Winters' Nachschlag: "Knallgas, Dicker!"
Voll krass für ein besseres Schüler-Lehrer-Verhältnis
Zillerbach sah Mitleid erregend aus. Mit gebeugtem Rücken hing er am Tresen und starrte in sein alkoholfreies Bier. "Wenn ich gewusst hätte, wie die einen fertigmachen, wäre ich nie Lehrer geworden", wimmerte mein einst so fröhlicher Freund. Zum wiederholten Mal habe man seinen Stuhl mit Sekundenkleber behandelt und sein Auto mit Klopapier umwickelt, berichtete er mit brüchiger Stimme. "Und ich kann nicht mal ein richtiges Bier trinken – morgen ist Chemie-Projekttag! Ich brauche dringend Urlaub."
Wohl dem, der einen pädagogisch talentierten Freund wie mich hat, dachte ich und legte meinen Arm um Zillerbach – nicht zuletzt, um unauffällig das "Ich bin doof!"-Schild zu entfernen, dass ihm seine Schüler auf die Jacke geklebt hatten. "Ich komme morgen mit und werde diesen Grünschnäbeln einen Projekttag servieren, den sie ihr Leben lang nicht vergessen werden", verkündete ich. "Mit anderen Worten: Du bist gerettet!"
Den Rest des Abends erarbeitete ich ein astreines Winters-Curriculum, wozu mich die zahlreichen Schnäpse inspirierten, welche Zillerbach in vorauseilender Dankbarkeit bezahlte. Nebenbei klärte ich meinen ahnungslosen Kumpel darüber auf, wie wichtig es ist, Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen. Man müsse nur oft genug "krass" und "Dicker" sagen, dann habe man die Kids schon auf seiner Seite.
Am nächsten Morgen erschien Zillerbach wie verabredet um Punkt sieben vor meiner Haustür – gegen 20 vor acht gelang es ihm tatsächlich, mich wachzuklingeln. Trotz starker Kopfschmerzen war ich bestens vorbereitet: Um schon optisch ein deutliches Zeichen für ein perfektes Schüler-Lehrer-Verhältnis zu setzen, trug ich die sackartig geschnittene Baggy-Jeans, die mein schulpflichtiger Neffe bei seinem letzten Besuch bei mir vergessen hatte, sowie eine Baseballmütze. "Voll krass, Dicker, findest du nicht?", rief ich meinem Kumpel entgegen. Zillerbach sah unglücklich aus, aber für Diskussionen war es nun zu spät.
Mit kaum zehnminütiger Verspätung betraten wir das Chemielabor, in dem eine entfesselte Meute Halbstarker mit einem Bunsenbrenner das Lehrerpult bearbeitete. "So, Herrschaften, zur Projektwoche habe ich Ihnen heute Herrn Winters mitgebracht. Sie werden staunen, was Sie gleich zu sehen bekommen!", schrie Zillerbach, und tatsächlich wurde es still.
"Ich staune jetzt schon!", ließ sich ein übergewichtiger Schüler vernehmen, nachdem die Truppe mich einige Augenblicke lang gemustert hatte. "Gab's die Hose nicht in Herrn Winters' Größe?" Schallendes Gelächter. "Krass, Dicker", erwiderte ich und wippte locker von einem Fuß auf den anderen. "Wir werden jetzt einen krassen Versuch durchführen – genannt das Knallgasexperiment, Dicker!" Es wurde mucksmäuschenstill.
"Hat der Clown eben Dicker zu mir gesagt?", fragte der Übergewichtige ungläubig in die Runde. Ich schluckte. Obwohl es recht kühl war, zog der Dicke seine Jacke aus. An seiner Schläfe pochte eine wulstige Ader. "Ich meinte Dicker eher im Sinn von 'Dicker', Alter!", stellte ich klar. "Jetzt zeig ich dir Knallgas!", keuchte der Moppel und schoss hinter seinem Tisch hervor. Auf der Flucht zur Tür rannte ich Direktor Gutbrodt in die Arme, der soeben das Labor betrat. Ein Energiedrink zerschellte neben uns an der Wand.
