen im Feld klar", sagt der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle und spricht von einem großen Tag für sein Fachgebiet ...
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