Als Zillerbach das Büro seines Chefs nach zwei Stunden "klärenden Gesprächs" wieder verließ, zischte er mich an: "Ich bin bis auf Weiteres beurlaubt, herzlichen Dank!"
"Krass – Mission erfüllt, Alter!", triumphierte ich. Aber so richtig glücklich wirkte Zillerbach immer noch nicht. Schon komisch, diese Lehrer.
Wohl dem, der einen pädagogisch talentierten Freund wie mich hat, dachte ich und legte meinen Arm um Zillerbach – nicht zuletzt, um unauffällig das "Ich bin doof!"-Schild zu entfernen, dass ihm seine Schüler auf die Jacke geklebt hatten. "Ich komme morgen mit und werde diesen Grünschnäbeln einen Projekttag servieren, den sie ihr Leben lang nicht vergessen werden", verkündete ich. "Mit anderen Worten: Du bist gerettet!"
Den Rest des Abends erarbeitete ich ein astreines Winters-Curriculum, wozu mich die zahlreichen Schnäpse inspirierten, welche Zillerbach in vorauseilender Dankbarkeit bezahlte. Nebenbei klärte ich meinen ahnungslosen Kumpel darüber auf, wie wichtig es ist, Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen. Man müsse nur oft genug "krass" und "Dicker" sagen, dann habe man die Kids schon auf seiner Seite.
Am nächsten Morgen erschien Zillerbach wie verabredet um Punkt sieben vor meiner Haustür – gegen 20 vor acht gelang es ihm tatsächlich, mich wachzuklingeln. Trotz starker Kopfschmerzen war ich bestens vorbereitet: Um schon optisch ein deutliches Zeichen für ein perfektes Schüler-Lehrer-Verhältnis zu setzen, trug ich die sackartig geschnittene Baggy-Jeans, die mein schulpflichtiger Neffe bei seinem letzten Besuch bei mir vergessen hatte, sowie eine Baseballmütze. "Voll krass, Dicker, findest du nicht?", rief ich meinem Kumpel entgegen. Zillerbach sah unglücklich aus, aber für Diskussionen war es nun zu spät.
Mit kaum zehnminütiger Verspätung betraten wir das Chemielabor, in dem eine entfesselte Meute Halbstarker mit einem Bunsenbrenner das Lehrerpult bearbeitete. "So, Herrschaften, zur Projektwoche habe ich Ihnen heute Herrn Winters mitgebracht. Sie werden staunen, was Sie gleich zu sehen bekommen!", schrie Zillerbach, und tatsächlich wurde es still.
"Ich staune jetzt schon!", ließ sich ein übergewichtiger Schüler vernehmen, nachdem die Truppe mich einige Augenblicke lang gemustert hatte. "Gab's die Hose nicht in Herrn Winters' Größe?" Schallendes Gelächter. "Krass, Dicker", erwiderte ich und wippte locker von einem Fuß auf den anderen. "Wir werden jetzt einen krassen Versuch durchführen – genannt das Knallgasexperiment, Dicker!" Es wurde mucksmäuschenstill.
"Hat der Clown eben Dicker zu mir gesagt?", fragte der Übergewichtige ungläubig in die Runde. Ich schluckte. Obwohl es recht kühl war, zog der Dicke seine Jacke aus. An seiner Schläfe pochte eine wulstige Ader. "Ich meinte Dicker eher im Sinn von 'Dicker', Alter!", stellte ich klar. "Jetzt zeig ich dir Knallgas!", keuchte der Moppel und schoss hinter seinem Tisch hervor. Auf der Flucht zur Tür rannte ich Direktor Gutbrodt in die Arme, der soeben das Labor betrat. Ein Energiedrink zerschellte neben uns an der Wand.
Als Zillerbach das Büro seines Chefs nach zwei Stunden "klärenden Gesprächs" wieder verließ, zischte er mich an: "Ich bin bis auf Weiteres beurlaubt, herzlichen Dank!"
"Krass – Mission erfüllt, Alter!", triumphierte ich. Aber so richtig glücklich wirkte Zillerbach immer noch nicht. Schon komisch, diese Lehrer.
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